Nach »Amboss oder Hammer« hat Volker Hermsdorf ein weiteres, spannendes Buch mit Gesprächen über Kuba im Verlag Wiljo Heinen herausgebracht. Die aktuelle Situation Kubas wird über die Bereiche Politik, Wirtschaft und Gesellschaft hinaus auch auf den Feldern der Militär- und Sicherheitspolitik beleuchtet.
Gesprächspartner für den Bereich Politik ist Hans Modrow (*1928), vom 13. November 1989 bis zum 18. März 1990 Ministerpräsident der DDR. Er ist der deutsche Politiker mit den längsten Kuba-Erfahrungen. Zum ersten Mal reiste er 1970 auf die sozialistische Karibikinsel.
Modrow reflektiert die zum Zeitpunkt der für »Amboss oder Hammer« geführten Gespräche in diesem Maße nicht vorhersehbare Dynamik in den Beziehungen USA-Kuba.
Für den Wechsel in Obamas Kubapolitik sei nicht allein dessen Einsicht in frühere Fehler verantwortlich, sondern auch ein Stimmungswechsel in den und die weltweite Isolierung der USA, meint Modrow.
Sich selbst lernend zu verändern und dabei den revolutionären Weg weiter zu gehen: Diese Praxis Kubas sollte die Linke in Europa stärker aufnehmen und sich zu eigen machen, fordert er. Über Transformationstheorien zu schwadronieren hätte damit nichts zu tun.
Fritz Streletz (*1926), Generaloberst a.D. der DDR, hat die Republik Kuba von 1966 bis 2015 insgesamt 19 Mal besucht. Er gibt sachkundig Auskunft über militär- und sicherheitspolitische Aspekte.
Die Invasion in der Schweinebucht hatte im Jahr 1961 – vor der Schließung der Grenzen von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer – z.B. eine politische und militärische Situation geschaffen, in der die DDR und die anderen osteuropäischen Staaten sich noch stärker durch die USA und die NATO bedroht fühlten. Die Solidarität der DDR habe bereits 1961/1962 dem kubanischen Volk und seiner Armee gegolten. In der NVA gab es in dieser Zeit vielfältige Solidaritätsbekundungen.
Streletz weist drauf hin, dass Kuba unter anderem die nationalen Befreiungsbewegungen in Angola, Äthiopien, Mozambique und Namibia vorbildlich und nahezu allein unterstützt hatte. Zwischen 1975 und 1991 kämpften hunderttausende Angehörige der Revolutionären Streitkräfte Kubas in Afrika an der Seite derjenigen, die sich gegen die Angriffe des südafrikanischen Apartheid-Regimes verteidigten. Zehntausende kubanischer Internationalisten starben in diesem Kampf. Diese Opfer hat habe nur das kubanische Volk gebracht. Neben großen menschlichen Opfern habe Kuba auch die meisten materiellen Lasten allein getragen, denn alles sei aus eigenen Mitteln finanziert worden. Mittel, die zum Aufbau der Infrastruktur in Kuba dann fehlten.
Klaus Eichner (*1939) ist ein ehemaliger Oberst der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), des Auslandsnachrichtendienstes der Deutschen Demokratischen Republik, und war dort der Chefanalytiker für US-amerikanische Geheimdienste.
Mit Beginn der Revolution in Kuba befasste sich die DDR – aufgrund der wachsenden politischen und strategischen Bedeutung der Entwicklungen in der Region – zunehmend auch mit Lateinamerika. Zwischen dem MfS der DDR und den Sicherheitsorganen des sozialistischen Kuba entwickelte sich – vor allem in Bezug auf Aufklärung und Abwehr – ein quantitativ und qualitativ wachsender Informationsaustausch.
Beim aktuellen Prozess der Annäherung zwischen den USA und Kuba dürfe man nicht vergessen, sagt Eichner, dass US-Geheimdienstagenten in aller Welt über die US-Botschaften gesteuert werden. Sie säßen aber auch in nahezu allen anderen Einrichtungen, in Firmen und NGOs aus den USA. Ihr Auftrag bestehe vor allem aus Informationsbeschaffung, Anwerbung, Ausbildung und Führung von Agenten, aber auch in direkten Einsätzen. Hier gelte es wachsam zu sein.
Zum Schluss folgt eine Reflexion über den VII. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas im April 2016 in Havanna, der eine auf der Bilanz des Erreichten und der Analyse der Fehler basierende Orientierung für die weitere Aktualisierung des sozialistischen Prozesses und die Stärkung des Sozialismus erarbeiten soll.
Volker Hermsdorf hat ein rundum lesenswertes, sehr aktuelles Buch vorgelegt, das mit der Fokussierung auf die drei Bereiche Politik, Militär und Geheimdienst singulär unter den Kubabüchern ist. Ihm sind viele Leser zu wünschen.
Verlag Wiljo Heinen, Januar 2016, Taschenbuch, 206 Seiten
Marion Leonhardt
CUBA LIBRE 1-2016