Das Medien-Melodram kann eine 50-jährige politische Farce nicht überdecken. Die dramatische Situation von über 2000 kubanischen Migranten, die sich seit Wochen im Grenzbereich zwischen Costa Rica und Nicaragua aufhalten, hat es in die internationalen Schlagzeilen geschafft.
Osval / Juventud Rebelde |
Sie hatten Kuba auf legalem Weg mit dem Flugzeug ins für Kubaner noch visa-freie Ecuador verlassen. Von da ausgehend, hatten sie bis zu acht verschiedene Länder zu durchlaufen, um schließlich in die USA zu gelangen. Als »Wirtschaftsflüchtlinge« aus einem Land des Südens stehen sie an der Tür zu einem mächtigen Land im Norden. Aber ist ihre Situation anders als die anderer Lateinamerikaner? Schauen wir etwas genauer hin.
In den USA leben 34 Millionen Migranten aus Mexico und 2,5 Millionen aus El Salvador, um nur diese Beispiele zu nennen. Die in Kuba geborenen Einwanderer machen eine viel geringere Zahl aus: 1,2 Millionen. Jeden Tag werden 1.200 Personen ohne Papiere aus den USA abgeschoben, im Durchschnitt 400.000 pro Jahr. Wäre ein US-Gesetz vorstellbar, welches nicht 400.000 Personen jährlich des Landes verweist, sondern sie automatisch aufnehmen ließe, mit automatischer Verleihung einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung nach nur 12 Monaten? Wie viele Millionen an Migranten würden in diesem Fall wohl durch die halbe Welt reisen, um den sagenumwobenen amerikanischen Traum zu erleben?
Cuban Adjustment Act
Ein solches Gesetz existiert. Es heißt »Cuban Adjustment Act«. Es stammt aus dem Jahr 1966 und begründet eine Sonderbehandlung für Kubanerinnen und Kubaner, die, indem sie US-amerikanisches Territorium betreten, als »politische Flüchtlinge« aufgenommen und durch die Arbeits- und Sozialgesetzgebung bevorzugt behandelt werden. Diese wirtschaftlichen Flüchtlinge, auch wenn sie aus propagandistischen Gründen»politisch« genannt werden, werden von ihrer Regierung nicht bestraft. Deshalb fahren viele von ihnen einmal im Jahr in den Ferien nach Kuba – in das Land, in dem sie angeblich »verfolgt« werden.
Es gehen Gerüchte um, dass diese Farce im Zuge des gegenwärtigen Dialogs zwischen Kuba und den USA beendet werden soll. Manche sagen, Präsident Obama würde den genannten Cuban Adjustment Act zurückziehen oder nur noch punktuell anwenden. Aus diesem Grund sind im letzten Jahr die Ausreisen aus Kuba in die USA in die Höhe geschnellt.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren ist über diese Frage etwas in den großen Medien zu hören – und dabei wird dankenswerterweise anerkannt, dass die kubanische Emigration ökonomischen und nicht politischen Charakters ist.
Aber keine dieser Zeitungen benennt in aller Deutlichkeit die tatsächlich für dieses Problem Verantwortlichen. Die Haltung der US-Regierung wird weiterhin gerechtfertigt. Die Tageszeitung »La Prensa« aus Nicaragua erklärt uns, Washington erlaube es den Kubanern »aus humanitären Gründen«, einzureisen und einen legalen Aufenthaltsstatus zu erhalten. Humanitäre Gründe? Geht es noch zynischer? Warum nehmen die USA dann nicht die Millionen von Menschen aus Lateinamerika auf, die tatsächlich in prekären Verhältnissen leben?
Kubaner können ausreisen
Während vieler Jahre hat die internationale Presse Kuba dafür verurteilt, dass es von seinen Bürgern, die ins Ausland reisen wollten, die Vorlage einer Ausreisegenehmigung verlangte. Die Abschaffung dieser Maßnahme im Januar 2013 war ein harter Schlag für den von den Medien gehypten Mythos, den Kubanern sei es untersagt, ihre Insel zu verlassen. Heute gibt es Medien, die Kuba genau für das Gegenteil angreifen. Die spanische Tageszeitung »El Mundo« stellte fest, das »Castro-Regime« lindere den demografischen Druck und verschaffe sich über die massenhafte Ausreise von Migranten Deviseneinkünfte. Kurioserweise wird Gleiches von der mexikanischen Regierung nicht behauptet. Die Zeitschrift »La Nación« aus Costa Rica behauptet, das »kubanische Regime« befördere die Ausreise seiner Bürger als ein Notventil und als zusätzliche Quelle von Geldsendungen. Um dann einige Zeilen tiefer genau das Gegenteil zu behaupten, natürlich auch in der Absicht, der kubanischen Regierung die Schuld zuzuweisen: »Für das Castro-Regime sind diese Menschen Feinde, die es zu verfolgen gilt.« Wie ist es denn nun, schürt Kuba die Auswanderung oder sanktioniert sie selbige?
Spekulationen über Gründe
Es wirkt fast tragikomisch, wie die Presse in Ländern, aus denen eine massive Emigration in die USA stattfindet, über die Gründe der kubanischen Emigration spekuliert. Im »El Heraldo« aus Honduras ist zu lesen, dass »die Kubaner ihre Insel aufgrund der dort herrschenden wirtschaftlichen Not fluchtartig verlassen«. Ohne jeden Zweifel fliehen im Gegensatz dazu die tausenden Menschen, die jedes Jahr aus Honduras in die USA auswandern, vor dem gesellschaftlichen Reichtum.
Teure Schlepper
Dank dieser Medien wissen wir von der Odyssee der kubanischen Familien, die auf dem Weg »Opfer von Schleppern und Gangsterbanden« werden, wie uns »El Heraldo« berichtet. Die spanische Zeitung »El País« berichtet uns, einige der Migranten hätten bis zu 15.000 Dollar an »Koyoten« (Schlepper) bezahlt, und dass einige von ihnen in Havanna ihr Haus und ihr Auto verkauft hätten, um der Armut zu entfliehen. Eine seltsame »Armut« befällt da denjenigen, der in Kuba 15.000 Dollar, eine Immobilie oder ein eigenes Fahrzeug besitzt.
Kuba ist das einzige Land der Welt, in dem die »politischen Exilanten« zu Ferienzwecken in ihre Heimat zurückkehren, ohne dass sie Repressalien fürchten müssten. Nur gut, dass die Tage dieser Farce – allen manipulativen Informationen zum Trotz – langsam gezählt sind.
José Manzaneda
Der Autor ist Koordinator des baskischen
Gegeninformationsbüros »www.cubainformación.tv«.
Übersetzung: Tobias Kriele Zwischenüberschriften von der Redaktion
CUBA LIBRE 1-2016