Nur wer es selber gesehen und erlebt hat kann es glauben: Die »Nationalbasilika des Heiligen Herzens« in Brüssel als fünftgrößte Kirche der Welt vollbesetzt mit progressiven Kräften! Es war der Höhepunkt dieses alternativen Gipfels mit 1.500 Teilnehmenden von den beiden Kontinenten.
Doch der Reihe nach:
In vergleichsweise kurzer Zeit eine solch breite Zusammenkunft zu organisieren – das war eine gewaltige Herausforderung. Der Solidarität mit Venezuela in Europa und »Cuba Socialista« Belgien sei Dank.
Diese Parallelveranstaltung zum Gipfeltreffen der EU mit der CELAC (Staatengemeinschaft aller Länder des amerikanischen Kontinents ohne USA und Kanada) begann im Kongresszentrum »Passage 44« mit dem Auftritt verschiedener Persönlichkeiten wie Abel Prieto, dem Berater von Präsident Raul Castro und früheren Kulturminister, der ehemaligen honduranischen Außenministerin Rodas und von fortschrittlich-solidarischen Abgeordneten aus dem Europaparlament. Die riesigen Interessenunterschiede zwischen den beiden Organen wurden deutlich aufgezeigt: Die EU auf gesteigerte Ausbeutung ausgerichtet, die CELAC als Sinnbild für Kooperation in wirklich gegenseitigem Interesse.
Medien als wichtiges Thema
Die Rolle der Medien war eines der dominierenden Themen – sowohl anlässlich der Pressekonferenz, wie auch in Workshops und im Plenum. Die bürgerlichen Medien als Teil des Kapitalismus müssten notwendigerweise lügen. Der Putschversuch von 2002 in Venezuela hatte gezeigt, dass der Bolivarischen Revolution damals mediale Mittel zur Verteidigung fehlten. Um die Wahrheit zu vermitteln, braucht es eigene Medien. Der lateinamerikanische Sender TeleSur ist die Umsetzung davon, basierend auf der Initiative von Fidel Castro und Hugo Chávez.
Dass in den letzten Jahren vielerorts und auch in anderen Sprachregionen neue kritische Medien entstanden sind, stimmt zuversichtlich. An der internationalen Solidarität liegt es nun, diese noch besser zu vernetzen.
Solidarität mit Venezuela
Das Doppelspiel des Obama-Regimes, sich offiziell Kuba anzunähern, um umgekehrt per Dekret Venezuela als Bedrohung für die USA darzustellen, verstärkte den Protest und die internationale Solidarität, die am Mittwochnachmittag des Treffens in einer unübersehbaren Kundgebung auf dem Boulevard Simon Bolívar und einem Marsch durch das EU-Brüssel ihren Ausdruck fanden. Da waren Solidaritätsbekundungen aus Lissabon, Istanbul, Oslo, aus Serbien, von ALBASUIZA zu lesen, umrahmt von wunderschönen Trachten der Indigenas aus Ecuador und Bolivien.
Kultur großgeschrieben
Der Abend bot ein kulturelles Glanzlicht wie man es selten sieht: »Zandra Rodriguez«, die weißrussische (!) Gruppe für venezolanischen Tanz vom Kulturzentrum »Simon Bolívar« in Minsk bezauberte das Publikum und erntete frenetischen Applaus.
Declaración Final Cumbre de los Pueblos
Die von den 1500 Teilnehmenden und Delegierten der 346 Organisationen aus 43 Ländern einhellig verabschiedete Schlussdeklaration betont zuerst die Unterstützung im Widerstand gegen die imperialistische Intervention und für die regionale Integration in Lateinamerika, wie sie in ALBA, UNASUR und CELAC mit der Proklamation von »Lateinamerika als Zone des Friedens und frei von Kolonisation« zum Ausdruck kommt. Weiter findet Erwähnung, dass in punkto Klimawandel und Umweltschutz zu handeln sei. Dabei wird aufs Schärfste verurteilt, wie Chevron in Ekuador die Opfer ihrer Schandtaten auch noch zu Tätern zu machen versucht.
Dem kubanischen Volk und seiner Revolution wird die fortwährende Unterstützung zugesagt und der großen Freude Ausdruck gegeben ob der Rückkehr der Fünf Kubaner aus US-Gefangenschaft – nicht zuletzt auch dank der internationalen Solidarität – und dass jetzt ein hoffentlich respektvoller Dialog ermöglicht wird.
Ebenso wird gefordert, dass die USA die Souveränität und Selbstbestimmung in den Ländern mit progressiven Regierungen respektieren. Grundsätzlich wird in der Erklärung die Unterstützung aller Bemühungen zugunsten einer gerechten Gesellschaft unterstrichen und damit eine Ablehnung des Neoliberalismus betont – damit auch den diversen Freihandelsabkommen wie TTIP und TISA den Kampf ansagend.
Grandioser Schlusspunkt
Wie eingangs erwähnt war die Abschlussveranstaltung ein Ereignis der besonderen Art. Angesichts der hochrangigen Gäste ging es nicht ohne ein besonderes Sicherheitsdispositiv. Gleichwohl kam unter den Besuchern nicht die geringste Nervosität auf als sich die riesige Basilika nur langsam aber stetig füllte, und es auch noch einige Zeit dauerte, bis nach musikalischen Beiträgen endlich Aleida Guevara als erste Rednerin ans Mikrofon trat und zum »Aufbau der Großen Heimat« aufrief, »als Rettung für Lateinamerika«. Etwas abrupt dann der Rednerwechsel als Ekuadors Präsident Rafael Correa – tagsüber im EU-CELAC-Gipfel engagiert – in die Kirche geführt wurde. Er nahm den Ball aber geschickt auf und meinte, es könne nicht Zufall sein, dass Che-Tochter Aleida Guevara, Rosa Virginia, Tochter von Hugo Chávez und Fidels Enkel Fidelito hier mit dabei seien und damit bestätigten, dass hier nicht irgendwelche abgehobenen Staatsmänner eingeladen seien, sondern solche mit echtem Bezug zu ihren Völkern.
Correa forderte denn auch – wie zuvor schon am offiziellen Gipfel – die vollständige Aufhebung der Blockade gegen Kuba und die Rückgabe von Guantánamo wie auch die Annullierung des verlogenen Dekrets gegen das Bruderland Venezuela. CELAC zu festigen sei besonders wichtig, damit die OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) aufgelöst werden könne, welche – wie Fidel einmal sagte – bloß ein Kolonialministerium der USA sei.
Erstmals in Europa trat der kubanische Vizepräsident Miguel Diaz-Canel in Erscheinung: Er überbrachte die Grüße von Raul und Fidel und wies ganz in ihrem Sinn auf die Notwendigkeit hin, diese ungerechte Weltordnung zu überwinden, nicht zuletzt auch, um die Umwelt vor der Zerstörung durch den maßlosen Konsumismus zu bewahren.
Schließlich entlarvte der anstelle des erkrankten Nicolas Maduro in Brüssel weilende Vizepräsident Jorge Arreaza die immergleiche Leier der EU, wonach der Freihandel die einzige Möglichkeit für Fortschritt sei. »Der Weg für Venezuela kann nicht der Kapitalismus sein, sondern nur der Aufbau des Sozialismus.«
Solche Reden und Worte in der Kirche haben wie symbolisch den Bogen geschlagen zur päpstlichen Enzyklika über das »pervertierte System“ von heute …
(Fotos: S.W.)
Declaración Final Cumbre de los Pueblos
http://cubanismo.net/cms/nl/campaigns/cumbre-de-los-pueblos
Samuel Wanitsch
Mitglied der Schweizer Delegation von ALBASUIZA und
Koordinator der Vereinigung Schweiz-Cuba
CUBA LIBRE 4-2015