Und Fidel Castro lächelte weise …

Geschichte ist nicht immer gerecht, die Erfahrung macht jeder irgendwann. Aber geschichtlich kann Gerechtigkeit sich durchsetzen, vor allem für Völker, die hart gekämpft haben und solidarisch geblieben sind.

Wolfgang Gehrcke

Foto: Olaf Kosinsky / Skillshare.eu (wikimedia)

2015, nach Jahrzehnten der Isolation, reist der französische Staatspräsident Hollande nach Kuba. Der Papst war schon vor ihm da. Nach ihm kommen der bundesdeutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier und am Ende der US-Außenminister John Kerry. In Havanna gibt es nun wieder eine US-amerikanische Botschaft und in Washington eine Botschaft der Republik Kuba. Und einiges ist denkbar, was bislang ausgeschlossen schien. Die Geschichte kennt keine Stunde Null, aber ein Neubeginn ist möglich, wenn ernsthaft und ehrlich miteinander umgegangen wird. Diesen Nachweis allerdings müssen die Vereinigten Staaten erst noch antreten. Auf dem Konto der USA stehen der Putschversuch in der Schweinebucht, etliche Mordanschläge auf Fidel Castro, die brutale Boykottpolitik und das Foltergefängnis Guantanamo. Die USA verantworten Hunger und Leiden in Kuba und sie verantworten die Geschichte blutiger Putsche in Lateinamerika. Sollte diese Politik zu Ende gegangen sein – es wäre großartig. Nur, so richtig daran glauben kann ich nicht. Ich muss also überzeugt werden.

Ich muss auch davon überzeugt werden, dass Deutschland ehrliche Schlussfolgerungen aus seiner verfehlten Politik gegenüber Kuba für sich selbst zieht und in der Europäischen Union für eine neue Kuba-Politik eintritt. Kurz vor den USA war der bundesdeutsche Außenminister in Kuba, aber lange nach anderen, die sich dieses Recht auf Politik nicht länger haben vorenthalten lassen.


Steinmeier - Parilla

Der Außenminister der BRD mit seinem kubanischen Amtskollegen, Bruno Rodríguez Parilla; Foto: Ismael Francisco / Cubadebate

Nach dem Besuch des Bundesaußenministers in Kuba – ich hätte ihn wirklich gern begleitet – sind einfach einige Dinge festzuhalten. Dazu gehört auch, dass die Bundesregierung endlich das Scheitern ihrer Lateinamerikastrategie, in der Kuba immer noch einen Sonderstatus einnimmt, eingesteht und diese Strategie in die Abteilung Altpapier verweist. Die Eiszeit in den Tropen – das ist auch der Titel eines lesenswerten Buches des früheren bundesdeutschen Botschafters in Kuba, Herrn Wulffen – ist von Berlin ausgegangen und nicht von Havanna, Caracas oder einem anderen links regierten Land Lateinamerikas. In der Rahmenvereinbarung zwischen Deutschland und Kuba wird darauf bestanden, dass es sich um gleichberechtigte Beziehungen zwischen zwei souveränen Ländern handelt und dass mit politischen Belehrungen Schluss gemacht werden soll. Neu beginnen soll die Entwicklungszusammenarbeit, die sich auf sinnvolle Projekte der gegenseitigen Hilfe konzentriert. Nicht neoliberale Ausbeutung, sondern Hilfe für soziale, ökologische und demokratische Projekte. Deutschland und Kuba wollen kulturell zusammenarbeiten.

Die Form der kulturellen Zusammenarbeit ist noch nicht endgültig festgelegt. Für die kulturelle Zusammenarbeit können die Freundschaftsgesellschaften und Solidaritätsgruppen viele Erfahrungen einbringen. Ein bundesdeutscher Stand auf der jährlichen Buchmesse in Havanna, der kritische Gegenwartsliteratur aus unserem Land vorstellt, könnte ein vernünftiger Schritt zum Ausbau der Kulturbeziehungen sein.

Die deutsche Wirtschaft will eine Vertretung in Havanna aufmachen. Warum denn nicht, wenn es beiden Ländern hilft. Das wird in Kuba zu entscheiden sein; ich würde es begrüßen.

Nach fünfzig Jahren nehmen die USA wieder diplomatische Beziehungen zu Kuba auf. Westeuropäische Regierungschefs und Außenminister geben sich in Havanna die Klinke in die Hand. Wie oft wurde Kuba vorher bereits für tot und erledigt erklärt. Kuba ist durch schwere und schwerste Zeiten gegangen. Der Zusammenbruch vieler »real sozialistischer« Länder, das Abdriften einiger von ihnen auf die ganz rechte Seite, die schweren wirtschaftlichen Bedingungen für Kuba, als die sowjetischen Lieferungen ausblieben – das alles soll keiner vergessen. Ich bin glücklich, dass Comandante Fidel Castro das alles noch erlebt.Castro war stärker, weiser, humaner als seine Gegenspieler in den Washingtoner Zentralen.

In vielen bundesdeutschen Medien ist insbesondere die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Kuba und den USA, die Wiedereröffnung der US-Botschaft in Havanna gewürdigt worden. Weiße Strände und blaues Meer – das locke auch junge Exil-Kubaner in Florida, wusste die Frankfurter Rundschau zu berichten. Gleichzeitig folgt die übliche Ermahnung, nicht nur an die Adresse der kubanischen Regierung, sondern auch an die USA: Vergesst mir die kubanischen Dissidenten nicht. Ärgerlich tönt es in der Deutschen Welle, dass die USA die Dissidenten nicht zum Festakt zur Eröffnung ihrer Botschaft eingeladen hatten, sondern diese zu einem späteren Termin an einem anderen Ort treffen wollten. Bundesaußenminister Steinmeier ist um das »Dissidentengespräch« herumgeschifft, zumindest im Programm stand keins. Steinmeier erklärte, er hätte die kubanische Führung ermahnt, die Menschenrechte einzuhalten und zu achten. Ob Raúl Castro das mit einer Gegenmahnung beantwortet hat, weiß ich nicht, ich war ja nicht dabei. Aber er hätte viel Anlass dazu gehabt. Wenn die Zusammenarbeit Deutschland-Kuba sich auf einer neuen Grundlage entwickeln soll, wäre es gut, wenn Deutschland an die USA appellierte, Guantanamo zu schließen und an Kuba zurückzugeben.

Deutsch-kubanische Zusammenarbeit

Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung über die Zusammenarbeit der Regierung der Republik Kuba und der Bundesrepublik Deutschland und ein Memorandum of Understanding zwischen dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der beiden Republiken über die Errichtung eines politischen Konsultationsmechanismus.; Foto: Ismael Francisco / Cubadeabate

Ein Anfang ist gemacht; ob und wen Steinmeier in Kuba zu einem Gegenbesuch nach Deutschland eingeladen hat, wird sich zeigen. Der Bundestag sollte in diesem Jahr über Inhalte einer neuen Kuba-Politik, über eine neue Strategie diskutieren. Die Fraktion DIE LINKE wird dazu Vorschläge unterbreiten und ich habe kein Problem, das mit einer Erklärung »Die LINKE begrüßt den Besuch des Bundesaußenministers Steinmeier in Kuba« zu eröffnen. Bei dem wenigen, was man von dieser Bundesregierung begrüßen kann, sollte man das dann auch tun.


CUBA LIBRE Gastkolumne von Wolfgang Gehrcke

CUBA LIBRE 4-2015