Kubaner wählten ihre Delegierten für den Gemeinderat
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Am 19. April, dem 54. Jahrestag des Sieges in Playa Girón, fanden in Kuba die Wahlen zu den »Asambleas Municipales del Poder Popular« statt.
Das entspricht in etwa unseren Stadt- und Gemeinderatswahlen. Sie finden alle zweieinhalb Jahre statt und sind direkt und geheim. Da es keine Parteienlisten gibt, wird der gewünschte Kandidat vom Volk direkt gewählt.
Vor der Wahl
Dazu fanden in der Zeit vom 24. Februar bis 25. März die Versammlungen zur Nominierung der Kandidaten statt. Die Wahlberechtigten, d. h. alle Kubanerinnen und Kubaner ab 16 Jahren, kommen in diesen Versammlungen in ihrem Wohnbezirk zusammen und wählen aus ihrer Mitte den Kandidaten, der ihnen der geeignete erscheint. Insgesamt fanden Tausende solcher Versammlungen statt, bei denen 23.379 Kandidaten nominiert wurden. Wenn der Nominierungsprozess abgeschlossen ist, werden biographische Daten der Kandidaten samt Foto an gut sichtbaren Orten angebracht, damit die Wähler noch einmal überprüfen können, wer ihrer Meinung nach die Funktion am besten ausüben könnte. Auch die Liste der Wähler kann man an gut sichtbaren Stellen finden, damit jeder sehen kann, ob er in der Liste verzeichnet ist und ob gegebenenfalls eine Änderung in der Liste vorzunehmen ist. Wahlpropaganda mit nichtssagenden Slogans gibt es hier nicht.
Hohe Wahlbeteiligung
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Am 19. April waren nun 8 Millionen Kubaner zu den Wahlurnen gerufen, darunter 63.400 Jugendliche von 16 und mehr Jahren, die zum ersten Mal wählen durften. Um sieben Uhr morgens waren über alle Sender die Klänge der Nationalhymne und der offizielle Aufruf zu hören. Jetzt konnten die Wahlen beginnen. Aber bereits seit sechs Uhr morgens hatten Beamte der Nationalen Wahlkommission (CEN) kontrolliert, ob alle Bedingungen für einen ordnungsgemäßen Ablauf in den 24.600 eingerichteten Wahllokalen gegeben waren. Bei dieser Wahl gab es zum ersten Mal Wahlbeobachter. Diese Funktion wurde von über 20.000 jungen Menschen, zum großen Teil Studenten, ausgeübt.
Um 18 Uhr wurde die Wahl für beendet erklärt und die im Wahlgesetz vorgeschriebene öffentliche Auszählung der Stimmen konnte beginnen. Gewählt war der Kandidat, der mehr als 50 % der Stimmen auf sich vereinigen konnte.
Die Wahlbeteiligung betrug 88,3 %. Dabei muss in Betracht gezogen werden, dass sich wegen der neuen Ein- und Ausreisebestimmungen Zehntausende von Kubanern vorübergehend im Ausland aufhalten. Da diese aber im Wählerverzeichnis verbleiben, wirkt sich das auf den Prozentsatz der Wahlbeteiligung aus. Wenn man diesen aber mit den teilweise weniger als 45 % vergleicht, die sich an deutschen Kommunalwahlen beteiligen, ist er aber enorm hoch. Offensichtlich sind die kubanischen Wähler überzeugt davon, mit ihrer Stimme die Politik beeinflussen zu können.
90 % der abgegebenen Stimmzettel waren gültig.
4,54 % waren leer und 4,92 % waren annulliert.
Die Kandidaten, die die erforderliche Mehrheit nicht erreicht hatten, mussten sich einem zweiten Wahlgang stellen. Das betraf 1.166 Wahlbezirke mit ca. 1,2 Millionen Wählern.
Neue Legislaturperiode
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Die neu gewählten Delegierten kamen am 13. Mai, dem offiziellen vom Staatsrat herausgegebenen für alle verbindlichen Datum, in ihren Parlamenten zur konstituierenden Sitzung zusammen. Dort wählten sie aus ihrer Mitte einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten, was bei uns dem Bürgermeister bzw. stellvertretendem Bürgermeister entsprechen würde. Wenn zu irgendeinem Zeitpunkt des Mandats die Wähler der Meinung sind, dass der von ihnen gewählte Delegierte seinen Aufgaben nicht nachkommt, können sie die Aufhebung seines Mandats fordern und einen neuen Delegierten wählen.
Keine einfache Aufgabe
Nun hört man gelegentlich, der Delegierte würde die Probleme seines Wahlkreises nicht lösen. Aber das ist auch nicht seine eigentliche Aufgabe. Die besteht unter anderem darin, die Probleme, die es in seinem Bezirk gibt, an die zuständigen Behörden weiterzuleiten. Diese sind es nämlich, die die Lösung des Problems herbeiführen müssen. Wenn es z. B. Probleme mit der Straßenbeleuchtung gibt, kann sich der Delegierte an das Elektrizitätsunternehmen wenden, damit die fehlenden Laternen installiert werden. Wenn dort andere Prioritäten herrschen, könnte einige Zeit verstreichen, bis die Leute ihr Licht bekommen. Worüber allerdings nachgedacht wird, ist, die Position des Delegierten gegenüber den Behörden zu stärken, damit er seine Forderungen, die ja die Forderungen der Wähler sind, effektiver als bisher durchzusetzen vermag. Aber der Delegierte hat noch andere Aufgaben. Er ist Teil des Gemeindeparlaments und nimmt dort an den Debatten teil, in denen alle Probleme des Bezirks erörtert werden und auch dort kann er seine Forderungen einbringen, die falls nötig, Eingang in den Gemeindehaushalt finden.
Renate Fausten
CUBA LIBRE 3-2015