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Zunächst will ich diese Kolumne in der Cuba Libre nutzen, um mich bei den deutschen Freunden für die Freundlichkeit zu bedanken, mit der sie mich während meiner Rundreise durch elf deutsche Städte bedacht haben.
Zu meiner großen Freude erreichte mich sieben Tage nach meiner Rückkehr die großartige Nachricht, dass die Gerechtigkeit sich durchgesetzt hat und Gerardo, Ramón und Tony frei und in Kuba sind.
Ein Wendepunkt
Nach 55 Jahren der Feindseligkeit haben die Regierungen Kubas und der USA angekündigt, Gespräche über einen Wandel in den bilateralen Beziehungen zu führen. Der 17. Dezember 2014 stellt somit einen Wendepunkt im Kalten Krieg dar. Raúl und Obama haben sich entschieden, einen Schritt in Richtung einer möglichen Normalisierung beider Länder zu gehen, was einen ehrlichen und respektvollen Dialog voraussetzt.
Auf seiner Pressekonferenz am 17. Dezember erkannte der Chef des Weißen Hauses an, dass das der Versuch, Kuba zu isolieren, gescheitert sei. Jahr für Jahr verurteilt die Welt die Blockade gegen Kuba, und ein Teil der nordamerikanischen Unternehmer sind nicht mehr mit den Reiseeinschränkungen einverstanden. Vor allem die US-Unternehmer aus dem Agrarsektor wollen nicht länger mögliche verlockende Geschäfte verlieren.
Ende Januar nahmen das kubanische Außenministerium und das US-State-Department ihre Gespräche zur Wiederherstellung diplomatischer Gespräche in Havanna auf. Beide Delegationen zeigten Interesse, die von Raúl und Obama angekündigte Normalisierung anzustreben. Beiden Regierungen war bewusst, dass eine Annäherung nur bei Lösung des Falles des ehemaligen Subunternehmer der USAID, Alan Gross, sowie der drei in den USA gefangenen kubanischen Antiterroristen möglich werden würde.
All dies erfreut uns Kubaner, denn trotz allem empfinden wir Respekt vor dem noblen US-amerikanischen Volk, das uns so sehr in unseren Bemühungen der Befreiung von der spanischen Kolonialherrschaft unterstützt hat. Dank der geografischen, geopolitischen, historischen und kulturellen Nähe unserer Völker haben die USA immer einen wichtigen Referenzpunkt Kubas dargestellt.
Geschichte einer Herrschaft
Aus der Perspektive des Nordens galt Kuba als die reife Frucht, welche nach dem Ende der spanischen Kolonialherrschaft in die Hände des Nachbarn zu fallen habe.
In der ersten Etappe der neokolonialen Phase beabsichtigte die US-Regierung, unter Komplizenschaft der jeweiligen Regierungen auf der Insel, die kubanische Gesellschaft zu US-amerikanisieren und unsere kämpferischen Traditionen auszutilgen. Daraus ergab sich die starke US-amerikanische Präsenz in Kuba während der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Die klare Absicht war es, Kuba als einen weiteren US-Bundesstaat zu schlucken.
Seitdem wurde die US-Präsenz in Kuba zu einer zivilisatorischen Mission im imperialistischen Sinne einer angelsächsischen Überlegenheit, welche dazu berechtigt, den Regierungen anderer Nationen Normen zu diktieren. Ziel war es dabei, Kuba mit neuen Werten, Leitlinien und Institutionen zu versehen, um es gesellschaftlich stabil zu machen.
Als Strategie wurde ein zivilisatorischer Prozess angelegt, der sich im Wesentlichen auf die Entwicklung von Bildungs- und Hygieneprogrammen konzentrierte. So wurden im Bildungsbereich vor allem Englisch und im großen Stil die Geschichte der USA unterrichtet. Eine größere Zahl an Lehrern nahm an einem Sommerkurs in Harvard teil, von dem sie als vermeintliche Träger einer höheren Stufe von Bildung und gesellschaftlichem Status zurückkehrten. Nichts erinnert mehr an die »Leadership«-Kurse, die die US-Interessenvertretung heutzutage für junge Kubaner anbietet.
Es begann eine Entwicklung hin zu einer beschleunigten (Nord-)Amerikanisierung des öffentlichen Lebens. Das Hotel Sevilla in Havanna beispielsweise nahm den Namen Sevilla Baltimore an. Man gründete den Jockey Club Havana. Die Ausbeutung der natürlichen Rohstoffe nahm zu, und das Wort »Company« fand sich allerorten. Die US-Einmischung führte zu einer erhöhten Zahl von US-Bauunternehmungen, was die Architektur der kubanischen Städte veränderte. In den neuen Bauwerken fanden sich Bars, Diners, Halls, Pantries und Garden Palms, gleichwie es Cocktail-Empfänge, Parties und andere Ableger der eingeführten Kultur gab. Hinter diesen architektonischen Fragen stand ein ideologisches Programm, gemäß dem der US-Way of Life unsere Traditionen prägen sollte.
Nach und nach setzte sich letzterer durch, mit seinen Genüssen, Annehmlichkeiten und Ansichten, seiner Lust, das Stadtbild und die City Centers der kubanischen Städte zu verändern, das Paradigma des neuen republikanischen Lebens.
Zweigleisige Strategie
Der revolutionäre Sieg von 1959 lief den US-Interessen in Kuba zuwider. Die US-Regierung verlegte sich auf die Stimulierung der Unzufriedenheit gegenüber der heranwachsenden kubanischen Regierung. Daraus ging die kriminelle Wirtschaftsblockade gegen Kuba hervor, die das Land mehr als 1 Billion Pesos gekostet hat.
Neben der gescheiterten Blockade haben die Regierungen im Weißen Haus weitere Gesetze zwecks Abschaffung der kubanischen Regierung beschlossen. Eins von ihnen ist das zweigleisige Torricelli-Gesetz. Das erste Gleis setzt auf das Abwürgen der Ökonomie, das zweite versucht, die Revolution im unmittelbaren Austausch zwischen den Völkern nieder zu reißen. Obama setzt auf diese zweite Option und hat sich deshalb dafür entschieden, die diplomatischen Beziehungen zu Kuba wieder aufzunehmen.
In jedem Falle steht fest, dass Obama, ungeachtet aller Intentionen, durch den Lauf der Geschichte zu diesem Wandel gezwungen worden ist. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts erwies sich die Isolationsstrategie gegen Kuba als gescheitert. Lateinamerika fand zusammen und verlangte Kubas Teilnahme an den Amerika-Gipfeln.
Das neue Gesetz zu den Ausländischen Investitionen in Kuba öffnet für US-amerikanische Firmen neue Möglichkeiten; Möglichkeiten, welche sich diese, da bin ich mir sicher, nicht entgehen lassen werden. Sogar die Baseballliga MLB wünscht, dass beide Länder miteinander auskommen, in der Hoffnung, dass kubanische Spieler in der höchsten US-amerikanischen Spielklasse mittun können.
Trotz der Verhandlungen wird Kuba seine aufrechte Haltung bewahren, wir gehen nicht einen Millimeter hinter dem zurück, was wir uns erobert haben. Erst recht braucht man nicht von Normalisierung zu sprechen, solange die Blockade besteht, der Cuban Adjustment Act, während die Militärbasis in Guantánamo besetzt bleibt und solange der US-Kongress Millionen für subversive Aktionen in Kuba ausgibt. Ganz unabhängig von der Frage, wer derzeit das Oval Office bewohnt, hat die Geschichte gezeigt, das es im ureigensten Interesse des US-Systems liegt, Kuba zu beherrschen. Nichtsdestotrotz bin ich optimistisch, denn ich glaube, beide Völker verdienen es, sich gegenseitig von gleich zu gleich zu behandeln. Aber wir Kubaner sollten wachsam sein. Das Imperium hat sein Wesen nicht gewechselt, und in letzter Instanz ist sein Ziel das gleiche geblieben.
(Übersetzung: Tobias Kriele)
CUBA LIBRE 2-2015