Ende der Blockade ist Voraussetzung für Normalisierung.
Am 10. und 11. April wird auf dem 7. Amerika-Gipfel in Panama die erste offizielle Begegnung der Präsidenten Raúl Castro und Barack Obama erwartet. Das Ereignis dokumentiert vor aller Welt, was US-Präsident Obama bereits eingestanden hat: das Scheitern der seit über 55 Jahren gegen Kuba gerichteten US-Politik. Es entlarvt zudem die »Kuba-Experten« westlicher Medien und die »Kubanologen « in Politik und Wirtschaft, die seit genau so langer Zeit von Jahr zu Jahr den »unmittelbar bevorstehenden« Untergang des Sozialismus auf der Karibikinsel voraussagen.
Was für die westlichen Leitmedien früher das Ungeheuer von Loch Ness, die UFOs oder die Landung von Außerirdischen war, sind heute Berichte über das Ableben Fidel Castros, Aktionen von Dissidenten und den baldigen Zusammenbruch des kubanischen Systems. Zum Thema der aktuellen Verhandlungen zwischen Kuba und den USA werden Leser und Zuschauer erneut mit Berichten überschüttet, die einem Fakten-Check nicht standhalten. Wenn bürgerliche Leitmedien sich jetzt besorgt über die Zukunft des Sozialismus auf Kuba geben, ist Vorsicht geboten. Tatsache ist, dass es am 17. Dezember 2014 nicht Raúl Castro war, der die bisherige Politik seiner Regierung gegenüber dem anderen Land für gescheitert erklärte, sondern Barack Obama.
Sieg der belächelten Realisten
Knapp zehn Jahre zuvor, im November 2005, hatte Fidel Castro in einer Rede vor Studenten der Universität von Havanna die These vertreten, dass die Revolution nicht von außen, sondern nur durch eigene Fehler zerstört werden könne. Darüber hatten sich einige Kommentatoren genauso lustig gemacht, wie über die Ankündigung Fidel Castros im Juni 2001, dass alle fünf Mitglieder der Aufklärergruppe »Cuban Five« nach Kuba zurückkehren werden. Heute stehen nicht Castro, die kubanische Politik und die Solidaritätsbewegungen in aller Welt als diejenigen da, die sich getäuscht haben, sondern ihre Gegner, deren Ziel die Zerstörung des alternativen kubanischen Gesellschaftsmodells war und weiterhin ist.
Obama selbst hat erklärt, dass die USA zwar die Methoden, nicht aber die Ziele ihrer Politik gegenüber Kuba verändert haben. Die Fortsetzung der subversiven Propaganda-Attacken über den US-Regierungssender »Radio- und TV-Martí«, die Treffen von Mitgliedern der US-Verhandlungsdelegation mit bezahlten Systemgegnern am Rande der Gespräche über eine Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen, die anhaltende Einmischung in Kubas innere Angelegenheiten und die weitere finanzielle Ausstattung von US-Diensten und Contras auf der Insel mit Millionenbeträgen zeigen, dass dies keine leeren Worte waren. Entspannungspolitik sieht anders aus.
Ausgrenzung Kubas gescheitert
Der Amerika-Gipfel in Panama, zu dem die Vertreter aller 35 Staaten des Kontinents – darunter auch Kubas Präsident Raúl Castro – eingeladen wurden, markiert eine Niederlage, die Washington vermutlich nicht einfach so hinnehmen wird. Bis zuletzt hatten die USA und Kanada versucht, die Teilnahme der sozialistischen Insel zu verhindern, waren aber am Widerstand der anderen 33 Länder des Kontinents gescheitert.
Das 7. Gipfeltreffen offenbart sowohl die gestärkte Position Kubas als auch den gesunkenen Einfluss der USA und den Verlust ihres einstigen Hinterhofs. Beim ersten Amerikagipfel, 1994 in Miami, war es Washington noch gelungen, Kuba – als einziges Land – auszuschließen. In einer gemeinsamen Erklärung verpflichteten sich die übrigen 34 Staaten damals, die »Demokratie zu fördern« und durch »wirtschaftliche Integration und Freihandel« Wohlstand zu erreichen. Die wichtigste Zielsetzung des Miami-Gipfels bestand darin, bis spätestens 2005 eine gesamtamerikanische Freihandelszone FTAA (Free Trade Area of the Americas) zu verwirklichen. Diese Planung wurde mit der durch Fidel Castro und Hugo Chávez entwickelten Konzeption von ALBA, als solidarischer Alternative zu den neoliberalen Vorhaben, durchkreuzt. Für Washington eine Wunde, die bis heute schmerzt.
Inszenierung in Panama
Wenn Kubas Teilnahme in Panama schon nicht zu verhindern war, dann soll das Land dort zumindest als Diktatur vorgeführt werden, in der die Menschenrechte mit Füßen getreten, jegliche freie Meinungsäußerung unterdrückt und Oppositionelle verfolgt werden. Das Drehbuch der Inszenierung sieht vor, der »kubanischen Zivilgesellschaft« auf der Konferenz »eine Stimme zu geben« und die »Situation der Menschenrechte« zum großen Thema zu machen. Allerdings nur für Kuba. Massenhafte Inhaftierungen ohne Gerichtsverfahren (wie im US-Gefängnis von Guantánamo), Folter von Gefangenen, rassistische Polizeiübergriffe und Morde an unbewaffneten, meist afroamerikanischen zivilen Opfern sind für die Menschenrechtsexperten aus den USA, der EU und von einigen NGOs nicht erwähnenswert.
Ähnlich verhält es sich mit der »Zivilgesellschaft« in Kuba. Wer dazu gehört und wer nicht, wollen die USA und ihre Gefolgsleute – wie zu Zeiten des Diktators Batista – allein bestimmen. Und wie vor dem Sieg der Revolution, sind dies vor allem Anhänger der »westlichen Werte« und des US-Systems. »Ich bin Antikommunistin, aber keine Antiimperialistin«, bekannte Berta Soler, die selbsternannte Chefin der »Damen in Weiß«, im Januar im US-Kongress. Millionen Arbeiter und Bauern, Gewerkschafter, Mitglieder der Frauen-, Jugend- und Studentenverbände, die organisierten Schriftsteller, Künstler, Filmemacher und Journalisten gehören für diejenigen, die in Panama den Ton angeben möchten, nicht zur kubanischen Zivilgesellschaft.
Raúl Castro erklärte dazu, er hoffe, dass es keine Beschränkungen für die von den Vereinten Nationen anerkannten nichtstaatlichen Organisationen seines Landes geben werde. Außerdem erwarte er, »auch diejenigen sehen zu können, die für nukleare Abrüstung, für Umweltschutz und gegen Neoliberalismus eintreten, die Occupy-Wall-Street-Aktivisten und die Indignados, diejenigen die sich für die Rechte von Migranten einsetzen, Folter, außergerichtliche Tötungen, Polizeigewalt und rassistische Praktiken anklagen, für die Frauen gleiche Löhne für gleiche Arbeit verlangen oder einen Ausgleich für Umweltschäden von den transnationalen Unternehmen fordern«.
Langer Weg zur Normalisierung
Trotz der geplanten Provokationen ist die Teilnahme am Amerikagipfel für Kuba nicht nur ein politischer Erfolg, sondern auch ein weiterer Schritt zur angestrebten Normalisierung des Verhältnisses zu den USA. Die Eröffnung von Botschaften in Washington und Havanna ist dafür allenfalls ein Anfang. Auf einem Gipfeltreffen der Lateinamerikanischen und Karibischen Staatengemeinschaft CELAC hatte Raúl Castro Ende Januar in Costa Rica erklärt, dass von einer Normalisierung erst dann die Rede sein könne, wenn der US-Kongress die seit über 50 Jahren gegen Kuba aufrechterhaltene Handels-, Wirtschafts- und Finanzblockade komplett beendet. Außerdem müsse Kuba von der US-Liste der Terrorsponsoren gestrichen, das von den USA besetzte Gebiet in der Bucht von Guantánamo zurückgegeben, die illegalen subversiven Propagandaangriffe durch Radio- und TV-Martí eingestellt und eine Regelung zur Kompensation der durch Washingtons bisherige Politik gegenüber Kuba verursachten Schäden gefunden werden.
Volker Hermsdorf
CUBA LIBRE 2-2015