2013 erschien im Verlag »Peter Lang« das bemerkenswerte, gerade einmal 123 Seiten starke Büchlein »Kubas unentdeckte Wende« von Harald Neuber, seines Zeichens Alt- und Lateinamerikanist. Wer sich durch den zum Teil sehr wissenschaftlichen Duktus nicht abschrecken lässt, wird durch zahlreiche Informationen belohnt.
»Kuba ist in Bewegung. Seit den Umbrüchen 1989/1990 hat sich in dem sozialistischen Karibikstaat eine rege Debattenkultur entwickelt. Der Autor weist an zahlreichen Beispielen nach, dass Künstler und Intellektuelle bei diesen Kontroversen um die Gewichtung sozialer und politischer Rechte in vorderster Reihe stehen. Dennoch werden sie im Diskurs über Kuba weitgehend ignoriert. Ohne den Blick auf die Kultur aber kann man die Veränderungen der Kubanischen Revolution und die Stabilität des sozialistischen Systems nicht verstehen.« – So lautet das Versprechen des Klappentextes.
Die Analyse wird mit der ökonomischen Entwicklung eingeleitet, es folgt die Kulturpolitik, deren Akteure und Diskurse. Kulturelle Phänomene werden konkret am Beispiel untersucht. So machen Werk und Wirken des bekannten Gegenwartsschriftstellers Leonardo Padura allein 20 Seiten aus. Weitere Punkte sind u.a. das Verhältnis zur Diaspora (im Ausland lebende Kubaner), Rassismus, Religion und auch Hip-Hop.
Neuber liefert dabei eine nüchterne Darstellung sensibler Debatten, die auch hierzulande für Kubainteressierte neu sein dürften. Das Sachbuch zu Kuba ist doch zu oft ein Abgesang auf die »kubanische Diktatur«. Kritische Auseinandersetzungen mit den aktuellen gesellschaftlichen Debatten sind rar gesät. Hier scheut sich Neuber nicht davor, historische Fehlentscheidungen kubanischer Regierungen beim Namen zu nennen. Etwa bei der Kulturpolitik Anfang der 70er, das sogenannte »Graue Jahrfünft« in dem die Diskursfreiheit der kubanischen Intellektuellen beschnitten und homophobe Stimmungen erzeugt wurden. Die fehlende Aufarbeitung dieser Phase wird aktuell von Kulturschaffenden eingefordert. Solche Themen tauchen immer wieder auf, der Schwerpunkt liegt aber bei den gegenwärtigen Entwicklungen des Kulturbetriebs.
Diskurse werden zunehmend digital geführt, so dass die Partizipationsmöglichkeiten steigen und die Deutungshoheit der Kulturfunktionäre zunehmend schwinde. Dabei befördere der wirtschaftspolitische Fokus, der seit den 90ern auf dem Tourismus liegt, die Internationalisierung der Debatten an denen immer mehr auch ausgewanderte Kubaner teilnehmen. Durch die liberalisierten Ausreisebestimmungen habe sich auch das Verhältnis zu dieser Gruppe deutlich entspannt.
Ein kleiner Wermutstropfen, der den Wert dieser Untersuchung etwas schmälert, besteht in den zahlreichen Zitaten, die allesamt nicht übersetzt wurden. Diese in der Fußnote übersetzt anzugeben, würde es dem Leser ohne Spanischkenntnisse wesentlich vereinfachen.
Das Buch ist im Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2013 erschienen. 123 S., ISBN 978-3-631-62761-7, 19,95 €
Michael Kaeser
CUBA LIBRE 1-2015