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Versucht der Schreibtischmörder auf seine alten Tage doch noch, die Verleihung des Friedensnobelpreises zu rechtfertigen? Bislang hatte sich US-Präsident Barack Obama vor allem dadurch ausgezeichnet, dass er Tag für Tag im Weißen Haus die Todeslisten seiner Geheimdienste und Militärs abzeichnete. Die führten dann die Morde mit unbemannten Flugkörpern in Pakistan, im Jemen und anderswo aus.
Nun überrascht Obama mit einem neuen Kurs. Vor wenigen Wochen setzte er gegen den Willen der Republikaner-Mehrheit im Kongress eine Liberalisierung des Einwanderungsrechts durch, jetzt der Schwenk in den Beziehungen zu Kuba. Die Rechten toben, doch Obama nutzt seine Befugnisse als Staatsoberhaupt, um am Parlament vorbei zu regieren.
Der US-Präsident hat nichts mehr zu verlieren. In beiden Kammern des Kongresses haben seine Demokraten die Mehrheit verloren, und wiedergewählt werden kann er auch nicht mehr. Obama hat im Blick, dass er auch nach dem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt Jahrzehnte eines politischen Lebens vor sich haben wird – und die werden davon geprägt sein, wie er in Erinnerung bleibt. Geht er in die Geschichte ein als der Hoffnungsträger, der kein Versprechen einlösen konnte? Oder wird er künftig als derjenige gelten, der die Beziehungen zu Kuba normalisierte und das Leben von Millionen »illegalen« Einwanderern erträglicher machte? Ein Beispiel dafür ist William Clinton, der heute als »liberal« gilt, obwohl er mitverantwortlich für den NATO-Krieg gegen Jugoslawien und Bombenangriffe auf den Irak war. Oder James Carter, der die islamischen Fundamentalisten in Afghanistan unterstützte, heute aber als Spezialist für »Menschenrechte« gilt.
Tatsächlich packt Obama nun vor allem Themen an, die so oder so gelöst werden müssen. Die Lage von Millionen hauptsächlich lateinamerikanischen Immigranten, über denen immer das Damoklesschwert der Abschiebung schwebte, war unerträglich. Zugleich war undenkbar, tatsächlich alle Einwanderer auszuweisen, wie es die extreme Rechte fordert, denn dann würde die US-Wirtschaft endgültig in die Knie gehen. Mit Blick auf Kuba haben nur die fanatischen Antikommunisten in Miami noch nicht realisiert, dass die Blockade das Leben der Kubaner erschwert und gefährdet, letztlich aber keine Destabilisierung des dortigen Gesellschaftssystems erreicht. Wenn Obama jetzt auf die Strategie des »Wandels durch Annäherung«, der »Konterrevolution auf Filzlatschen«, setzt, beweist er nur, dass er eine realistischere Einschätzung der Lage hat als etwa Jeb Bush, der einstige Gouverneur von Florida und mögliche Präsidentschaftskandidat der Republikaner, der Obama vorwirft, einen »brutalen Diktator belohnt« zu haben. Doch Obamas realistischere Einschätzung kommt nicht von irgendwoher. Sie ist Ausdruck eines veränderten Kräfteverhältnisses vor allem in Lateinamerika – und sie ist ein Ergebnis der jahrelangen internationalen Solidarität mit Kuba und den »Cuban Five«. Endlich mal eine gute Nachricht – und der Beweis: Kämpfen lohnt sich doch!
André Scheer
Junge Welt, 19.12.2014
CUBA LIBRE 1-2015