»Join us this July – see Cuba for yourself and challenge the US-blockade«
So steht es im Aufruf-Flugblatt für die Karawane 2014. Es ist die 25. Solidaritätsreise als Ausdruck zivilen Ungehorsams gegen die Blockadegesetze der USA. Auf zehn verschiedenen Routen, von denen zwei sogar in Kanada beginnen, fahren die TeilnehmerInnen von Norden nach Süden, sammeln Hilfsgüter und machen in über 100 Städten auf der Durchreise Informations-Veranstaltungen.
Information und materielle Solidarität als Ziel
Das Projekt verfolgt zwei Ziele: Sachspenden sammeln für die Opfer des »low intensity«-Krieges in Lateinamerika und – mindestens genauso wichtig – die Menschen in den USA informieren und Kampagnen für eine gerechtere Außenpolitik initiieren. In Kuba sollen dann bei der 8 bis 10-tägigen Reise der Gruppe die Information über die Errungenschaften der Jugend im Mittelpunkt stehen und über die Herausforderungen, denen sie heute im revolutionären Kuba begegnen.
Durch die USA nach Mexiko
Die Fahrt durch die USA und weiter nach Mexiko – nur von dort gibt es Frachtschiffe und Flüge nach Kuba – findet in bunt bemalten Fahrzeugen statt. Oft sind es gebrauchte Schulbusse, die viele Menschen und Material transportieren können.
US-Blockade gegen Kuba |
Informationsveranstaltungen in den USA
Die Veranstaltungen in den USA haben meist einen Wohlfühlfaktor: Sie beginnen relativ früh mit Essen – manchmal von einer Gruppe vorbereitet, oft als potluck, zu dem alle etwas mitbringen. Musikalische Untermalung, kurze Filme und Vorträge, die das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Die Events werden lokal organisiert von kirchlichen Gruppen, Solidaritäts- Komitees oder »Peace-and-justice-Gruppen«, die dann auch privat für Schlafplätze sorgen. In Eldora, Iowa, fand das Treffen z. B. im Centro Latino mit veganem Essen gegen Übergewicht und Diabetes statt. In Dallas hatten wir bei der Pan African Connection eine Skype-Verbindung mit einem Arzt aus Arizona, der in Kuba ausgebildet worden war und uns erzählte, wie das Studium ihm einen ganzheitlichen Blick auf den Menschen vermittelt und das Verständnis seiner Aufgaben verändert hat.
Die gesammelten Spenden sind in erster Linie medizinische Geräte, Rollstühle und andere Gehhilfen, Medikamente, Schulmaterial, Computer, Fahrräder, Werkzeug, Sportgeräte, auch einige Fahrzeuge. Etwas Besonderes waren diesmal 15 PETS, handbetriebene Fortbewegungsmittel aus Holz für Menschen, die ihre Beine nicht bewegen können.
Alle Routen treffen in Texas zusammen und verbringen dort drei Tage zur Orientierung: D. h., alle Spenden werden gut verpackt, Medikamente auf Verfallsdatum kontrolliert und zweisprachige Listen erstellt für den jeweiligen Zoll. Die Geschichte der »Pastors for Peace«, die aus der Bürgerrechtsbewegung stammen, wird bekanntgemacht. Arbeit mit lokalen Medien und viele Infos über Kuba finden statt.
Pastors for Peace helfen Flüchtlingsorganisaton in den USA
Neu war dieses Jahr der Kontakt zu einer Solidaritätsorganisation, die sich um Flüchtlinge kümmert, die sich offiziell melden und von Verwandten ein Busticket erhalten und bis dahin mit Kleidung, Essen und Schlafplatz im Zelt versorgt werden. Als Problem werden von Hilfsorganisationen die 47 000 minderjährigen Flüchtlinge gesehen, die seit Anfang 2014 in die USA gekommen sind. Die meisten stammen aus Honduras, wo seit dem Putsch vor fünf Jahren ein Regime mit korrupter Polizei, Todesschwadronen, Privatisierung, Ausbau des Militärs, Einsparungen im Gesundheits- und Bildungssektor und bei Sozialleistungen herrscht. Es gibt keine funktionierende Strafjustiz, und seit 2010 wurden mehr als 550 Kinder ermordet (Zahlen von Casa Alianza, Organisation für Straßenkinder in Honduras). Aber das Regime wird von den USA beim Ausbau von Polizei und Militär heftig unterstützt, angeblich im Kampf gegen Drogenhandel.
Gail Walker beim Beladen |
Das »South Texas Human Rights Center« hat als Ziel, Sterben und Leiden für MigrantInnen, die die Grenze zwischen Mexiko und den USA überwinden konnten, zu beenden. Die in Texas lebenden Menschen sollen für das Problem sensibilisiert werden, sich organisieren und Wasserstationen aufstellen, und zwar auf den von den Flüchtlingen frequentierten Pfaden. Buddy aus Chicago, mit dem ich eine Woche durch das Land fahre, hat mehrere Sommer in der Grenzregion mit dem Aufstellen und Auffüllen von solchen Wasserstationen verbracht. Buddy ist der Hauptsprecher auf unserer Reise, ich ergänze mit Information über den gemeinsamen Standpunkt der EU und gebe einige Beispiele für Sanktionen: Die französische Bank PNB zahlte 9000 Mio. US-Dollar Strafe für Geschäfte mit dem kubanischen Staat; die britische Schokoladenfirma Cadbury verwendet keinen kubanischen Zucker mehr, weil sie sonst nicht mehr in die USA hätte exportieren können; das Buch von Salim Lamrani »The economic war against Cuba« – obwohl in den USA erschienen – wurde nicht nach England verschickt, weil die Bank die Überweisung verweigerte. Grotesk wird es, wenn die kubanische Interessenvertretung in Washington nicht mehr arbeiten kann, weil keine US-Bank die Zahlungen für Miete, Strom etc. weiterleitet. Auch IFCO, die Organisation, zu der die PfP gehören, wird behindert, indem die Behörden ihr die Gemeinnützigkeit aberkennen wollen.
Die Cuban Five und Gesundheitswesen als Topthemen
Die wichtigen Themen sind die Cuban 5, die terroristischen Aktionen der USA gegen Kuba und das kubanische Gesundheitswesen. Besonders interessiert das Modell der medizinischen Hochschulen, an denen Studierende aus medizinisch unterversorgten Gebieten - sogar auch aus den USA - ohne Kosten ausgebildet werden. Wir beteiligen uns an einer Demo für Palästina: Menschen stehen mit Transparenten entlang einer Hauptstraße im Ort und rufen Parolen, wenn die Autos an der roten Ampel anhalten.
Grenzübertritt
Kollektiver ziviler Ungehorsam beim Grenzübertritt von den USA nach Mexiko als Protest gegen die wirtschaftliche und kulturelle Blockade und das Reiseverbot (travel-ban) nach Kuba für US-BürgerInnen: Offenes Bekanntmachen unseres Reiseziels Kuba durch Plakate und Pressekonferenzen. Ganz bewusst wird keine Ausnahmegenehmigung beantragt, die Reisen nach Kuba für bestimmte kulturelle, religiöse und wissenschaftliche Besuche erlaubt.
An der Grenze warten 25 - 30 »special agents« auf uns, die Fahrzeuge werden von außen durchleuchtet und von innen durchsucht. Sechs von unseren PCs wurden festgehalten: sie wären zu neu und bräuchten eine Sondergenehmigung (die wir aus Prinzip ja nie beantragen). 1993 und 1994 wurden ein kleiner Schulbus und 400 PCs für das kubanische Gesundheitssystem nicht freigegeben. Durch zwei lange Hungerstreiks mit vielen UnterstützerInnen erreichten wir, dass sie doch noch nach Kuba gelangen konnten.
Durch Mexiko endlich nach Kuba
Auf den 500 km bis Tampico in Mexiko wurden wir militärisch mit Maschinengewehren auf Jeeps gegen mögliche Überfälle begleitet.
Unser Halb-LKW, Buddy und ich |
Busse nach Kuba |
Fahrzeuge |
Die 8 bis 10 Tage in Kuba sind eine intensive Studienreise. Wir schlafen meist in Gästeunterkünften von Kirchen und werden da auch verpflegt. So lernen wir auch das Leben der Gemeinde ein wenig kennen und korrigieren die Vorstellung, dass es keine Religionsfreiheit gäbe. Gleich am ersten Abend in Havanna, nach der Pressekonferenz am Flughafen, findet eine große Willkommensveranstaltung statt mit Musik, Tanz, Gesang (die beste Interpretation von »We shall overcome«), Gedichten und kurzen Ansprachen. Ehrengast ist Fernando Gonzalez, einer der Cuban 5, der nach 15 Jahren US-Knast nach Kuba zurückgekehrt ist. Wir legen einen Kranz für Lucius Walker, den Gründer der pfp, an der tribuna antiimperialista nieder, wo sein Name neben vielen FreiheitskämpferInnen auf einem Stein steht. Wir nehmen an der offiziellen Feier zum 26. Juli in der Provinz Artemisa teil. Es gibt mehrere Workshops: Zum kubanischen Ökonomie-Modell mit den drei Säulen Biotechnologie, Nahrungsmittel und Handwerk/Dienstleistungen, zum Thema Rassismus, zu den Beziehungen USA-Kuba, wobei als wichtiges Instrumentarium subversiver Aktionen der USA solche beim verletzlichen Teil der Gesellschaft, der Jugend, genannt werden: Durch das Verteilen von Handys und Versenden von SMS mit politischem Inhalt soll Unzufriedenheit gesät werden. Auf der anderen Seite werden in den USA Rundreisen mit jungen Kubanern organisiert, die mit ihrem Leben dort sehr unzufrieden sind, z. B. ein Meeresbiologe, der lieber Schriftsteller geworden wäre und dafür aber keine Unterstützung erhielt. Es wird auch festgestellt, dass Obamas Reden weniger aggressiv klingen als die seines Vorgängers, dass aber die Taten eher aggressiver sind. Wir besuchen die Pharmafirma Labiofam, die 380 Produkte herstellt von Impfstoffen, über Anti-Tumor-Medikamente bis zu Hygieneartikeln und 20 Forschungsprojekte unterhält. Wir sind zu einer festlichen Aktivität zu Ehren des 60. Geburtstags von Hugo Chavez mit Ignacio Ramonet eingeladen. Zudem besuchen wir das spirituelle Stadtteilprojekt Quisicuaba, das viele Kurse für Kinder und Jugendliche anbietet. Wir verbringen einen Tag im Camp der Arbeitsbrigaden mit Unkraut-Entfernen zwischen den Zuckerrohrstauden und mit einem Treffen mit der Venceremos-Brigade aus den USA, die die erste Solidaritätsbrigade in der Landwirtschaft überhaupt war und ihr 45-jähriges Bestehen feiert. Wir besichtigen ELAM, die medizinische Hochschule, und ein organoponico im Stadtteil Alamar. Hier wird auf einem großen Gelände mit 125 Beschäftigten Biolandbau betrieben. Auch verarbeitete Produkte wie Knoblauchpaste werden angeboten. Da nur noch 20 % der Bevölkerung auf dem Land leben, muss die Versorgung zentraler geregelt werden, seit Jahren über solche Einheiten in den Städten. Wir hören einen Vortrag vom ICAP und von CENESEX (Institut für sexuelle Diversität).
An meinem letzten Tag werde ich vom Proyecto Comunitario Conservacion de Alimentos in den Lenin-Park eingeladen, wo neben dem vegetarischen Restaurant ein Plastiktunnel (Aufliegefläche mit Überdachung) gebaut wurde, in dem Lebensmittel getrocknet und dadurch haltbar gemacht werden. In Abwandlung des bekannten »Un mundo mejor es posible« sagen wir: »A better world is necessary – let's make it possible!«
Sabine Caspar
CUBA LIBRE 4-2014