Wann ist ein Verbrechen ein Verbrechen?

Ein Flugzeug zum Absturz zu bringen und damit das Leben vieler Menschen auszulöschen ist immer und in jedem Fall unzweifelhaft ein schlimmes Verbrechen - so sollte man meinen.

Betrachtet man sich einige Beispiele näher, so scheinen zumindest die USA und die bürgerlichen Medien das nicht so zu sehen.

Die Büchse der Pandora wird geöffnet

Am 6. Oktober 1976 kam es zu dem ersten Terroranschlag auf ein Passagierflugzeug. Zwei Zeitbomben zerrissen ein kubanisches Flugzeug in der Luft, es stürzte bei Barbados ins Meer und alle 73 Insassen wurden getötet. Unter den Todesopfern befand sich die kubanische Jugendnationalfechtmannschaft, die erst wenige Stunden zuvor die zentralamerikanische Meisterschaft in Caracas gewonnen hatte. Geplant wurde der Anschlag von Posada Carriles und Orlando Bosch, die für den US-Geheimdienst CIA arbeiteten und für die Destabilisierung Kubas sorgen sollten. Zwar wurden Bosch und Posada in Venezuela verurteilt, doch 1985 gelang Posada mit Hilfe des CIA (25 000 US$ Bestechung an den Wärter) die Flucht und Bosch wurde 1988 durch massiven Druck der USA freigelassen. In der Folgezeit legte Posada Bomben in Kuba und in kubanischen Reisebüros und 2000 plante er, Fidel Castro zu ermorden. 2002 in Panama zu 7 Jahren Gefängnis verurteilt, kam er auf Druck der US-Regierung 2004 frei. Statt diese beiden Terroristen zu bestrafen, wurden sie von Strafe befreit. Mehr noch: Posada Carriles bekam über die Cuban American National Foundation 200 000 US $ von der US-Regierung. Er wurde in den USA nie wegen seiner Morde vor Gericht gestellt, nur wegen Passvergehens angeklagt, später sogar freigesprochen.

Seit seiner Freilassung 2007 lebt Posada in Miami, wo er gelegentlich an öffentlichen Veranstaltungen teilnimmt und in den Medien auftritt. Er genießt dabei die Unterstützung prominenter konservativer Vertreter der exilkubanischen Gemeinde.

Der andere, Orlando Bosch, erhielt am 20. Juli 1990 eine offizielle Aufhebung seiner Ausreiseverfügung durch den US-Präsidenten. Seitdem lebte Bosch bis zu seinem krankheitsbedingten Tod unbehelligt in Miami. Während seiner venezolanischen Untersuchungshaft ehrte ihn der Stadtrat von Miami im Jahr 1983 mit einem offiziellen »Orlando Bosch Day«.

Der nächste Schritt

Aber man ging noch weiter:

Bei einem weiteren Flugzeugabsturz hielten die USA nicht nur ihre schützende Hand über die Täter, sondern lehnten zugleich jede Verantwortung für ihr eigenes Handeln ab.

Am 3. Juli 1988 wurde der Linienflug IR-655 der Iran Air über der Straße von Hormus vom Himmel geschossen und völlig zerfetzt. Der Airbus A300 war in Teheran mit dem Ziel Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten gestartet. 275 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder wurden bei diesem barbarischen Akt über dem Persischen Golf getötet. Zwei Flugabwehrraketen vom Typ SAM-2, die von einem US-Kriegsschiff, dem Kreuzer USS Vincennes, abgefeuert worden waren, hatten die Maschine getroffen. Doch weder wurde damals von jemandem der Vorwurf erhoben, dies sei ein »Kriegsverbrechen « noch wurde US-Präsident Ronald Reagan dafür verantwortlich gemacht. Im Gegenteil: US-Vizepräsident George Herbert W. Bush lehnte es vor der UN ab, sich im Namen der USA für den Abschuss zu entschuldigen und verteidigte ihn als »Zwischenfall in Kriegszeiten«. Die Besatzung der USS Vincennes habe »angemessen gehandelt«, sagte Bush.

Die Offiziere auf der USS Vincennes wollen den Airbus »irrtümlich als einen feindlichen iranischen Kampfjet F-14 Tomcat identifiziert haben«, so damals die offizielle Erklärung des Pentagon. 290 Männer, Frauen und Kinder »aus Versehen« in Stücke gerissen?

Malaysia-Airlines-Flug MH 17

Am 17. Juli 2014 stürzte eine Boeing 777-200ER der Malaysia Airlines über der Ostukraine ab. Alle 298 Insassen, darunter 80 Kinder und 15 Besatzungsmitglieder, kamen ums Leben. Die Trümmer gingen nahe der Stadt Tores nieder, verstreut über eine Fläche von 35 Quadratkilometern.

Obwohl kein belastbares Beweismaterial für eine Täterschaft Russlands oder der Ostukrainischen »Separatisten« vorlag, schien für den Westen die Schuldfrage von Anfang an ohnehin geklärt zu sein. In Verlautbarungen aus dem Weißen Haus und aus dem NATO-Hauptquartier in Brüssel wurde postwendend Russland verantwortlich gemacht. In der entsprechenden Erklärung aus Washington hieß es unter anderem: »Obwohl wir noch nicht über alle Fakten verfügen, wissen wir doch, dass dieser Zwischenfall im Kontext einer Krise in der Ukraine geschah, die durch die russische Unterstützung für die Separatisten befeuert wird, was Waffen, Material und Ausbildung einschließt.«

Bis heute hat der für die internationale Untersuchung der Flugzeugkatastrophe zuständige Dutch Safety Board nur Teile der Untersuchungsergebnisse öffentlich gemacht, obwohl der Bericht angeblich abgeschlossen ist.

Die mediale Berichterstattung sekundierte trotzdem auch weiterhin erwartungsgemäß bei den Schuldzuweisungen an Russland. Ein weiteres Beispiel, wie leicht es den bürgerlichen Medien fällt, in einen Jargon der Kriegspropaganda zu verfallen.

Das ist die richtige Gemengelage, um dem Krieg das Wort zu reden.

CUBA LIBRE
Marion Leonhardt

CUBA LIBRE 4-2014