Um es gleich vorweg zu sagen: Die Familie Bacardi, mit deren Geschäften wir uns hier befassen, ist nicht schlechter, ihre Mitglieder sind nicht bösartiger, als andere Kapitalisten.
Wie die Krupps beim Stahl, die Fords bei den Automobilen: Die Besitzer des größten Rum produzierenden Konzerns der Welt stehen auf einer Seite der Klassenbarrikade, die heute wieder fast durch alle Länder der Erde verläuft.
Den historischen Auftrag, der ihnen damit erteilt ist, erfüllen sie vielleicht etwas konsequenter – und deshalb erfolgreicher – als andere. Sie gehören zu den harten, den Gewinnern im mörderischen Konkurrenzkampf. Prognostizierte 200 Millionen (!!) Liter verkauften Rums im Jahre 2014 sind der beste Beleg dafür. Einen Unterschied zu den Krupps oder den Fords gibt es aber – und der ist von großer Wichtigkeit: Das Imperium der »Fledermäuse«, wie die Bacardis wegen ihres Firmenemblems genannt werden, nahm seinen Anfang in einem Land, das durch seine bare Existenz nach wie vor verhindert, den Sieg des Kapitalismus über den Sozialismus als »weltweit« definieren zu können; in einem Land, das den Bacardis und Ihresgleichen das wegnahm, was ihnen nie gehörte: Die Produktionsmittel, die Quelle ihres Reichtums. Damit wurde das sozialistische Kuba zur Zielscheibe ihres Hasses. Mit Hilfe »legaler«, aber auch terroristischer Mittel versuchten die Fledermäuse, ihr Ausbeuterreich, das sich heute auf 27 Länder erstreckt, wieder auf Kuba auszudehnen, den besten Rohrzucker der Erde wieder für ihre Profite zu destillieren. Und sie versuchen es weiterhin!
Der Aufstieg der Bacardis
1862 gründete Don Facundo Bacardi Masso in Santiago de Cuba die Firma zusammen mit einem französischen Finanzier. Der aus Spanien eingewanderte und heute in der firmeneigenen Geschichtsschreibung als »risikobereiter Abenteurer« glorifizierte Jung-Unternehmer hatte zwei Dinge erkannt: Den hohen Wert des kubanischen Rohrzuckers und die günstigen Verarbeitungsbedingungen, sprich die gnadenlose Ausbeutung der für Pfennigbeträge schuftenden Landarbeiter. Nach einer Pleite in den Gründerjahren übernahm Bacardi die Alleinherrschaft, perfektionierte die Destillationstechnik und produzierte jährlich steigende Mengen von Rum.
Zwei Prinzipien, an denen die Fledermäuse bis heute festhalten, sind mitverantwortlich für den Erfolg: Erstens wird das gesamte Vermögen – und damit auch alle Entscheidungen – in der Familie gehalten. Die Außenwelt erfährt selten, was im Imperium vorgeht. Heute ist Bacardi eines der wenigen Unternehmen auf der Welt, die seit ihrer Gründung im Besitz einer Familie sind. Zweitens und wohl durch den »Clan«-Zusammenhalt begünstigt, agiert Bacardi im kapitalistischen Konkurrenzkampf mit äußerster Aggressivität. Der Satz des englischen Gewerkschaftsführers Thomas Joseph Dunning (von K. Marx im »Kapital« zitiert) trifft bis heute zu: »Mit entsprechendem Profit wird das Kapital kühn … für 100 % stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 % und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens.« Die »Kühnheit « der Bacardis bekamen unzählige kleine Brennereien, die vernichtet wurden, ebenso zu spüren, wie Große der Branche. 1993 saugte Bacardi »Martini & Rossi« auf, wurde damit zum fünftgrößten Spirituosen-Hersteller der Welt. Noch existierende Konkurrenten, wie »Pernod-Ricard« (die den kubanischen »Havanna Club« vermarkten) werden bedroht, mit Strafverfahren überzogen, man patentiert »Gegenmarken«. Im Zentrum der Aggression steht nach wie vor Kuba, der Antrieb scheint hier sowohl Rache als auch hartes kapitalistisches Kalkül zu sein.
Fast am Ende
1960 war das Imperium fast am Ende. Die revolutionäre Regierung Kubas tat, was sie tun musste und wofür es bis heute keinen weichgespülten Ersatz gibt: Sie überführte die privaten Produktionsmittel in die Hände des Volkes, auch Bacardi. »Von innen« ließ sich das nicht umkehren, 1965 verlegten sie den Firmensitz nach Bermuda und begannen, ohne den guten kubanischen Zucker zu destillieren. Seither gab es viele Terrorakte, Attacken und Verleumdungen gegen Kuba, an denen Bacardi, nach bewährter Familientradition, hinter den Kulissen beteiligt gewesen sein soll: Von den Plänen des Bacardi-Managers José Pepin Bosch, die kubanischen Öl-Raffinerien zu bombardieren, der nur durch ein »Leck« an die New York Times vereitelt wurde, über ausgeklügelte Versuche, die CIA und die hinzugekaufte Mafia bei ihrer Operation zur Ermordung von Fidel und Raul Castro und Ernesto Che Guevara finanziell zu unterstützen (Pepin soll 100 000 Dollar angeboten haben), bis hin zu Druck auf und Schmiergelder an ranghohe Politiker in den USA. Nicht nur die Bushs haben aus ihrer Freundschaft zu den Rum-Magnaten nie einen Hehl gemacht. Wo gegen das sozialistische Kuba agiert wird, beteiligen sich die Bacardis gern. Es wird wohl nie geklärt werden, an wie vielen der unzähligen Versuche, Fidel Castro zu beseitigen, sie beteiligt waren, wie viele Millionen Dollar sie genau in die Konterrevolution investierten. Die wichtigste – und angesichts der Größe und Macht des Konzerns auch die schwierigste – Frage müssen wir beantworten: Wie kann den Fledermäusen ein Riegel vorgeschoben werden?
Die beste Kampagne
Seit etwa 15 Jahren gibt es auf den britischen Inseln, aber auch in Irland und einigen anderen europäischen Ländern, eine Kampagne zum Bacardi-Boykott. Sie zeitigt sehr bescheidene Erfolge. Sie ist von Leuten initiiert, die sich gegen die »softe« Art Bacardis, Jugendliche an Alkoholkonsum heranzuführen, wenden. Die »Breezers«, aufgezuckerte und mit Aromastoffen versehene Getränke mit mehr Alkohol als Bier, bei denen Bacardi eine Vorreiter-Rolle spielt, sind heute der Renner beim Alkohoholkonsum unter Jugendlichen.
Ist solch eine Kampagne sinnvoll?
»Es ist sehr wichtig, Kampagnen zu haben, die junge Leute erreichen … wenn eine solche Kampagne in der Lage ist, die Leute zu überzeugen, dass sie [Bacardi, a.d.A.] eine dunkle, geheime Geschichte haben, dann ist sie wichtig.« (Hernando Calvo Ospina, Autor des Buches »Bacardis Geheimer Krieg«).
Und die wichtigste Kampagne für alle Revolutionäre und humanistisch gesinnten Menschen in den rund 170 Ländern, in denen Bacardi seine Produkte verkauft und in allen anderen, ist die, zu verhindern, dass sie je nach Kuba zurückkehren können.
»100 % sicher, dass Bacardi irgendwann auf die Insel zurückkehrt « ist Firmenchef Facundo L. Bacardi. Besorgniserregend, dass der sonst so öffentlichkeitsscheue Urenkel des Gründers gerade jetzt (vor gut 7 Monaten) diese Prognose im Interview mit dem »Focus« stellt. Es gibt nur einen Weg, den Wunsch der Fledermäuse zu vereiteln: Kuba muss sozialistisch bleiben!
Literaturtipp:
Hernando Calvo Ispina:
»Im Zeichen der Fledermaus«
Papyrossa, 154 S., 12,– €
ISBN 978-3-89438-243-8
Hermann Glaser-Baur
CUBA LIBRE 3-2014