Mit Twitter & Co. für die Konterrevolution

Wie US-Dienste und kubanische Systemgegner soziale Medien zur Destabilisierung nutzen.

Medien in aller Welt berichteten Anfang April über den Versuch des US-Dienstes USAID, mit Hilfe einer Twitter-Kopie namens »ZunZuneo« in Kuba Unruhen zu erzeugen und einen Systemwechsel herbeizuführen. Das nicht mehr zu verheimlichende Projekt war allerdings nur die Spitze eines Eisberges. Über längst aktive Nachfolgeprogramme und die Rolle der in Kuba agierenden Systemgegner in der Destabilisierungskampagne informierten die großen Medien nicht.

Von 2009 bis 2012 hatte der im April 2014 aufgeflogene Dienst »ZunZuneo« jugendliche Kubaner mit dem Angebot geködert, ihnen einen kostenlosen Austausch von Mitteilungen per Handy zu ermöglichen. Zur Verschleierung der US-Urheberschaft war »ZunZuneo« über Tarnfirmen in Spanien und Banken auf den Cayman-Inseln aufgebaut und von Costa Rica aus über die im Jahr 2009 eigens dafür gegründete Firma »Crea Costa Rica S.A.« in Kuba installiert worden.

Opfer wurden getäuscht

Die Nutzer wussten nicht, dass hinter der scheinbar harmlosen Offerte ein US-Geheimdienst steckte, der mit einem – offiziell als »Hilfe für Pakistan« ausgewiesenen – 1,6-Millionen-Dollar-Budget Telefonnummern, E-Mail-Adressen und persönliche Daten von jungen Leuten sammelte. Ziel war dabei, die Jugendlichen mit gefälschten Meldungen gegen ihr Land aufzuwiegeln und später Massenproteste nach dem Modell »Arabischer Frühling« zu inszenieren.

Die mit falschen Versprechungen geköderten Opfer des ZunZuneo-Projekts ahnten bis zu dessen Enthüllung nichts von dem organisierten Diebstahl und dem Missbrauch ihrer persönlichen Daten im Auftrag der USAID, die der CIA mittlerweile bei der weltweiten Subversion kaum nachsteht. Eines von ihnen, Yurisander Guevara, beschrieb in der Tageszeitung »Juventud Rebelde«, wie sie sich von dem verlockenden und scheinbar harmlosen Angebot hatte täuschen lassen. »Ich hatte mich allerdings gefragt, warum ZunZuneo bei uns Jugendlichen so massiv und kostenlos angeboten wurde. Heute habe ich darauf eine Antwort. Der neue Krieg gegen Kuba hat als Hauptziel die Jugendlichen.«

Geheimdienstliche Operation

Agenturberichten zufolge soll das Startkapital der USAID ein Bestand von einer halben Million kubanischer Handynummern des staatlichen Telekommunikationsunternehmens ETECSA gewesen sein. Dort wurden kurz nach Bekanntwerden des Skandals Untersuchungen eingeleitet, um zu ermitteln, wie die USAID in den Besitz der Nutzerdaten kubanischer Bürger gelangt ist. Zwar wollte ETECSA-Sicherheitschef Daniel Ramos Fernández sich noch nicht festlegen, wie der US-Dienst an die Telefonnummern gekommen sein könnte, deutete aber an, dass dies nur mit einer geheimdienstlichen Operation möglich war. Entweder habe sich ein Agent innerhalb des Unternehmens die Kundendaten beschafft oder sie seien durch einen »Hacker-Angriff« von außen entwendet worden.

Der in Miami lebende kubanische Journalist Edmundo García hielt auch einen »Hacker-Angriff « aus einer in Havanna akkreditierten Botschaft, von denen einige über die dazu notwendigen technischen Anlagen verfügten, für denkbar. Tatsächlich haben diplomatische Vertreter der USA, Polens, Tschechiens, Schwedens und der Bundesrepublik, um nur die wichtigsten zu nennen, nie ein Geheimnis aus ihrem Interesse an einem Systemwechsel auf Kuba gemacht. Militante Systemgegner wie Berta Soler, Guillermo Fariñas und Yoani Sánchez gehen dort nicht nur ein und aus, sondern erhalten auch Unterweisungen sowie finanzielle und technische Unterstützung.

Umfangreiches Agentennetz

Die tatsächliche Dimension der US-Geheimdienstoperation kam erst Stück für Stück ans Licht. In das vom USAID in Kuba aufgebaute Agentennetz sind nicht nur US-Bürger, wie der zu 15 Jahren Haft verurteilte Spion Alan Gross, sondern offenbar auch einheimische Systemgegner verwickelt. Die unter anderem von US-Diensten, dem spanischen Prisa-Konzern und dem Verband Lateinamerikanischer Medienbesitzer (SIP) finanzierte »Bloggerin« Yoani Sánchez offenbarte bereits vor knapp einem Jahr detaillierte Insider-Kenntnisse über kriminelle Cyber-Attacken auf Internet-Anbieter und Nutzer in Kuba.

Sánchez war offenbar auch mit dem Projekt »ZunZuneo« eng verbunden. So berichtete zum Beispiel die nicaraguanische Tageszeitung »La Prensa« am 6. April in ihrer Online-Ausgabe: »Dokumente im Besitz von AP belegen, dass Sánchez ihren Twitter-Microblog über die Nachrichtenplattform ZunZuneo verbreitet hat.« Möglicherweise ist sie aber noch tiefer in die USAID-Affäre verstrickt. Der kubanische Journalist Yohandry Fontana fragte in seinem Blog ganz direkt: »Was weiß Yoani Sánchez über das Datenleck (bei ETECSA, V.H.)?« Grund für seine Frage ist ein Artikel über kubanische Hacker, den Sánchez am 14. Juni letzten Jahres in ihrem Blog »Generation Y« veröffentlicht hatte. Dort beschrieb sie mit erstaunlichen Detailkenntnissen, wie sich Jugendliche, die sie »Genies« nennt, illegal geheime ETECSA-Daten beschafft und verbreitet haben. Die »digitalen Delikte dieser Leute«, schwärmt Sánchez, beschränkten sich nicht auf Kopien ausländischer Filme, sondern sie blockierten Internetseiten und verstünden es auch, Wifi-Passwörter zu stehlen. Dies, so verrät die »Bloggerin «, sei für viele Jugendliche ein amüsanter »Freizeitspaß«.

Nachfolgeprogramm längst aktiv

Diese Verwicklung von in Kuba agierenden Systemgegnern verschwiegen die Mainstream-Medien allerdings ebenso wie die Tatsache, dass es längst Nachfolgeprogramme gibt, die das ZunZuneo-Projekt nahtlos fortsetzen. Deren Konzepte sind sowohl Obama als auch dem Parlament bekannt. Denn am 13. Juni 2013 hatte Carlos Garcia-Perez, der Direktor des von der Regierung finanzierten »U. S. Office of Cuban Broadcasting« (OCB), im Kongress neue Strategien zur Herbeiführung eines Systemwechsels in Kuba vorgestellt, mit dessen Umsetzung bereits einen Tag später begonnen wurde.

Dabei präsentierte Garcia-Perez unter anderem eine Plattform mit dem Namen »Piramideo«, von der sich die US-Medienstrategen einen entscheidenden Einfluss auf die Aktivitäten von Kubanern in sozialen Netzwerken versprechen. Auf seiner nicht in den USA, sondern in Spanien angemeldeten Homepage stellt sich der seit dem 14. Juni 2013 in Kuba verbreitete Dienst als »soziales Netzwerk, das dir den Kontakt mit Deinen Leuten ermöglicht«, vor. Einmal bei einer kostenlosen Nummer in Spanien registriert, kann ein Teilnehmer über sein normales Mobiltelefon mit einer einzigen Verbindung eine nahezu unbegrenzte Anzahl von Empfängern erreichen. Über »Piramideo« lassen sich beliebig viele Gruppen einrichten, deren Mitglieder alle die gleiche Nachricht erhalten. Mit einer einzigen SMS können so Hunderte Menschen erreicht und mobilisiert werden. Für die US-Regierung ein wichtiger Schritt, um einem »arabischen Frühling« auf Kuba näher zu kommen. Nach der Präsentation im Kongress hatte Propagandaexperte Garcia-Perez den weiteren Ausbau derartiger US-Aktivitäten in Kuba mit den Worten angekündigt: »Wir sind hier ausgesprochen kreativ.«

Millionen für die Subversion

Der US-Journalist Peter Kornbluh bestätigte vor einigen Wochen in einem Beitrag für die »New York Times«, dass die ZunZuneo-Aktionen gegen Kuba »illegal« gewesen seien. Es sehe danach aus, dass die »Entwicklungshilfeagentur« mehr und mehr die Aufgaben der CIA übernehme, kommentierte Kornbluh und wies darauf hin, dass die USAID von der US-Regierung Jahr für Jahr 20 Millionen Dollar ein »Kuba-Demokratieprojekt « erhält, dessen wichtigste Aufgabe darin bestehe, mit allen Mitteln einen Systemwechsel in Kuba herbeizuführen.

CUBA LIBRE Volker Hermsdorf

CUBA LIBRE 3-2014