Nach London verstärkter Druck auf Washington

Internationale Kommission fordert Freilassung aller Mitglieder der Cuban 5

Nichts scheinen die USA und ihre Verbündeten im Fall der Cuban 5 so zu fürchten wie die Öffentlichkeit. Geradezu hysterisch versuchen sie deshalb, jede Publizität zu verhindern. So verweigerten die britischen Behörden René González, dem Hauptzeugen der Internationalen Anhörung am 7. und 8. März in London, – offenbar auf Druck der US-Behörden – die Einreise. Der Vorgang bestätigt, dass der Schlüssel zur Freiheit der drei noch in den USA inhaftierten Aufklärer in Washington liegt. Dort soll jetzt der Druck verstärkt werden.

»Sie können verhindern, dass ich den Big Ben sehe, aber nicht, dass ich hier vor dieser Kommission aussage und schon gar nicht Eure Solidarität mit meinen Kampfgefährten und ihren Familien«, begrüßte der im Mai letzten Jahres nach Kuba zurückgekehrte Aufklärer René González die knapp 300 Teilnehmer der zweitägigen Anhörung in der renommierten »Law Society« der britischen Hauptstadt von einer riesigen Leinwand. Nachdem die dortigen Behörden ihm das Visum zur Einreise verweigert hatten, machte er seine Aussage per Live-Schaltung aus Havanna.

Zeugenaussage behindert

Die Untersuchungskommission (der ehemalige Vorsitzende des Obersten Indischen Gerichts, Yogesh Kumar Sabharwal, der französische Ex-Verfassungsrichter Philippe Texier und Zakeria Mohammed Yacoob, von 1998 bis 2013 Mitglied des südafrikanischen Verfassungsgerichts) kritisierte, dass London vor den USA eingeknickt sei und mit der Visa-Ablehnung die Vernehmung des Hauptzeugen behindert habe. Das Hearing, das von 180 Prominenten, Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und rund 6000 Einzelpersonen aus aller Welt unterstützt wurde, sollte die Gründe für die Entsendung der Aufklärer und deren Aktivitäten in den USA, die Umstände ihrer Verhaftung und die Haftbedingungen, den Verlauf ihrer Prozesse sowie die Angemessenheit der gegen sie verhängten Strafen untersuchen.

Kubas Recht, sich zu schützen

Am ersten Verhandlungstag präsentierte ein Antiterror-Spezialist des kubanischen Innenministeriums der Kommission umfangreiches Beweismaterial, das 713 terroristische Aktionen gegen sein Land belegte, bei denen seit 1959 bisher 3500 Menschen getötet und 2100 verletzt worden waren. Angehörige von Opfern schilderten ihre vergeblichen Versuche, die Täter in den USA zur Verantwortung ziehen zu lassen. Journalisten aus Miami bestätigten, dass bekennende Terroristen sich dort nicht nur ungehindert bewegen, sondern auch weitere Gewaltakte vorbereiten können. Der angesehene Hamburger Völkerrechtler, Professor Norman Paech kam daraufhin zu der Auffassung, dass Kuba sich in einer Notwehrsituation befunden habe und die Entsendung von Aufklärern mit dem Ziel, weitere Anschläge zu verhindern, geboten und nach internationalem Recht legitim gewesen sei.

Unfaire Schauprozesse

Am zweiten Verhandlungstag berichteten Anwälte und Angehörige der Kundschafter, dass die Prozesse in Miami durch Vorverurteilung in den Medien, von Washington gekaufte Journalisten, Druck auf Zeugen, Beeinflussung von Jurymitgliedern und sich über die Jahre ständig wiederholende weitere Rechtsverletzungen geprägt waren. Die Kommission habe nach Anhörung der Zeugen den Eindruck gewonnen, dass »die einzigen Vergehen, die den Angeklagten zu Recht vorgehalten werden könnten, Verstöße bei der Einreise gewesen« seien, sagte deren Vorsitzender Yogesh Kumar Sabharwal. Die Verhandlungen in Miami seien politische Schauprozesse gewesen, die einer rechtsstaatlichen Überprüfung nicht standhielten. Richter Yacoob verglich das Verhalten der US-Justiz mit dem des südafrikanischen Apartheidregimes, gegen das er selbst Widerstand geleistet hatte. Deshalb, sagte er, gebühre den Aufklärern Respekt: »Sie sind Männer von Ehre, Mut und hoher Moral.«

Sofortige Freilassung jetzt

Nach Bewertung der Beweise und Zeugenaussagen meldeten die drei Richter in einer ersten – 13 Punkte umfassenden – Einschätzung, »ernsthafte Zweifel« daran an, dass auch nur einer der Verurteilten »in den Genuss eines fairen Verfahrens« gekommen sei. Vielmehr seien ihnen sowohl ihre bürgerlichen als auch ihre politischen Rechte vorenthalten worden. Die Jury forderte die US-Behörden auf, das an den Cuban 5 und ihren Familien begangene Unrecht zu korrigieren und die drei noch inhaftierten Aufklärer unverzüglich frei und in ihre Heimat zurückkehren zu lassen. Aus Sicht der Kommission sei dies eine unverzichtbare Voraussetzung für die Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba sowie für die Sicherung des Friedens in der Region. Eine umfassende Begründung will die Kommission bis Anfang Juni veröffentlichen.

Solidarität und Totschweigen

Beeindruckt waren viele der 300 Teilnehmer aus 27 Ländern von der klaren Position und Unterstützung der britischen Arbeitnehmerorganisationen. Die Vorsitzenden der größten Einzelgewerkschaft »Unite«, der »Unison « und des 6,5 Millionen Mitglieder zählenden Dachverbandes TUC unterstrichen nicht nur ihre Solidarität mit den Cuban 5 und deren Familien, sondern auch mit dem sozialistischen Kurs Kubas. In Deutschland fehlt es nicht nur an gewerkschaftlicher Solidarität. Die großen Medien verschwiegen – trotz prominenter Unterstützer – den Fall und die Internationale Anhörung komplett. Im Namen der »Pressefreiheit« schlugen sie sich ein weiteres Mal auf die Seite der Täter und nahmen den Opfern ihre Stimme. Literaturnobelpreisträger Günter Grass hatte bereits in einem Brief an die Kommission kritisiert, dass »… dieser skandalöse Fall politisch motivierter Justiz … erfolgreich aus den Schlagzeilen der Massenmedien herausgehalten werden konnte.« Weiter schrieb Grass: Der Fall »beweist mir einmal mehr, wie sehr wir alle … auf die Einhaltung des Völkerrechts, der größten Errungenschaft nach der leidvollen Erfahrung des Zweiten Weltkriegs, drängen und andererseits die Doppelmoral des ›Kampfes gegen den Terror‹ im Namen von ›Demokratie und Menschenrechten‹ entlarven sollten.«

Aktionswoche in Washington

Doch trotz des Versuchs, den Fall weiterhin totzuschweigen, ist die Anhörung in London ein Erfolg der europäischen Kuba-Solidarität. Die für Anfang Juni angekündigte endgültige Stellungnahme der Kommission wird Grundlage der weiteren Kampagne im Rahmen einer »Aktionswoche für die Freiheit der Cuban 5« vom 4. bis 11. Juni in Washington sein. (http://5daysforthecuban5.com/) Unter anderem sind Besuche bei Abgeordneten und Auftritte im Kongress geplant, zahlreiche kulturelle Veranstaltungen und Informationsangebote sollen durch die Präsentation des Falles in sozialen Netzwerken ergänzt werden. Eine zweitägige Konferenz will sich in Plenarsitzungen und Workshops mit juristischen und politischen Möglichkeiten zur Unterstützung der noch Inhaftierten beschäftigen und Lösungsmöglichkeiten des Falls als Voraussetzung für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba erarbeiten. Höhepunkt soll, wie in den Vorjahren, die »White House Rallye « sein. Am 7. Juni um 12 Uhr Mittags wollen hunderte Aktivisten direkt vor dem Weißen Haus für die Freilassung der Cuban 5 demonstrieren. Die Jahre 2014/2015, so lautete eine der Kernaussagen auf der Konferenz in London, sind für die Verwirklichung dieser Forderung entscheidend.

CUBA LIBRE Volker Hermsdorf

CUBA LIBRE 2-2014