Bolivianische Reaktionen auf die Weigerung vier europäischer Länder, der Maschine mit dem bolivianischen Präsidenten Evo Morales an Bord das Überflugrecht zu gewähren.
Die Plaza 14. September (Datum der Stadtgründung Cochabambas) ist ein beliebter Treffpunkt in Cochabamba. Da in den Gebäuden ringsherum der Bürgermeister der Stadt und die Regierung des Departamento Cochabamba untergebracht sind, ist der Platz beliebter Endpunkt von Demonstrationen und Kundgebungen. Hier finden angeregte Diskussionen statt und eine politische Unterhaltung zwischen zwei Leuten wird schnell zu einem Debattierclub, an dem sich immer mehr Leute beteiligen.
Evo Morales (Foto: Cubahora) |
Der Platz ist auch die Heimat der »Organisation der Aktivisten der Plaza«, die – seitdem mit Edwin Castellanos Mendoza ein Bürgermeister der MAS die Stadt regiert – eine Dauergenehmigung bekommen haben, dort ihre Stande und Informationswände aufzubauen. Die Organisation entstand aus dem Kampf gegen die Privatisierung des Wassers, als die Menschen hier sogar für das aufgesammelte Regenwasser bezahlen sollten. Es kam zu einem Aufstand der Bauern, der Coca-Anbauer, der gesamten Bevölkerung, auf den eine heftige Repression folgte und der Platz ständig von »Ordnungskräften« eingekesselt war, die brutal gegen die Demonstranten vorgingen.
Heute ist der »Krieg ums Wasser« Geschichte, aber die Organisation besteht weiter.
Platz für gesellschaftliche Aktionen
Sie beobachtet die soziale Dynamik und beschließt entsprechende Aktionen, um das neue Gesellschaftsmodell zu unterstützen. Ihre Wände mit Zeitungsberichten, die täglich aktualisiert werden haben regen Zulauf. Die Zeitungsausschnitte der Opposition werden mit entsprechenden Kommentaren versehen, deren Lugen entlarvt.
Wir haben mit vier Mitgliedern der Organisation gesprochen und sie zunächst gefragt, wie sie selbst und die Bevölkerung reagiert haben, als vier europäische Länder ihrem Präsidenten das Überflugrecht verweigerten.
Rolando Huallpa Mendoza:
Als wir in den Medien davon erfuhren, ist jeder auf die Straße gegangen, um zu protestieren und um deutlich zu machen, dass unser Präsident nicht allein ist, dass wir alle ihn unterstützen. Wenn nämlich jemand gegen unseren Präsidenten vorgeht, ist das so, als ob er gegen unser Land vorgeht. Wir waren auch auf der Straße, um unsere Wurde zu verteidigen.
Pablo Villaroel Zenzano:
Nun, das ganze Volk war alarmiert. Wir haben uns über Kanal Sieben (der Regierungskanal) über das Attentat informiert, das diese vier Länder gegen unseren Präsidenten verübt haben. Die Bolivianer haben sofort reagiert; es gab Mahnwachen in allen neun Departamentos. Jeder wollte etwas über die momentane Lage des Präsidenten erfahren, aber es gab keine neuen Informationen. Die Menschen waren besorgt und sie waren traurig, über das was passiert war, und darüber, dass diese Länder das Leben unseres Präsidenten in Gefahr gebracht und ihn wie einen Kriminellen behandelt haben. Wir hielten diese Mahnwachen ab, damit unser Präsident heil zurückkommt und dann haben wir ihn alle empfangen.
Marcelo Quisbert:
Als wir erfuhren, dass unser Präsident nach Wien entfuhrt worden war, weil man ihm den Luftraum gesperrt hatte, waren alle sehr erregt, aber nicht nur hier in Bolivien, sondern in ganz Lateinamerika. Es war das erste Mal in der Menschheitsgeschichte, dass man den Regierungschef eines Landes entfuhrt hat. Eine Präsidentenmaschine ist wie die Botschaft eines Landes. Die Menschen hier waren aufgebracht über das Verhalten dieser vier Länder.
Ich selber habe mich elend gefühlt. Unser Präsident, ein bescheidener Präsident, ein indigener Präsident, der so viel für unser Land tut, der uns die Wurde wieder zurückgibt, die wir bei den vorherigen Regierungen verloren hatten, das einem solchen Präsidenten so etwas passiert, hat uns aufgebracht. Unser Präsident ist nicht nur für Lateinamerika wichtig, sondern für die ganze Welt. Ich finde es ganz schlimm, was diese vier Länder getan haben. Die Begründung, dass sie eine Person im Flugzeug gesucht haben, überzeugt mich nicht und auch sonst niemanden. Diese Länder haben sich jetzt entschuldigt, aber ich denke, da muss etwas mehr passieren. Was wäre gewesen, wenn der Treibstoff im Flugzeug ausgegangen wäre? Das war ein Attentat auf das Leben unseres Präsidenten. Ich habe mir die ganze Zeit nur gesagt, dass das nicht wahr sein kann und Kanal Sieben geguckt.
Marlen Zurimana Quispe Abasto:
Wir fühlten uns wirklich so, als ob man uns persönlich angegriffen hatte. Wir waren am liebsten gestorben. Wie war es möglich, dass so etwas passieren konnte, dass einfach die Normen des freien Luftverkehrs gebrochen wurden. Wie kann es sein, dass man unserem Präsidenten misstraut? Wie kann man sein Leben in Gefahr bringen? Er war über zweieinhalb Stunden in der Luft, ohne landen zu können.
Das alles geschah, kurz nachdem Hugo Chávez gestorben war und da gibt es auch jede Menge Hypothesen, was dessen Krebserkrankung verursacht haben konnte. Und dann passiert das mit unserem Präsidenten. Wir müssen aufpassen, das Imperium ist ein großes Monstrum und unser Präsident ist nicht nur eine Führungspersönlichkeit in Bolivien, sondern in ganz Lateinamerika. Nach Hugo Chávez ist es Evo Morales, der den Kampf weiterfuhren muss. Er ist eine große Gefahr für das Imperium und eine Hoffnung für die Volker der Welt.
Wir fragten weiter, warum ihrer Meinung nach diese Länder sich so verhalten haben. Auch wollten wir wissen, ob sie nicht wütend auf die Europäer seien, obwohl wir selbst keine Aversionen bemerkt hatten.
Rolando:
Nein, Feindseligkeiten gegen Europäer gab es nicht, nur Wut darüber, was passiert ist und Angst um das Leben des Präsidenten.
Pablo:
Am ersten und zweiten Tag nach dem Vorfall waren die Leute verärgert. Sie wollten sogar, dass die Botschaften dieser vier Länder Bolivien verlassen sollten. Aber das war nur im ersten Moment des Schocks. Später wollten Volk und Regierung, dass sich die vier Länder entschuldigen.
Marcelo:
Am Anfang waren wir wirklich wütend und verlangten, dass man mit den entsprechenden Botschaften nicht mehr zusammenarbeiten sollte. Aber dann wurde uns klar, dass es ja nicht wirklich die Schuld dieser vier Länder war, sondern die des US-Imperiums, des kapitalistischen Systems. Die Präsidenten einiger Länder wurden dahingehend manipuliert. Es waren die USA, die das Flugzeug unseres Präsidenten nicht passieren lassen wollten. Ich hege keinen Groll gegen Europa und die Menschen dort. Ich glaube, sie wissen gar nicht, was auf Regierungsebene geschieht – für sie ist es einfach nur irgendein Präsident. Aber jetzt fragen sich vielleicht einige politisch Interessierte in Europa, warum man das getan hat. Damit entschuldige ich nicht, was passiert ist.
Marlen:
Präsident Evo hat uns erklärt, dass wir nichts gegen die Europäer haben sollen. Es waren nur die Gehilfen des Imperiums, die dieses Attentat begangen haben. Europäer, die hier in Bolivien waren, haben mit an unseren Aktionen teilgenommen. Mit Tranen in den Augen haben sie uns gebeten, ihnen zu verzeihen. Aber wir haben ihnen gesagt: Warum sollen wir euch verzeihen? Das waren doch eure Regierungen. Wir, die Volker untereinander, müssen uns umarmen. Das System kümmert sich nur um die ökonomische Macht, der Rest ist ihm egal.
Renate Fausten
CUBA LIBRE 4-2013