Zwischen Lügen und Cholera

Wie das erneute Auftreten des Brechdurchfalls von Kubas Gegnern ausgenutzt wird

USA warnen vor Cholera-Ausbruch in Kuba


Im August wurden meine Frau Lázara und ich – nachdem wir uns in Havanna mit dem Bakterium Vibrio cholerae infiziert hatten – zu unfreiwilligen Betroffenen und Zeugen einer globalen Desinformationskampagne. Die US-Interessenvertretung (SINA) und einige auf ihrer Gehaltsliste stehende »unabhängige kubanische Journalisten« nutzten das erneute Auftreten der Cholera zur Diffamierung des Gesundheitssystems der sozialistischen Karibikinsel. Ausgehend von Contra-Medien in Miami und Madrid übernahmen Agenturen und Zeitungen weltweit die manipulierten Nachrichten.

Nachdem die bakterielle Brechdurchfall-Erkrankung auf Kuba ausgerottet war, traten im vergangenen Jahr erstmals wieder Falle von Cholera auf. Medizinische Helfer hatten die Infektion von ihren Einsätzen in Haiti mitgebracht. Nach dem schweren Erdbeben im Jahr 2010 waren tausende kubanische Ärzte und Krankenschwestern dem karibischen Nachbarvolk zur Hilfe gekommen.

Rückkehr der Cholera

Die seit 130 Jahren erste Choleraepidemie suchte Mitte 2012 völlig unerwartet die Region um Manzanillo im Osten Kubas heim. 417 Menschen erkrankten, drei starben. Glücklicherweise die bisher einzigen Opfer in Kuba. Nach dem Durchzug des Hurrikans Sandy registrierten die Behörden in den Ostprovinzen 47 weitere Falle und im Januar 2013 wurden auch in der Provinz Havanna 51 Erkrankungen gemeldet. Die kubanischen Behörden informierten darüber nicht nur pflichtgemäß die Weltgesundheitsorganisation (OMS), sondern über Radio, Fernsehen und Zeitungen auch die Bevölkerung, verbunden mit Hinweisen zur Hygiene und anderen Vorsichtsmaßnahmen.

Kampf gegen Cholera in Haiti

Haiti: Der Einsatz kubanischer Ärzte war entscheidend für den Kampf gegen Cholera - sagen Vertreter der UNO.
(Kubanische Ärzte in einem Zelthospital in Haiti
Foto: cubadeabate (Líurka Rodríguez)

Im August 2013 meldete Kuba einen erneuten Ausbruch in den Provinzen Havanna, Santiago de Cuba und Camagüey. Insgesamt 163 Personen hatten sich infiziert, von denen zwölf ihren ständigen Wohnsitz außerhalb Kubas hatten und zwei aus Deutschland kamen. Die in der OMS für Lateinamerika zuständige Panamerikanische Gesundheitsorganisation (OPS) aktualisierte am 23. August ihr Bulletin über das »Auftreten von Cholera in der Karibik«. An erster Stelle nannte der OPS-Bericht Haiti mit 671 033 Erkrankten und 8231 Todesfällen seit Oktober 2010. Den zweiten Platz nimmt die Dominikanische Republik mit 30 681 Cholerafällen ein, von denen 454 starben. An dritter und letzter Position wird Kuba genannt, das mit der geringsten Zahl von Erkrankten und drei Todesfallen weit hinter den deutlich dramatischeren Dimensionen der Nachbarländer liegt.

Die OPS weist ausdrücklich darauf hin, dass in Kuba alle notwendigen Maßnahmen ergriffen wurden, um eine Ausbreitung der Epidemie zu verhindern und die Gesundheitsbehörden die Situation im Land derzeit unter vollständiger Kontrolle hatten.

Signal aus den USA

Solche Fakten taugen freilich nicht für eine Kampagne gegen das Gesundheitssystem in Kuba, um das die sozialistische Insel von den Menschen in allen anderen Ländern der Region beneidet wird. Doch den aggressiven Nachbarn im Norden interessieren ohnehin keine Fakten.

Am 20. August warnte die Interessenvertretung der USA in Havanna (SINA) auf ihrer Homepage in einem »Sicherheitshinweis« vor einem »Cholera-Ausbruch« auf Kuba. Die US-Botschaft in Santo Domingo informierte dagegen zu keinem Zeitpunkt über die deutlich bedrohlichere Situation in der Dominikanischen Republik, obwohl die Cholerafälle dort in der Region um Punta Cana aufgetreten waren, einem von Touristen aus den USA massenhaft besuchten Urlaubsort. Die vom US-Außenministerium angeordnete »Warnung» für Kuba erfolgte also nicht aus Fürsorge für reisende Landsleute, sondern war ein Signal.

Kampagne wird aufgebaut Nur einen Tag nach der SINA-Warnung veröffentlichte die Tageszeitung »El Nuevo Herald«, das Sprachrohr rechter exilkubanischer Gruppen in Miami, einen alarmierenden Artikel über »Cholera in Kuba«. Das Blatt nannte als Quelle zwar auch die OPS-Berichte, erwähnte aber mit keinem Wort die Situation in Haiti und der Dominikanischen Republik.

Der ebenfalls in Miami ansässige US-Regierungssender Radio Marti und das mit Hilfe der US-Dienste NED und CIA gegründete und in der spanischen Hauptstadt Madrid produzierte Internetportal »Diario de Cuba« bauschten die Meldung noch am gleichen Tag zur Horrorvision auf. Neben der OPS gaben sie als Quelle eine von SINA-Agenten aufgebaute und aus US-Mitteln finanzierte Gruppe »unabhängiger Journalisten« an, die unter dem Namen »Hablemos Press« regelmäßig Falschmeldungen aus Kuba verbreitet.

Nachdem die ersten Artikel kursierten, griffen Agenturen wie AP (USA), EFE (Spanien) und dpa (Deutschland) das Thema auf und sorgten für weltweite Verbreitung. Wahrend »Süddeutsche Zeitung« und »Washington Post« zumindest erwähnten, dass die Cholera auch in anderen Ländern der Karibik auftritt, unterschlugen die meisten Medien diese Information komplett.

In der profranquistischen spanischen Tageszeitung »ABC« lies der gewünschte Effekt nicht lange auf sich warten. »Arme Kubaner«, schrieb ein Leser auf der ABC-Homepage, »nach Diktatur, Armut und Hunger haben sie jetzt auch noch die Cholera am Hals und das bei dem miserablen dortigen Gesundheitssystem«.

Lügen statt Tatsachen

Da solche Stimmen Einzelfalle blieben, wurde nachgelegt. Die Söldner von »Hablemos-Press« setzten auf ihrer in der SINA produzierten Homepage eine Cholera-Meldung nach der anderen ab. Am 23. August »berichteten« sie von »über 400 Cholerafällen und zahlreichen Toten« allein im Municipio Guines.

Parallel dazu assistierte in Miami der »Nuevo Herald« mit einer anderen Story. Das Blatt präsentierte am 27. August den Fall des Lehrers Alfredo Gomez aus New York, der behauptete, sich in Havanna mit Cholera angesteckt und vom 4. bis 10. August im Institut für Tropenmedizin Pedro Kouri (IPK) behandelt worden zu sein. Laut »Nuevo Herald« habe das IPK-Personal Gomez im Anschluss »auf rüpelhafte Weise« zur Zahlung von 4700 US-Dollar nötigen wollen.

Was wirklich los ist

Pech für das Kampfblatt der exilkubanischen Mafia in Miami: Meine Frau und ich wurden zum gleichen Zeitpunkt im IPK behandelt, zu dem Gomez dort als Patient auf der für Ausländer vorgesehenen Etage gewesen sein will. Weder haben wir die auf einem Foto im »Nuevo Herald« abgebildete Person dort gesehen, noch wurde vom Krankenhauspersonal ein Patient mit Wohnsitz in den USA erwähnt. Auch das OPS hat zu keinem Zeitpunkt die Erkrankung eines Reisenden mit Wohnsitz in den USA bestätigt.

Schließlich ist die von Gomez genannte Summe völlig aus der Luft gegriffen. Als schwerster Fall erhielt ich nach Infusionen, Medikamenten und zahlreichen Analysen auch drei Hämodialysen, da meine Nieren versagt hatten. Für die Behandlung – einschließlich Krankenzimmer, intensiver Betreuung und Vollverpflegung wurden gerade einmal 1236 CUC (rund 925 Euro) in Rechnung gestellt. Alfredo Gomez, der phantasiebegabte Held des »Nuevo Herald«, hatte für den von ihm genannten Betrag einen ganzen Monat im IPK liegen und wöchentlich drei Hämodialysen erhalten müssen.

Cholera als Waffe

Mehr als 160 Cholerafälle in Kuba

Auch wenn die deutlich zu dick aufgetragene Gomez-Story in den deutschen Konzernmedien ebenso wenig Beachtung fand wie die Horrormeldungen der Hablemos-Press-Dissidenten, ist der Cholera-Alarm mit Sicherheit noch nicht vorbei. In der noch nicht beendetenHurrikan-Saison werden einzelne Falle oder Epidemien von den Gegnern des sozialistischen Kuba wie ein Geschenk betrachtet. Ihre Kampagnen dienen drei Zielen: Zunächst soll der Tourismus und damit die Wirtschaftskraft des Landes geschwächt werden. Das zweite Ziel besteht darin, den Ruf des international geachteten Gesundheitssystems herabzusetzen. Und schließlich können so die medizinischen Hilfsprogramme und die in zahlreichen Ländern arbeitenden kubanischen Ärzte ins Zwielicht gerückt werden. Für diese Ziele ist Kubas Gegnern jedes Mittel recht. Jeder Cholerafall kommt ihnen gelegen, … sofern CUBA LIBRE nicht darüber berichtet.

CUBA LIBRE Volker Hermsdorf

CUBA LIBRE 4-2013