Kuba inside – 110 dias en Cuba

110 Tage Kuba, die allermeiste Zeit davon Havanna, sind für mich nun vorüber. Als ich vor knapp 4 Monaten dort ankam wusste ich nicht so recht, was mich erwartet.

Klar hatte ich in etwa einen Plan im Kopf: ich wollte auf die Uni um Spanisch zu lernen, wollte mit KubanerInnen in Kontakt kommen, Land, Leute, Kultur kennenlernen, ein bisschen tiefer eindringen in eine Gesellschaft, die zwar »fremd« ist in vielerlei Hinsicht, die aber umso liebenswerter, erstaunlicher, großartiger ist je mehr man sich darauf einlässt.

Malecon

Ich wollte erfahren, wie es ist, nicht nur als »3-Wochen-Touristin « die Geschehnisse in Kuba zu verfolgen, einmal ein wenig »Teil sein« einer Gesellschaft, die ihren eigenen, mutigen Weg geht.

Natürlich reichen auch 4 Monate nicht aus, um genau Auskunft geben zu können, wie Kuba »funktioniert « oder gar um zu wissen, wie man die in verschiedenen Bereichen vorhandenen Probleme löst. Aber, ich habe nach dieser Zeit nun großes Vertrauen, weil ich oft beobachten durfte, dass eben diese Probleme nicht unter den Teppich gekehrt werden sondern dass man darüber ganz offen spricht, verschiedene Seiten beleuchtet und schlussendlich Taten setzt, um sie zu lösen, und zwar »mit Bedacht aber ohne Pause« (Raúl Castro).

Ja, ich habe das Vertrauen in das kubanische Volk, dass es sich – wie schon so oft – immer wieder richtig entscheiden wird, zum Wohle der Gesellschaft, zum Wohle aller, für die Weiterentwicklung des Sozialismus.

Für die meisten Menschen die ich kennenlernen durfte, ist »Solidarität « nämlich nicht nur ein oft gebrauchtes aber selten gelebtes Wort sondern fester Bestandteil ihres täglichen Handelns in fast allen Lebenslagen. Da wird auch mal dem Nachbar fünf Häuser weiter einfach so geholfen, das Haus zu streichen oder dem Cousin 10. Grades Geld gegeben, weil er es grade dringend braucht. Das Prinzip des »Sorge dich um andere, wie um dich selbst« ist selbstverständlich und wird schon den ganz Kleinen beigebracht. Oder anders gesagt: Der Wert eines Menschen wird allgemein nicht – wie es bei uns viel zu oft der Fall ist – an Besitzgütern, beruflichem Erfolg und Anzahl der Immobilien- Aktien gemessen, sondern daran, was eine Person für das soziale Gefüge leistet und dafür, dass es zusammenhält.

Zum Beispiel genießen Krankenschwestern und -pfleger ebenso wie LehrerInnen höchstes Ansehen in der Bevölkerung. Dass es in Kuba eine mediale Meinungsmache und Hetze gegen PädagogInnen gäbe wie bei uns in Österreich in regelmäßigen Abständen, wäre undenkbar.

Bildung für alle

Das kubanische Bildungs- bzw. Studiensystem habe ich durch meinen täglichen Spanischkurs für Ausländer an der Universität Havanna ein bisschen kennengelernt. Dieser Bereich ist garantiert viel besser als in den allermeisten Ländern dieser Welt. Nicht umsonst studieren in Kuba 74 % aller jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahren an einer Hochschule (zum Vergleich: in Österreich liegt die Quote bei 42 %).

Der freundschaftliche Umgang zwischen ProfessorInnen und StudentInnen fällt einem sofort auf und ist auch durch das exzellente Betreuungsverhältnis begründet. Man ist grundsätzlich per »du« mit den Lehrenden, kriegt sogar mal ein Küsschen, wenn man sich am Gang über den Weg läuft und die StudentInnen haben das Gefühl, auf selber Augenhöhe zu stehen wie ihre Prüfer.

Nichtsdestotrotz ist das studentische Leben von großer Disziplin geprägt: Zu spät in die Vorlesung kommen? Gibt's nicht! Schlechte Noten schreiben? Wird relativ scharf kritisiert und ist wirklich unangenehm.

Der höchste Frauen-Anteil aller Unis in ganz Lateinamerika und die Studenten-Quote an sich bestätigen, dass weder das Geschlecht noch der familiäre und soziale Hintergrund entscheiden, ob ein junger Mensch studieren kann oder welchen Beruf er ergreifen möchte. Zudem bildet der kubanische Staat gegenwärtig 19 000 Personen aus Entwicklungsländern (vor allem aus Lateinamerika und Afrika) völlig kostenlos an seinen Universitäten aus; von Alphabetisierungskampagnen die Kuba in anderen Ländern durchführt, ganz zu schweigen.

Seit dem Jahr der Revolution steht bei der Entwicklung von Maßnahmen und Programmen die Überwindung von strukturellen und institutionellen Hindernissen für den uneingeschränkten Genuss des Rechts auf Bildung im Vordergrund.

Darum ist es heute Realität, dass es in Kuba kein Kind gibt, das nicht zur Schule geht. Der Analphabetismus ist schon lange vollständig ausgerottet und es gibt eine derartige Dichte an Schulen, Fachhochschulen, Universitäten, Ausbildungsstätten, Kunst-, Sport und wissenschaftlichen Einrichtungen, die in der Region einzigartig ist und auch im weltweiten Vergleich ganz, ganz weit vorne mitspielt. Ich kann absolut jedem/r empfehlen, diese Erfahrung einmal selbst zu machen. Studieren in Havanna ist ein Hit!

In die Provinzen

Touristen

Touristen / Foto: Wiljo Heinen

So sehr ich die Zeit an der Uni genossen habe, so sehr habe ich mich nach drei Monaten Stadtleben auf meine Reise gefreut, die mich in verschiedene Ecken der Insel gebrachte.

Santa Clara war die letzte Station meines 2-wöchigen Trips, der mich nach Santiago, Baracoa, Ciego de Avila, Moron und Cayo Santa Maria führte. Überall habe ich die seit langem gewohnte Herzlichkeit der KubanerInnen zu spüren bekommen und überall hätte ich noch viel mehr Zeit verbringen wollen.

Doch aus Santa Clara fiel es mir besonders schwer, wieder abzureisen, weshalb ich das Tag für Tag hinausschob, immer wieder eine Nacht in meiner entzückenden Casa verlängerte und es so vermied, meine Rückreise nach Havanna, anzutreten. Obwohl meine Freunde in Havanna eine Abschiedsparty planten, obwohl ich mich auf sie freute. Ich mochte nicht weg aus Santa Clara.

Als es die Gruppe der Österreichischen Kuba-Gesellschaft letztes Jahr während ihrer 3-wöchigen Rundreise für einen halben Tag hierher verschlagen hatte, da beschloss ich, ganz bald nach Kuba zurückzukehren und wusste nicht, dass ich ein Jahr später schon wieder »Adios« bzw. »Hasta luego« sagen musste.


»Hasta luego« zu einer Stadt, die zu recht so unsagbar stolz ist auf »ihren« Che. Die tagsüber überschwemmt wird mit unzähligen Touristen in Reisebussen die andächtig und überwältigt auf der »Plaza del Che« stehen, die sich gegen Abend aber dann wieder in ein ruhiges gemütliches Provinzstädtchen verwandelt. In deren Straßen 10 mal mehr Pferdekutschen als Autos unterwegs sind.

»Hasta luego« zu einer Stadt, die mit der drittgrößten Universität des Landes naturgemäß sehr jung ist, sehr frisch und witzig. In der man aber trotzdem weiß, wie wichtig und gesund ein bisschen »Langsamkeit« im Leben ist.

»Hasta luego« zu Stadt, der ihre Alten ebenso wichtig sind wie die Jungen. Wo es eine breite Palette an völlig kostenlosen organisierten Freizeitaktivitäten für Pensionisten gibt. Angefangen von leichtem Sport, über Mal- und Sprachkurse bis hin zu Ausflügen ins Umland und bis hinauf zum Meer. Die Provinzverwaltung in Zusammenarbeit mit den CDRs (Komitees zur Verteidigung der Revolution) macht dies möglich.

»Hasta luego« zu dem Ort, der mir ganz am Ende meines Abenteuers noch unvergessliche Erlebnisse und Begegnungen bescherte und der mich sicherlich sehr bald wieder sehen wird. Weil die Zukunft nämlich eben nicht ausschließlich aus Mysterien besteht. Die KubanerInnen machen uns eindrucksvoll vor, wie man sie selbst gestaltet.

»Culminan las montañas en picos y los pueblos en hombres«

Dieser Gedanke von José Martí berührt mich sehr. Denn wenn ich am Gipfel eines Berges stehe, egal in welchem Land dieser Erde, bin ich stets vollkommen glücklich. Und wenn ich an die Menschen denke, die ich in Kuba kennenund lieben gelernt habe, überkommt mich ein ähnliches, wunderschönes Gefühl. Ja, definitiv – ich denke ich habe mich verliebt. Und das gleich in ein ganzes Volk.

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CUBA LIBRE 3-2013