Nehmen wir mal an, in den USA würde sich eine neue Pop-Band unter dem Namen »The Who« gründen. Nehmen wir weiter an, nicht allein der Name der britischen Beat-Legende wäre geklaut, sondern außerdem deren Repertoire, Sound, Arrangements, schlichtweg alles.
Und wenn die US-Gruppe beispielsweise den »Pinball Wizard« anstimmen würde, hörte sich die Singstimme an wie die von Roger Daltrey. All dies, ohne die echten »Who«, die in Teilen selber noch aktiv sind, auch nur zu informieren oder »royalties« (GEMA-Gebühren) zu zahlen.
Hirnrissig? Undurchführbar? Bei den »Who« vermutlich schon. Es kommt darauf an, mit wem man sich so ein Bubenstück erlaubt.
In der zweiten Novemberhälfte vorigen Jahres wurde in Florida eine Bigband des Namens »Riverside « aus der Taufe gehoben und es kam wohl nicht von ungefähr, dass bei der kurz danach anberaumten Pressekonferenz in Havanna Korrespondenten aus den USA mit erwartungsvoll gezückten Notizblöcken und entsicherten Kugelschreibern der Dinge harrten, die da kommen würden. Warum waren sie so gespannt ? Was genau war eigentlich geschehen?
In Kuba existiert seit den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Musikgruppe des gleichen Namens. In den 40ern galt sie nicht allein dort, sondern auch im Ausland als die wichtigste Jazzband Havannas. Klassiker wie »Vereda tropical«, »El de la Rumba soy yo« oder »Que lio tio« in der Stimme von Tito Gomez zeugen vom damaligen Bekanntheitsgrad der original »Riverside«. Inzwischen hat sie einige Musikergenerationen durch, aber aufgelöst hat sie sich nie. Die aktuelle Gruppierung besteht aus etwa 20 jungen Leuten, sämtlich Absolventen der kubanischen Kunsterziehungsschulen. Die Produktionsfirma Colibri hat sie für dieses Jahr (2013) für die Einspielung einer neuen CD in ihren Studios fest eingeplant.
Miami gründet Plagiat »Riverside«
Und nun das: In Miami, Florida findet eine »refundación«, also eine »Wiedergründung« der Band statt, die in Cuba nach wie vor aktiv und kreativ ist. Die pseudo- »Riverside« bedient sich aus demselben Fundus an Stücken und bietet sie in genau derselben musikalischen Gestaltung dar.
Das Original / Foto: Riverside |
Man staunt Bauklötze, was in dieser Beziehung möglich ist. Ich selbst erlebte vor einigen Jahren bei einem Stadtfest am Niederrhein die »Beatles Revival Band« und war ziemlich von den Socken, wie nah die meisten gespielten Nummern akustisch an den Aufnahmen von Lennon & McCartney waren. Mit viel Üben und klanglichem Herumexperimentieren kriegt man das hin ! Der entscheidende Unterschied zu unserem Fall besteht darin, dass diese Jungs nie behauptet hätten, eine »Neugründung « der Beatles zu sein.
Orlando Vistel, der Präsident des Instituto Cubano de la Música (ICM) meinte auf der Pressekonferenz im CPI, dem Internationalen Pressezentrum, der Gebrauch des Begriffes »refundar« (»wiedergründen «) durch die Plagiatoren sei besonders infam, da er bewusst den Trugschluss hervorrufe, es gehe um etwas Verschwundenes, um etwas, das verlorengegangen sei.
Davon könne aber bei einer Band, die auf der Bühne sowie in Radio und Fernsehen niemals aufgehört habe, Präsenz zu zeigen, überhaupt keine Rede sein.
USA usupieren kubanisches Kulturgut
Das ICM sprach unverblümt von »Vandalismus«. Es führte aus, die kulturelle Entwicklung in Kuba sei ein Schutzschild für die kubanische Nation. Auch hieß es in seiner Erklärung, jeder Versuch, den kulturellen Reichtum eines Landes zu verzerren und zu usurpieren, sei ein krimineller Akt. Wenn die USA sich etwas zu eigen machen wollten, »das sie nicht besitzen, etwas, das ihre Kultur nicht erschaffen hat, so werden internationale Rechtskonventionen verletzt, die Kuba und die Vereinigten Staaten unterzeichnet haben«.
Das ICM leugnete nicht den Umstand, dass es sich bei den »Gründern « der namensgleichen USBand um Musiker handelt, die irgendwann (vor ihrer Emigration in die Staaten) der ursprünglichen kubanischen Gruppierung angehört hatten, spricht ihnen indes das Recht ab, den Namen als persönlichen Besitz zu betrachten und ihn in einem denaturierenden Akt zur freien Verwendung in ihre neue Heimat USA mitzunehmen. Vistel erinnerte in diesem Zusammenhang die versammelte Journaille daran, dass schon einmal versucht worden sei, eine renommierte kubanische Band schamlos zu plagiieren: das »Orquesta Aragón«. Der Clan um Gloria Estefan in Miami hatte dieses Vorhaben promotet, das letztlich nur daran scheiterte, dass die Authentizität des kubanischen Orchesters in der Kopie nicht richtig rüberzubringen war.
Gefragt, ob man von Seiten Kubas aus gedenke, juristische Schritte einzuleiten, hielt sich das ICM recht bedeckt. Er könne diese Möglichkeit nicht ausschließen, sagte Vistel, fügte jedoch hinzu, dies käme wohl sehr teuer. Er vertraue eher darauf, dass ein Appell an die öffentliche Meinung ein Umdenken in der Angelegenheit bewirken werde.
Das Ganze erinnert natürlich frappant an den jahrelangen Rechtsstreit um die Raubkopie einer großen kubanischen Rum- Marke. Man könnte sagen: »Havanna Club« USA ist so was wie »Riverside« Miami in flüssigem Aggregatszustand.
USA provozieren mit Markenklau
Die USA setzen Provokationen dieser Art kalt bis ans Herz in Szene. Dass Kuba daraufhin hochgeht wie ein Knallfrosch und sich in gerechtem Zorn und moralischer Entrüstung ergeht, gehört zum Spiel. Die Auslöser dieser kalkulierten Wut wissen genau, dass sie am längeren Hebel sitzen. So perfide kann ein Betrug, so unverschämt ein Diebstahl gar nicht sein, als dass sie Gefahr liefen, durch die Massenmedien angegangen zu werden. Jedenfalls nicht, wenn es sich um Kuba handelt.
Quellen: Prensa Latina, Juventud Rebelde
Ulli Fausten
CUBA LIBRE 2-2013