Ein Literatur- und Volksfest für alle Sinne

Die 22. Internationale Buchmesse Kuba 2013 verwandelte das ganze Land in ein Kulturzentrum

Kubas Buchmesse – das waren dreieinhalb Wochen, die sich um Alltags- und Weltliteratur drehen, das waren unzählige Begegnungen mit kulturinteressierten Besuchern aus Kuba und aller Welt, das waren Vorträge und Lesungen hunderter Schriftsteller und Intellektueller, die zur Vorstellung ihrer Werke über die Karibikinsel zogen, das waren ausgiebige Diskussionen über kleine Probleme des Alltags und über Politik, Umwelt, Jugend, Alter, Emanzipation und das war das größte Literatur- und Volksfest in der Karibik, vermutlich sogar auf dem Kontinent. Und das Beste daran: Dieses Ereignis hat nicht das Geschäft einiger Aussteller beflügelt, sondern der Bevölkerung und den Besuchern die Möglichkeit zum kulturellen und oft auch interkulturellen Austausch geboten. Dieses einzigartige Fest für alle Sinne ist mit keiner anderen Kulturveranstaltung auf der Welt zu vergleichen.

Buchmesse der Rekorde Im Jahr 2013 konnte das Kubanische Buchinstitut (ICL) schon vor Beginn der Messe Rekordzahlen bekanntgeben. Allein die 40 inländischen Verlage waren mit mehr als tausend Titeln präsent. Insgesamt konnten die Besucher aus rund 3500 Buchtiteln auswählen. Vier Millionen gedruckte Exemplare lagen zum Verkauf aus. Die meisten davon waren in nationaler Währung erhältlich, für (umgerechnet) zwischen fünf und 70 Eurocent, denn in Kuba wird mit Kultur kein Geschäft gemacht. Nur einige ausländische Aussteller konnten – ohne eigenes Verschulden – die Regeln der marktwirtschaftlichen Ordnung, aus der sie kommen, für ihr Angebot auch hier nicht außer Kraft setzen und verlangten konvertible Pesos (CUC). Für kubanische Besucher, die sich für deren Angebote interessierten war es natürlich bedauerlich, dass ihr Informations- oder Unterhaltungsbedürfnis wegen des Kaufpreises für Bücher nicht gestillt werden konnte, andererseits ergab sich ein guter Anknüpfungspunkt für Diskussionen über Zugang und Ausschluss großer Teile der Bevölkerung vom Kulturbetrieb.

Eröffnung und Ehrung der fünf Helden

Am 14. Februar wurde die 22. Internationale Buchmesse Cuba 2013 mit einer feierlichen Zeremonie in Hof der historischen Festungsanlage Fortaleza de San Carlos de la Cabaña an der Hafeneinfahrt Havannas eröffnet. Nach einer musikalischen Einstimmung mit dem in ihrer Heimat populärem Volkslied »Tata Kumati« durch das Duo Canhoto aus Angola, dem diesjährigen Partnerland, wandte sich ICL-Präsidentin Zuleica Romay an die geladenen Gäste: »Wir freuen uns auf die Begegnung mit über 700 Schriftstellern, Künstlern und Intellektuellen aus 40 Ländern, die uns während der Veranstaltungen in unserem Bruder-Land besuchen und ganz besonders auf die Gäste aus Angola, die diese Messe durch ihre Teilnahme unvergeßlich machen werden.« Mit Angola war zum ersten Mal ein afrikanisches Land als Ehrengast geehrt worden.

Gewidmet war die diesjährige Messe dem in Uruguay geborenen aber seit 1969 ständig in Havanna lebendem Schriftsteller Daniel Chavarria, Träger des Nationalpreises für Literatur 2010 und dem Nationalpreisträger für Sozialwissenschaften des gleichen Jahres, Pedro Pablo Rodríguez. Beide durften die Messe, nach Begrüßung der Gäste durch die ICLPräsidentin, offiziell eröffnen.

Auch Chavarria wandte sich zunächst an die Angolanische Delegation. »Fühlen Sie sich in Kuba auf heimatlichem Boden«, sagte er und erklärte dann: »Ich selbst bin in von diesem Land aufgenommen worden, als ich Schutz bedurfte, weil ich für die Prinzipien der Wahrheit und Gerechtigkeit eingetreten bin, für die die kubanische Revolution steht. José Martí und Fidel haben immer gelehrt, dass Menschen, die für die Befreiung kämpfen, auf der ganzen Welt eine Heimat haben.«

Auch Pedro Pablo Rodríguez verneigte sich vor dem Beispiel José Martís, nannte ihn, dem diese Messe zum 160. Geburtstag ebenfalls gewidmet war, den »ehrenvollsten Gast von allen«, begrüßte die Repräsentanten Angolas, »vom Kontinent unserer aller Vorfahren« und widmete seine Worte schließlich den fünf in den USA inhaftierten Antiterroristen, »die ihre Freiheit gegeben haben, um ihr Volk zu beschützen«. Dann referierte er über die derzeitigen »notwendigen« Aktualisierungen des Gesellschaftssystems und appellierte an seine Landsleute, nicht auf »falsche Freunde« hereinzufallen: »Wer uns zu einer Kopie Washingtons oder Europas machen will, raubt unserem Volk Identität und Zukunft. Wir können nur überleben, wenn wir das Original bleiben.«

Dank Angolas an Kuba für die Soldarität

Angolas Kulturministerin, Rosa Maria da Cruz e Silva, begann ihre Ansprache mit einem Appell zur Freilassung der fünf »zu Unrecht in den USA eingekerkerten kubanischen Antiterrorkämpfer«, deren Verhalten sie als »Vorbild für die Jugend der Welt« bezeichnete. Danach lobte sie die historisch enge Beziehung zwischen beiden Ländern: »Unser Volk wird nie vergessen, dass tausende Kubaner ihr Leben für unsere Freiheit gegeben haben.«

Vom kommenden Tag an wurden die Bücher- und Informationsstände in der Festungsanlage vom Publikum gestürmt. Tausende Besucher aus Kuba und aller Welt streiften durch Gänge, zwängten sich in die Eingänge, suchten Information, Diskussion und oft auch nur etwas Spaß und Unterhaltung. Die Vertreter des Netzwerks Kuba und der Solidaritätsgruppen aus Deutschland und den Nachbarländern wurden an einzelnen Tagen regelrecht belagert, mit Fragen über ihre Soli-Arbeit aber auch über die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation in Europa gelöchert.

Zu den prominentesten Besuchern gehörte der Premierminister der Russischen Föderation, Dimitri Medwedew, der die Buchmesse während eines Arbeitsbesuchs auf Kuba am 22. Februar besucht und sich dabei angeregt mit Schriftstellern und Intellektuellen seines Landes, sowie mit kubanischen Kindern und Jugendlichen unterhalten hatte.

Ganz Havanna ist Kultur

Schon Tage vor der offiziellen Eröffnung waren viele Straßen und Plätze im Zentrum der sozialistischen Hauptstadt voll von Bücherständen, Lesebühnen, Straßentheater- Ensembles, lesenden und diskutierenden Gruppen, aber auch von Clowns und von Musikern aller Stilrichtungen. Nicht nur auf der alten Festungsanlage am Hafen, sondern an zahlreichen anderen Orten in der Stadt drehte sich alles um Bücher, Literatur und Kultur. Zahlreiche Initiativen, Organisationen und Gruppen luden zu spannenden Aktivitäten in den Pabellón Cuba, in dessen Café Wichy sich junge Literaten und Medienaktivisten treffen. Auch im Casa de Alba oder im Kulturzentrum Bertolt Brecht in Vedado gab es täglich Veranstaltungen.

Buchmesse 2013

Buchmesse 2013
Foto: Ladyrene Pérez/ Cubadebate




An den bereits vor Messebeginn aufgestellten Büchertischen im Pabellón Cuba zum Beispiel hatten sich viele Menschen schon frühzeitig mit Lesestoff eingedeckt. »Wer weiß, ob die Bücher die mich interessieren, später noch erhältlich sind«, sagte eine Frau, während sie an einem der vielen Stände im Pabellón Cuba zwei Plastiktüten mit Kinderbüchern vollpackte. So wie sie trugen etliche ihre Neuerwerbungen nach Hause oder vertieften sich an einem schattigen Platz gleich in die Lektüre. Obwohl überall große Stapel mit verschiedenen Buchtiteln auslagen, überstieg die Nachfrage oft´das Angebot.





Dass die Kubaner als das lesebegeistertste Volk der Welt gelten, ist nicht nur dem Einfluss des Schriftstellers, Humanisten und Nationalhelden José Martí und dem Sieg der Revolution im Jahr 1959 zu verdanken, sondern sicher auch dem Umstand, dass Bücher hier kein Luxusartikel, sondern für jeden erschwinglich sind. Die kubanische Angebotsvielfalt zieht von Jahr zu Jahr mehr Gäste aus dem Ausland an, die hier eine Alternative zum kommerzialisierten Kulturbetrieb in ihren Heimatländern finden. Die größten Besuchergruppen kamen nach Auskunft des Kubanischen Buchinstituts ( ICL ) in diesem Jahr aus Mexiko, Argentinien, Chile, Spanien, Italien und den USA. Unter den Ausstellern waren neben den traditionell gut vertretenen befreundeten Staaten Venezuela und Ecuador aber auch Russland und natürlich das Gastland Angola stark präsent.

Nationalpreis für Padura

Am 17. Februar gab es eine Einladung zur Preisverleihung. In Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste aus Literatur, Kunst, Kultur und Politik überreichte die Vorsitzende des Kubanischen Buchinstituts (ICL), Zuleica Romay, den Nationalpreis für Literatur 2012 an den Schriftsteller Leonardo Padura. Der seit seiner Kindheit in Havannas Arbeiterviertel Mantilla lebende 57-jährige war im Dezember letzten Jahres unter 18 Bewerbern ausgewählt worden. Die höchste literarische Auszeichnung des Landes wird seit 1983 jährlich an Autoren verliehen, deren Arbeit das kulturelle Erbe und die Literatur Kubas in herausragender Weise bereichern. »Das ist für mich die wichtigste Auszeichnung meines Lebens«, sagte Padura bei der feierlichen Preisverleihung im Saal Nicolás Guillén der alten Festungsanlage. Der im In- und Ausland derzeit meistgelesene Autor der sozialistischen Karibikinsel ist bereits Träger einer Reihe nationaler und internationaler Literaturpreise. »Ich fühle mich in erster Linie als kubanischer Schriftsteller, der aus Liebe und Verbundenheit zu seinem Land, dessen Geschichte und Erfolge, auch das, was nicht gut läuft, offen beim Namen nennt«, betonte der Geehrte in seiner Danksagung, die er mit einem Versprechen beendete: »Ich werde immer der bleiben, der ich bin, in meinem Haus in meinem Viertel Mantilla mit meiner geliebten Frau Lucía und meinen beiden Hunden leben und meine Stadt Havanna wie immer zu Fuß, mit dem Bus oder mit meinem chinesischen Fahrrad durchstreifen. Daran werden weder Reisen in ferne Länder noch die ehrenvollsten Preise etwas ändern.«

Tour durch alle Provinzen

Nach der Abschlußveranstaltung in den Cabañas am 24. Februar, dem Jahrestag der Wiederaufnahme des Unabhängigkeitskrieges unter der Führung des Nationalhelden José Marti vor 118 Jahren, zog die Buchmesse von Havanna aus durch alle Provinzen, bis sie am 10. März in Santiago de Cuba beendet wurde. Wie in jedem Jahr lautete das Motto »Lesen heißt wachsen«. Wer dies und das Fest der Kulturen für alle Sinne einmal selbst erleben möchte, sollte sich frühzeitig über Angebote zur 24. Internationalen Buchmesse Cuba 2014 informieren, die im kommenden Jahr dem Gastland Ecuador gewidmet sein wird. Es lohnt sich.

Logo CUBA LIBRE Volker Hermsdorf

CUBA LIBRE 2-2013