»Eine andere Welt ist möglich«

Der Kampagnenkalender der Freundschaftsgesellschaft

Interview mit Renate Fausten

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba
Die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba hat 2013 zu ihrem »Kampagnenjahr« der Solidarität mit Kuba erklärt. Was verbirgt sich dahinter?

In jedem Monat wird es ein oder zwei Termine geben, die in der ein oder anderen Weise einen Bezug zu Kuba haben. Die wollen wir nutzen, um zu diesen Themen Veranstaltungen zu machen, Aktivitäten zu entwickeln.

Wie müssen wir uns das vorstellen? Kannst du ein Beispiel nennen?

Nehmen wir den Juni. Am 1. Juni etwa ist der Weltkindertag. In der reichen Bundesrepublik lebt ein nicht unerheblicher Teil der Kinder inzwischen in Armut. In Berlin z. B. bekommen täglich 6000 Schüler eine Armenspeisung, weil sie sonst nichts Warmes zu essen hätten. Jugendzentren werden geschlossen, es gibt zu wenig Kitaplätze usw. usf. Ganz anders die Situation in Kuba: Dort hat jedes Kind einen kostenlosen und universellen Zugang zu Bildung, Das fängt schon mit dem Kindergartenplatz an. Und selbstverständlich bekommen die kubanischen Kinder kostenloses Essen. Darauf wollen wir aufmerksam machen.

Wie könnte das aussehen?

Vieles bezüglich der Kindereinrichtungen hier wird in den Rathäusern entschieden. Warum also zum Beispiel nicht eine öffentliche Aktion vor dem Rathaus, bei der man zum Beispiel die Menschen über diese Unterschiede aufklärt. Was passiert noch im Juni? Am 4. Juni ist der Geburtstag von Gerardo Hernández, einem der Fünf kubanischen Antiterroristen, die widerrechtlich seit 14 Jahren in den USA festgehalten werden, weil sie Terroranschläge auf Kuba verhindern wollten. Wir werden natürlich Geburtstagsgrüße schicken und sicherlich wird die ein oder andere Regionalgruppe auch den Film »Mission gegen den Terror« zeigen. Der Dokumentarfilm von Bernie Dwyer und Roberto Ruiz zeichnet das Leben der Fünf nach und berührt durch die Interviews mit den Familienangehörigen. Außerdem existiert ein Text mit fiktiven Interviews mit den Fünf, die sowohl unterhaltsam als auch informativ alle Zusammenhänge dieses Falls deutlich machen.

Klingt nach einigen Anstrengungen…

Ja, aber ich bin sicher, dass wir bei den verschiedenen Aktion auch andere Mitstreiter finden werden. Andere fortschrittliche Organisationen oder Einzelne sind herzlich eingeladen, sich zu beteiligen und die Aktionen gemeinsam mit uns zu machen.

Wie kam es zu der Idee?

Wir sehen das als Teil der politischen Solidarität mit Kuba, eine der wichtigsten Aufgaben der Kuba-Solidarität. Wir wollen die Aktivitäten im Rahmen unserer Kampagne nutzen, um über Kuba zu informieren, der Desinformation und dem Verschweigen durch die Mainstream-Medien etwas entgegenzusetzen.

Was wird denn da in der Presse verschwiegen ? Was sollen die Menschen in der Bundesrepublik mittels der Kampagne über Kuba erfahren?

Es ist doch so: Kuba ist ein Entwicklungsland. Es hat aber – und das trotz der Sonderperiode, in der der Außenhandel wegen des Zusammenbruchs der sozialistischen Staaten fast komplett weggebrochen ist und trotz der Blockade durch die USA – Großartiges erreicht. Da ist z. B. das kostenlose, barrierefreie Bildungs- und Gesundheitssystem, da ist die solidarische Hilfe Kubas mit so vielen Ländern der Welt. Kubas Ärzte ermöglichen in vielen Ländern erst eine medizinische Versorgung der Bevölkerung und ohne »yo sí puedo«, der kubanischen Methode der Alphabetisierung, wären viele noch Analphabeten. All dies erfährt man in deutschen Medien, bis auf wenige Ausnahmen wie die junge Welt, nicht. Es wird kein realistisches Kubabild gezeichnet.

Was würde denn dazu gehören?

Kuba besteht weder ausschließlich aus Sonne, Rum und Son (auch das ist eine Verzerrung), noch ist es der Ort, zu dem es deutsche selbsternannte Menschenrechtsapostel mit ihrer selektiven Sicht der Menschenrechte machen – und die reichen von der rechtskonservativen IGFM bis hin zu den Grünen. Es ist ein Land, in dem die Menschen mit Würde versuchen, ihren eigenen Entwicklungsweg zu gehen, direkt vor der Haustür der USA, die dieses, wo es geht, zu torpedieren versuchen. Ich wohne in Duisburg. Wenn man sich hier im Ruhrgebiet zu Kuba äußert, müsste man auch feststellen, das z. B. die Kindersterblichkeit in Kuba mit 4,7 auf 1000 Geburten um einiges niedriger ist als Gelsenkirchen, das eine Kindersterblichkeit von 8,7 hat. Aber das findet man in keiner Zeitung.

Betrifft das nur den Boulevard oder auch die sogenannten Qualitätsmedien?

Nein, auch diese beteiligen sich an der Desinformation und den Hetzkampagnen gegen Kuba (CL berichtete). Krasses Beispiel in sogenannten seriösen Medienformaten war Ende letzten Jahres eine Kultursendung über die Karibik mit Dieter Moor und Jakob Strobel y Serra, Reisejournalist der F.A.Z. Er durfte – von Moor unwidersprochen – fabulieren, dass der Sozialismus und Fidel persönlich Schuld an der Prostitution seien. Das ist an Zynismus nicht zu überbieten. Jeder weiß, dass Kuba vor der Revolution das Bordell der USA war und welche Anstrengungen die revolutionäre kubanische Regierung seitdem unternommen hat, die Ursachen dafür zu beseitigen und dies einzudämmen. So sieht also Qualitätsjournalismus in Sachen Kuba hier in Deutschland aus. Und genau hierzu wollen wir mit unserem Kampagnenkalender einen Kontrapunkt bilden.

Nicht ganz einfach gegen die Medienmacht anzukommen, oder?

Sicher nicht. Und wir glauben auch nicht, so ohne weiteres gegen die Informationspolitik millionenschwerer Medienkonzerne anzukommen. Doch wir wollen mit Veranstaltungen und Aktionen – auch gerade mit anderen – eine Gegenöffentlichkeit aufbauen. Und das kann jeder einzelne unterstützen.


Logo CUBA LIBRE Das Interview führte Marion Leonhardt

CUBA LIBRE 1-2013