Fidel Castro: »Der strategische Sieg«

Interview mit Ingo Höhmann

Es gibt mehrere Bücher zu den Anfängen der Kubanischen Revolution und Biographisches zu Fidel Castro. Was unterscheidet dieses Buch von den anderen ?

Das Buch umfasst einen Zeitraum von 72 Tagen, der zu einer Wende im bewaffneten Kampf führte. Die detaillierte Darstellung der Kampfhandlungen verleiht ihm den Charakter eines militärischen Fachbuches. Für den interessierten Leser ist es unumgänglich, sich im Vorfeld mit bestimmten militärischen Begriffen zu befassen. Die Streitkräfte Kubas waren ein Instrument der nordamerikanischen Unternehmen und der kubanischen Großbourgeoisie.

Wie schaffte es Fidel Castro trotzdem, militärisch erfolgreich zu sein?

Wie alle Streitkräfte Lateinamerikas zu diesem Zeitpunkt, hatte auch die kubanische Armee vorrangig eine innere Funktion. Sie waren es gewohnt Polizeiaktionen gegen einen meistens unbewaffneten Gegner durchzuführen, Streiks und Demonstrationen usw. niederzuschlagen. Da bleibt es natürlich nicht aus, dass das militärische Ausbildungsniveau auf der Strecke bleibt. Gar nicht zu reden von der Herausbildung einer gefestigten Kampfmoral, die lebensnotwendig für eine Armee ist. Castro wusste um die Mängel des Gegners. Und er nutzte sie aus. Ihm wurde und wird ja oft vorgeworfen, dass seine Entschlüsse abenteuerlich und von Wunschdenken geleitet waren: Die Moncada mit 120 Mann angreifen, wo 2000 Soldaten stationiert waren. Mit 82 Mann in Kuba landen, wo es zu diesem Zeitpunkt eine Berufsarmee von ca. 90 000 Mann gab. Alle diese Aktionen waren sorgfältig geplant und hatten durchaus Chancen, erfolgreich zu sein. Der Übergang zum Guerillakampf war eine Reaktion auf das missglückte Landungsunternehmen mit der Granma. In diesen Kämpfen bildete sich der Kern des zukünftigen Rebellenheeres heraus: Hoch motiviert, gut ausgebildet, diszipliniert und gut geführt. Eigenschaften, die die Regierungstruppen zu keinem Zeitpunkt hatten.

Welche Bedeutung hatte die Unterstützung der Rebellenarmee durch die Bauern ?

Eine Guerillabewegung kann nur existieren, wenn sie von der örtlichen Bevölkerung unterstützt wird. Außer logistische Unterstützung ist auch der moralische Faktor zu nennen. Der Guerillakämpfer hat nicht aus Spaß zur Waffe gegriffen. Er kämpft für eine bessere Gesellschaft. Die Bauern in der Sierra hatten das begriffen und unterstützten die Rebellen in jeder Hinsicht. Das hatte dann natürlich wieder positive Auswirkung auf die Kampfmoral der Guerilla.

Was war aus deiner Sicht die überraschendste Information bei der Lektüre des Buches ?

Überraschend für mich war, dass sich hauptsächlich während der Kämpfe gefangengenommene Offiziere der Revolution anschlossen.

Warum hat Fidel das Thema der Offensive aufgegriffen ?

Eine Offensive war nötig und möglich. Fidel erkannte die Möglichkeit, den Krieg kurzfristig und siegreich zu beenden. Die zweite Option, Weiterführung des klassischen Guerillakampfes, hätte den Krieg verlängert mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Er verfuhr nach der militärischen Regel: Die kühnsten Entschlüsse sind die erfolgreichsten.

Mit welchen taktischen Mitteln hat Fidel versucht, die Strategie durchzusetzen ?

Fidel kombinierte klassische militärische Taktiken mit der Partisanentaktik. Die Rebellen verstanden es, in der Anfangsphase der Offensive des Gegners, durch einen hinhaltenden Verteidigungskampf, ihn in seinen Bewegungen zu behindern bzw. zu verlangsamen. Das schaffte den notwendigen Zeitgewinn, um in der Tiefe der Verteidigung des Rebellengebietes gut vorbereitete Hinterhalte anzulegen. Eine typische Kampfart von Guerillas. Mit ihrem weiteren Vordringen überdehnten die Regierungstruppen ihre Versorgungslinien. Die eingenommenen Ortschaften erwiesen sich für sie als Fallen. Sie wurden von den Rebellen eingeschlossen. Wozu sich der Gegner auch immer sich entschloss: Ausbruch, Warten auf Entsatz oder Verteidigung – sie hatten keine Chance. Nachdem der Feind hinreichend zermürbt war, wurde er aus dem Rebellengebiet vertrieben. Die Regierungstruppen haben sich von dieser Niederlage nicht wieder erholt. Der Kampf wurde aus der Sierra in die Ebene getragen. Vier Monate später rückte die Rebellenarmee in Havanna ein.

Fidel Castro - Der strategische Sieg Was können wir für die Gegenwart aus den Anfängen der kubanischen Revolution lernen ?

Keine Revolution kann bis ins Detail kopiert werden. Aber es gilt Voraussetzungen zu schaffen, die überall gleich sind. Die heißen: Konkrete Bestimmung des Zieles, Schaffung einer effizienten Kampforganisation, Disziplin, Verbindung zu den Volksmassen, keine Illusionen über den Gegner und der unbedingte Wille zum Sieg. Da sind wir in Deutschland leider Lichtjahre von entfernt. Hier muss einiges getan werden, um erst einmal dem fehlenden Bewusstsein ein Ende zu bereiten.

Fidel Castro
Der strategische Sieg
Erinnerungen an die Revolution
ISBN 978-3-355-01800-5, 29,95 €


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CUBA LIBRE 1-2013