Aus der CL-Redaktion

Nachdem zur »Affäre« um den Leserbrief des FG-Mitglieds Bernd P. vereinsintern schon mehrere Senfe abgesondert wurden, will ich auch noch meinen hinzugeben.

Jemand in der Debatte meinte, Schreiber eines Leserbriefes an die CL hätten quasi ein garantiertes Anrecht auf eine Antwort.

Das käme meines Erachtens freilich darauf an, wie man »Antwort« definiert.

Ist darunter so etwas zu verstehen wie das, was ich selber kürzlich von der NZZ erhielt: die Mitteilung, man bedanke sich recht herzlich für das zugesandte Material, könne einen Abdruck jedoch nicht verbindlich zusagen? Antwort als Zurkenntnisnahme? Ist das gemeint? Das sollten wir in der Tat gewährleisten können! Ich fürchte indes, es ist den Schreibenden eher um inhaltliche Auseinandersetzung mit ihrem Brief zu tun.

Na, fein. Im vorliegenden Fall geht es um Ahmadinedschad und Nordkorea vor dem Hintergrund von Aufklärung und Demokratie; um Nahrungsmittelknappheit trotz fruchtbaren Bodens sowie gesellschaftliche Ungleichheit durch doppelte Währung und die Preise für Elektrogeräte. Wer also nimmt sich ein, zwei Tage frei für die gebührende Replik auf diesen Leserbrief? You see what I mean?

Millionen Leserbriefe landen im Limbo, kreisen sozusagen als Weltraumschrott im Orbit. Ich musste erst mal Mitglied in der Redaktion einer kleinen Quartalszeitschrift werden, um irgendwas von mir gedruckt zu sehen!

Warum der Brief dieses Bernd nicht veröffentlicht wurde? Er hatte möglicherweise nur das Pech, an einer Bruchstelle zur radikalen Neuorientierung der CL zugeschickt worden zu sein, als die frühere Leitung die Verantwortung in andere Hände übergab und diese hunderterlei Dinge zu tun hatten, um einen Fehlstart zu vermeiden.

Er ist vielleicht auch gelesen worden und dann durchs Raster gefallen. So was passiert. Es passiert in jeder Redaktion. Und – auf die Gefahr hin, dass das jetzt arrogant klingt (es ist nicht arrogant gemeint) – auch wir nehmen für uns das Recht in Anspruch, auswählen zu dürfen, und das nicht etwa, weil wir uns »dogmatischem Einheitsgeschwätz, unkritisch und beschönigend« hingeben wollen (das tun wir schon ziemlich lange nicht mehr), sondern weil wir der Ansicht sind, auch Kommentare, die in Boxhandschuhen daherkommen, sollten redaktionell irgendwie passen.

Bernd P. kokettiert ein wenig damit, sein Beitrag könne als »konterrevolutionär« angesehen werden. Ich bin durchaus nicht der Meinung, dass Bernd P. ein Konterrevolutionär ist, glaube aber, seine Kritik ist allzu diffus, als dass man sie als Diskussionsgrundlage für die Basis der FG veröffentlichen müsste.

Eine (knappe) Mehrheit in der Cuba-Libre-Redaktion sprach sich für einen nachträglichen Abdruck des Briefes aus, und ich, der ich demokratische Entscheide akzeptiere, hoffe, dass Bernd P. in Zukunft nur noch von mir enttäuscht sein wird und nicht mehr vom ganzen Team.

Ulli Fausten


Leserbrief


Liebe Cuba-Freundinnen und Freunde,

schon lange mal möchte ich einen Leserbrief schreiben und immer wieder habe ich mir gedacht, was solls, bringt eh nichts.

Ich war 6 mal auf meiner Insel und habe von West bis Ost viele Menschen getroffen und gesprochen und kann mir, glaub ich, ein Bild machen. Habe in diesen Jahren auch die wirklichen Verbesserungen gesehen. Habe aber auch viel gesehen und gehört, was zu ändern wäre. Was mich am meisten frustriert, ist die Resignation vieler Kubanerinnen und Kubaner. Manche glauben, die revolutionären Alten an den wichtigen Positionen seien nicht fähig wirklich was zu verändern. (Die vielen Menschen, mit denen ich im Lauf der Jahre gesprochen habe, sind keine Agenten des Imperiums, kein einziger w¨nschte sich eine Rückkehr zu vorrevolutionären Zuständen …)

La moral de la revolución esta tan alta como las etrellas. Fidel (Wandspruch in La Habana)

In »cuba libre« lese ich oft nur das dogmatische Einheitsgeschwätz, unkritisch und beschönigend.

Als fester Freund Kubas darf man, ohne bevormunden zu wollen, doch wohl Kritik üben, ohne als Besserwisser zu gelten. Vielleicht mal 3 Punkte, die wir doch mal diskutieren sollten.

Wer der Feind meines Feindes ist, ist mein Freund. Trauerbeflaggung wegen Nordkorea, Staatsbesuch des Freundes Ahmadinedschad … Wo bleiben da die Ideale von Aufklärung und Demokratie?

Die US-Blockade ist Schuld an Allem.

Kuba hat Handelsbeziehungen zu Ländern von Kanada bis Spanien, von Venezuela bis China. Vielleicht suchen wir die Schuld für vieles mal bei uns in Kuba selbst.

Wenn die Lebensmittelversorgung bei so einem fruchtbaren und klimatisch begünstigten Land nicht weitgehend abgedeckt werden kann, wo dann …?

(Tabak, Nickelabbau, bald reicher Ölsegen, Tourismus und die Überweisungen von Kubanern im Ausland, das sollte doch auch etwas bringen, ja ich weiß: Bildung, Krankenversorgung, Kultur, Infrastruktur usw. kosten viel Geld.)

Eine Rentnerin hat umgerechnet 4 bis 6 Dollar, eine Ärztin höchstens 25 Dollar im Monat. Ein Touri-Drink kostet 3 Pesos Convertibles (3 Dollar) könnte man ja auch mal drüber reden! Was kosten noch mal Elektrogeräte?

Bitte diskutiert doch auch mal das, was die Freunde in Kuba wirklich betrifft.

Solidarität heißt zuhören und solidarische Kritik üben, ohne zu bevormunden und alles besser zu wissen.

Viva Cuba Bernd


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CUBA LIBRE 4-2012