Im März 2012 besuchte eine Delegation der Freundschaftsgesellschaft das Centro Nacional de Capacitación de la Asociación Cubana de Limitados Físico-Motores (ACLIFIM, Nationales Fortbildungszentrum des Verbandes für Menschen mit Körperbehinderungen) am Stadtrand von Havanna.
Foto: Manfred Bienert |
Wir trafen dort mit der Vorsitzenden, Mabel Ballesteros, dem stellvertretenden Vorsitzenden, Osvaldo Hidalgo, der Leiterin des Zentrums, die alle selbst von einer Behinderung betroffen sind, sowie der Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit, Esther P. Roque, zusammen.
Im Mittelpunkt des Besuchs stand die Überreichung einer weiteren Spende der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba für die Arbeit des ACLIFIM, wofür sich die anwesenden VertreterInnen des Verbandes herzlich bedankten.
Die Aufgaben des Centro Nacional de Capacitación de la ACLIFIM
Es hat Platz für zur Zeit rund 150 Gäste, die sich dort wochen- oder auch monatsweise aufhalten und fortbilden können. Ein geplanter Umbau wird diese Zahl zwar senken, aber einen höheren Komfort bieten. Inhaltlich wird dort vor allem die Aufgabe wahrgenommen, verschiedenste Reha-Maßnahmen durchzuführen, z. B. das Fahren im Rollstuhl und die Überwindung von Stufen, aber auch die berufliche Umschulung bzw. Weiterqualifikation (u. a. Bildschirmarbeit). Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Motivationsschulung von Menschen, die – z. B. durch einen Unfall – erst seit kurzem von einer Behinderung betroffen sind. Daneben wird großer Wert auf künstlerische Betätigung gelegt wie Musik, Theater, Bildhauerei und Malerei.
Centro für ganz Kuba
Rund 500 Betroffene aus allen Provinzen Kubas frequentieren pro Jahr das Zentrum.
Die baulichen Einrichtungen des Zentrums werden regelmäßig durch Arbeitsbrigaden aus den Provinzen erweitert und renoviert. Demnächst sollen der Gemüsebau erweitert und Einrichtungen für die Haltung von Schweinen und Hühnern geschaffen werden, um die Küche des Zentrums kostengünstig mit Lebensmitteln zu versorgen.
Foto: Manfred Bienert |
Kontinuität trotz Schwierigkeiten
Stolz erzählten die GesprächspartnerInnen, dass ACLIFIM am 14. 3. 2012 sein 32-jähriges Jubiläum feiern würde. Die Arbeit des Verbandes konnte trotz der großen wirtschaftlichen Einschränkungen des Landes in der Período especial kontinuierlich fortgesetzt werden. Auch im schwierigen Jahr 2011 konnte seine gesamte Struktur aufrechterhalten werden.
Zur Zeit findet ein Wettbewerb für plastische Kunst und Malerei statt, der mit einem Festival beendet werden wird. Am 21. März findet die Jahresversammlung mit Delegierten aus allen Provinzen statt.
ACLIFIM in Zahlen
ACLIFIM hatte als Verband der Menschen mit Körperbehinderungen im Jahr 2011 78 433 Mitglieder, davon 43 % Frauen und 57 % Männer. Hier gibt es zwei große Gruppen: Ca. 86 % mit Lähmungserscheinungen der Extremitäten und 14 % mit Amputationen. Unter den Mitgliedern befinden sich 4 628 Kinder, von denen 61 % Jungen und 39 % Mädchen sind. |
Neue Chancen für ACLIFIM durch Aktualisierung des Sozialismus
ACLIFIM ist eine Selbsthilfeorganisation ohne staatliche Lenkung und schließt Lücken, die die staatliche Wohlfahrt nicht ausreichend abdeckt. Der Etat der nationalen Leitung setzt sich aus den Mitgliedsbeiträgen und Zuschüssen aus dem für ACLIFIM zuständigen Gesundheitsministerium zusammen, das vor allem die Löhne der Angestellten übernimmt.
Mit der Umsetzung der »lineamientos« kann der Verband mit mehr Selbstständigkeit und Eigenverantwortung handeln und wirtschaften. So müssen jetzt zum Beispiel Verträge mit Zulieferern und Dienstleistern direkt und bilateral abgeschlossen werden, wobei die knappen Ressourcen so effektiv wie möglich eingesetzt werden müssen, was in Zukunft regelmäßig geprüft wird.
Zur Integration der Mitglieder in reguläre Arbeitsverhältnisse vereinbart ACLIFIM einen Aktionsplan mit dem Arbeitsministerium auf nationaler, provinzialer und kommunaler Ebene, über dessen Umsetzung Rechenschaft abgelegt wird. Um den Handlungsbedarf zur Verbesserung der sozialen und ökonomischen Lage der Menschen mit Körperbehinderungen zu identifizieren, wird eine nationale Erhebung durchgeführt. Die Spenden der FG ( u. a. ) werden vor allem in den Provinzorganisationen verwand, die eine Unterstützung am dringendsten benötigen.
Nächste Aufgaben
Nach Informationen unserer GesprächspartnerInnen besteht in Kuba ein jährlicher Bedarf von etwa 4000 Rollstühlen. Der Bedarf kann nicht vollständig gedeckt werden, da im Land nur rund 3000 Rollstühle aus importieren Komponenten zusammen gesetzt werden. Die Beschaffung von Spezialrollstühlen erfolgt meistens über spendenfinanzierte Importe.
Große Defizite gibt es noch im barrierefreien Städtebau; sogar bei der Sanierung der Altstadt von Havanna wurde bislang nur ein einziger Platz, der Plaza San Francisco, behindertengerecht restauriert. Obwohl die Gesetzgebung hier sehr weit fortgeschritten ist, hinkt die Praxis weit hinter her. Es fehlt an Bewusstsein bei der Erstellung von Gebäuden und im Straßenbau. Die kommende Delegiertenversammlung wird das zum Thema machen, um dann die Vorschläge in die zuständigen lokalen Instanzen hinein zu tragen.
Manfred Bienert, Christian Schüler, Gunnar Siebecke
CUBA LIBRE 3-2012