Besuch auf einem Bauernmarkt in Santiago

Bei einem Besuch von Santiago hatten wir die Gelegenheit, einen der drei großen Bauernmärkte der Stadt – die insgesamt 32 Märkte hat – zu besuchen.

Bauernmarkt, Santiago de Cuba Unser Gesprächspartner war der Marktleiter, Frank Hierrozuelo Betancourt. Hier erfuhren wir Genaueres zur Organisation der Märkte und den ersten Auswirkungen der lineamientos:

Die großen Märkte müssen nun täglich mindestens 30 verschiedene Produkte anbieten, die Öffnungszeiten sind täglich von 8.00 – 12.00 und 14.00 – 16.00 Uhr, außer montags. Die Infrastruktur, das Personal und Management sind staatlich. An Kleinbauern und Genossenschaften werden Stände für den Verkauf der Überschüsse ihrer Produktion vermietet. Dafür werden Gebühren in Höhe von 7 % des Umsatzes erhoben, 3 % gehen an den Markt und 4 % an den Staat.

Wie die Waren zum Markt kommen

Der Markt fährt morgens mit dem LKW die großen Produzenten wie Genossenschaften und staatliche Betriebe ab und kauft dort die Waren ein. Kleinproduzenten müssen selber sehen, wie ihre Waren zum Markt kommen. Dies gilt für Gemüse im Umkreis von ca. 10 km, für Knollenfrüchte wie Maniok, Süßkartoffeln und Kartoffeln im Radius von ca. 30 km. Gleiches gilt auch für Kleinvieh, jedoch nicht für Rinder und Pferde !

Beim Rindfleisch gibt es nach wie vor eine relativ geringe Produktion, die nicht frei geschlachtet, sondern nur an den Staat verkauft werden darf. Es wird nach festgelegten Kriterien separat verteilt: Vorrang haben z. B. Menschen, die eine bestimmte Diät einhalten müssen, Krankenhäuser und touristische Einrichtungen. Für die Bevölkerung ist es richtig schwierig, legal an Rindfleisch zu kommen.

Grundlage aller Lieferungen der Produzenten nach der Aufstellung der lineamientos ist eine Formalisierung aller Produktions- und Vermarktungsschritte per Vertrag, die im Gegensatz zu früher genauer spezifiziert werden.

Beispiel: Früher wurden so und soviel Zentner Knollenfrüchte festgelegt; nicht aber, welche und nicht, wann sie zu liefern sind. Dies führt heute zu einer wesentlich kontinuierlicheren Belieferung der Märkte im Gegensatz zu früher.

Was hat sich noch geändert?

Was haben die lineamientos noch im täglichen Leben gebracht ? Neben dem legalen Direktverkauf der Produzenten konnten wir die großen Preistafeln sehen, an denen die Preise aller Produkte angeschlagen waren, die für die staatlichen Stände verbindlich sind. Gleichzeitig – so sagte man uns – schwanken die Preise bei den privat verkauften Überschüssen relativ stark, jedoch konnten wir am Tag unseres Besuches hier keine großen Unterschiede feststellen. Und noch eines ist natürlich neu: Durch die »Abgabenordnung« der Märkte kommen erstmals Steuereinnahmen an den Staat.

Die Bauernmärkte haben sichtlich zu einem wesentlich verbesserten Angebot geführt, jedoch erschienen die Preise in Bezug zum Familieneinkommen recht hoch.

Logo CUBA LIBRE Manfred Bienert, Christian Schüler, Gunnar Siebecke

CUBA LIBRE 3-2012