Es wäre schon wünschenswert, wenn die Visite des Papstes in Cuba mehr gebracht hätte als die statistisch ermittelten 48 214 zusätzlichen Touristen im Vergleich zum 1. Trimester 2011, die man immerhin zum Teil mit dem klerikalen Event erklärte.
Kann man das Ereignis schon deshalb einen Erfolg nennen, weil die deutschen Medien mit ihm unzufrieden waren? Man könnte in Versuchung kommen, das zu tun. Die WAZ nannte den Papstbesuch in Cuba merklich angesäuert »staatstragend«. Was hatte sie denn erwartet ? Dass Benedict XVI ein Dutzend weißgewandeter Frauen, die allwöchentlich – gegen harte Währung – in Havanna rituelle Walks »für die Menschenrechte« veranstalten, höher schätzen würde als die Chance, in Cuba einen pastoralen Fuß in die Tür zu kriegen – oder gleich einen pastoralen Oberschenkel? Dass sich auf der Insel seit dem Besuch des polnischen Papstes Johannes Paul II in punkto »offene Kirchenportale« bereits eine Menge getan hat, wird sein deutscher Nachfolger wissen. Darum stießen bei ihm die gewohnten Forderungen der »Demokratiemaschine« auch auf taube Ohren. Josef Ratzinger ist ein zu cleverer Politiker, als dass er unkalkulierbare Risiken eingegangen wäre: Wer (ohne Druckmittel in der Hand zu haben) bei einer »Diktatur« etwas erreichen will, der ist nicht gut beraten, ihr Frechheiten zu machen.
Benedict XVI kommt auf den Platz der Revolution |
Quid pro quo
»Quid pro quo«, so hieß es bei den Lateinern. Ich gebe dir etwas und du gibst mir etwas dafür zurück.
Das hat gut geklappt! Cubas Bedürfnis, sich in der hohen Reputation des päpstlichen Amtes zu sonnen traf sich mit dem Wunsch des Vatikans, in der uneinnehmbaren Festung des Sozialismus weitere Punkte zu sammeln gewissermaßen auf halber Strecke.
Es gab kein Treffen mit den so genannten Dissidenten. Miamis Notorische werden Schaum vorm Mund gehabt haben. Benedicts Statement gegen die Blockade, von dem Kubas Medien sich so befriedigt zeigten, überzeugt mich nicht so richtig. Der Pontifex sagte, die Maßnahme »wiege schwer auf dem Volk«. Was mag er mit der kryptischen Äußerung gemeint haben? Etwa, dass die Blockade an und für sich schon o. k. wäre, wenn sie ausschließlich die gottlose Regierung piesackte ? Wer weiß es ? Jedenfalls wird neben dem 25. Dezember nun wohl auch der Karfreitag Feiertag in Cuba – ursprünglich als »exklusiv für nächstes Jahr« bewilligt, aber wir wissen ja alle, wie das mit der normativen Kraft des Faktischen so ist.
Foto: Estudios Revolución / Cubadebate |
Katholizismus auf dem Vormarsch ?
Ich frage mich indessen, was bei Besuchen künftiger Päpste noch auf die Kubaner zukommen könnte: Christi Himmelfahrt? Mariä Lichtmess?
Laut den »staatstragenden« Medien hierzulande besteht die kubanische Bevölkerung zu ca. 80 % aus Katholiken. M. E. ist der »Katholizismus« in Cuba eine ziemlich bunte Mischung aus christlichen Heiligen und ihnen zur Seite gestellten Naturgeistern – plus eine Dosis Fidel und Che, die für viele Gläubige auch ihren Platz in der Transzendenz haben. Es ist aber anzunehmen, dass man Papst Benedict, der schließlich auch nicht mehr der Jüngste ist, mit diesen verstörenden Details vor dem Antritt der Reise weitgehend verschonte.
Raúl Castro empfing Benedict XVI im Palast der Revolution |
Benedict ist Castro dankbar
Er wird sich in Kuba gewiss wohlgefühlt haben. Wenn er in einer schriftlichen Note, die er noch auf seinem Rückflug nach Italien absetzte, sagte, er erneuere seine Dankbarkeit Raúl Castro und den zivilen Stellen sowie den Priestern und Gläubigen gegenüber für unzählige Zuneigungsbeweise, die er empfangen habe, dann gibt es keinen Grund, an der Aufrichtigkeit seiner Worte zu zweifeln. Er entsprach auch der Bitte des Maximo Lider zu einem Treffen in der Nuntiatur von Havanna. Laut dem Vatikan-Sprecher Federico Lombardi war die halbstündige Zusammenkunft »sehr herzlich«, und wenn man die Fotos sieht (auf denen es Fidel in fast unheimlicher Art gelingt, wie ein ehrwürdiger Franziskanerpater auszusehen), so glaubt man auch das.
Zwei offizielle Auftritte des Papstes fanden statt: einer in Santiago vor 200 000 Menschen und einer in Havanna auf der »Plaza de la Revolución« vor 300 000 – was, über den Daumen gepeilt, eine halbe Million in zwei Tagen macht. Ganz gut für ein atheistisches Land. Der eben schon erwähnte Lombardi irritierte mich mit dem Satz, beim apostolischen Besuch des Papstes in Kuba gehe es darum, »gemeinsam eine solidarische Gesellschaft aufzubauen«, war ich doch eigentlich immer der Meinung gewesen, diese hätten sie auf der Insel (anders als in den meisten »zivilisierten« Staaten) schon seit längerem erreicht.
Ich muss jeden enttäuschen, der erwartet, jetzt komme die große Keule, die alles wieder zurecht rückt. Wollen wir, um im Bild zu bleiben, wirklich »päpstlicher sein als der Papst« ?
Wir hatten schon damals Fidel nicht verstanden, als er zu seinen Regierungszeiten Karol Woytila einlud. Man hat es mir seitens des ICAP zu erklären versucht, ohne dass man dadurch wesentlich klüger geworden wäre. Angesichts der unsäglichen Dinge, die »Peter Pan« in den 60ern hervorrief, dachte ich, das Thema Kirche sei durch. Aber anscheinend ist Kuba der Ansicht, um den Bemühungen des vermeintlich freien Westens, das »Regime» zu isolieren entgegenzuwirken, müsse man in den großen Ligen mitspielen (wo vermutlich auch etwas dran ist).
Eine Randepisode des Besuches fand ich ziemlich irre: Vor der Abreise von Santiago nach Havanna besuchte Benedict das Kloster »San Basilio Magno« – eine Niederlassung der Mutter Teresa von Kalkutta. Dort ist die Regel, dass jede einzelne Schwester für einen bestimmten Geistlichen zu beten hat. Er – Ratzinger – traf dort eine Teresa Querquetta, die seit 20 Jahren für ihn betet.
Der Schreiber dieses Kommentars, der selber katholisch sozialisiert und dann mit zunehmendem Alter im Glauben eher lax wurde, muss gestehen: Das hat was ! So eine Ordensschwester, die 20 Jahre lang exklusiv für einen betet, hätte ich auch gern.
Ulli Fausten
CUBA LIBRE 3-2012