Rebellion ist nicht Revolution
Für Mark Weisbrot, einer der Direktoren des Forschungszentrums für Wirtschaft und Politik (CEPR) in Washington, ist Lateinamerika heute unabhängiger von den Vereinigten Staaten als Europa und er sieht diese Unabhängigkeit im Wachsen begriffen.
Tatsächlich hat eine stabilere Wirtschaft in der Region und das wachsende Gewicht Chinas, das bereits der wichtigste Handelspartner Brasiliens und anderer Nachbarn ist, dazu geführt, dass Washington nicht unersetzlich ist.
Nur – wachsendes Selbstbewusstsein und Rebellion sind das eine, Überwindung des Kapitalismus etwas völlig anderes. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg – und auch das hat der Gipfel deutlich gemacht.
SHAKIRA eröffnet den Gipfel
Fidel Castro hat in einer seiner Reflexionen allen wärmstens den Artikel »Echo auf den Amerikagipfel« von Renán Vega Cantor, Professor an der Pädagogischen Universität von Bogotá, empfohlen. Darin geht es um die Idee des philanthropischen Kapitalismus, die beim Gipfel von der Sängerin Shakira vorgestellt wurde. Diese erklärte, dass die Investition in eine frühe Erziehung ein einträgliches Geschäft sei, mit dem man unerwartet hohe Gewinne machen könne. Sie bat die Unternehmer, in Erziehung zu investieren und kritisierte die Idee als antiquiert und obsolet, dass der Staat dafür zuständig sein müsse. (Die Bertelsmann-Stiftung wird Shakira sicher gerne nach Deutschland einladen.) Sie kündigte an, dass sie große Projekte für 6.200 Kinder in verschiedenen Ländern in Angriff nehme. Bei 35 Millionen, ohne Zugang zu Bildung, stellt Vega fest, wäre das Problem von einmal gerade 0,018 % der Kinder des Kontinents gelöst. Man müsste seiner Berechnung nach dauerhaft 5 385 philanthropische Unternehmer finden, um das soziale Problem zu lösen, das bis jetzt nur in Kuba gelöst sei. Die auf dem Gipfel propagierte Idee, in das Bildungsgeschäft zu investieren, um Gewinne zu machen sei nicht neu – aber wie jeder wisse, seien die Träume der Kapitalisten die Alpträume der Völker.
Philanthropischer Kapitalismus – Kapitel II
Am 15. Mai diesen Jahres tritt das Freihandelsabkommen (TLC) zwischen den USA und Kolumbien in Kraft. Damit wird laut Vega die Plünderung der Ressourcen Kolumbiens auf breiter Ebene durchgeführt. Natürlich, wie man behauptet, zum Wohle des Landes. Man müsse den USA dankbar sein, für alle Opfer, die sie für die Kolumbianer bringen würden und weil sie die Güte hatten, dem TLC zuzustimmen, so heißt es offiziell.
In Wirklichkeit aber werde die heimische Landwirtschaft durch den Import von Trash Food zerstört und wie immer bringe der philanthropische transnationale Kapitalismus nur Elend und Schrecken für die Lateinamerikaner mit sich, während die anderen sich deren Reichtümer und Gewinne einsackten.
Lektion III
Die dritte Lektion dieses besagten Kapitalismus betreffen die 50 Millionen Dollar, die die Öffentlichkeit für die Durchführung des Gipfels bezahlen musste. Dazu gehörte auch, dass die Straßen von Cartagena Haus für Haus durchkämmt wurden, um sie von den Armen zu »säubern«. Schließlich sollte Kolumbien ja als ein sicheres Land für Investitionen verkauft werden.
Für Vega ist der Prostitutionsskandal von Obamas Sicherheitsleuten symptomatisch. Im Kleinen wie im Großen werden Land und Leute ausgebeutet. Die Ausbeuter wollen noch nicht einmal dafür bezahlen und erwarten auch noch Dankbarkeit.
Das oben erwähnte Zitat Mark Weisbrots geht weiter: »Vielleicht ist das wichtigste, dass die Menschen der Region für linke Regierungen gestimmt haben, weil sie es können. In der Vergangenheit haben die USA solch friedliche Entscheidungen nicht erlaubt.«
Solange man auf Gipfeln nur rebelliert und das System nicht wirklich gefährdet ist, kann man abwarten und daran arbeiten, dass sich die Dinge wieder ändern. Und wenn alle Stricke reißen – die VI. Flotte steht ja bereit.
Quellen:
»Rebelión de América Latina y el Caribe«, Granma, 15. 4. 2012
»Quién cambió qué ?«, Granma, 1. 5. 2012
»Cuba, la ganadora silenciosa de la Cumbre de las Américas«, cubadebate, 16. 4. 2012
Renán Vega Cantor : »Ecos de la Cumbre de las Américas«, rebelión, 25. 4. 2012
Renate Fausten
CUBA LIBRE 3-2012