Der US-Imperialismus und Lateinamerika

Die imperialistische Positionierung der USA gegenüber Lateinamerika und der Karibik ist prinzipieller und nicht konjunktureller Art. Sie datiert als Imperialismus im bürgerlichen Sinn (Flächenausdehnung, Vormachtstellung, Kolonialisierung, Hegemonieausübung) spätestens von 1823, als James Monroe die später nach ihm benannte Doktrin verkündete, wonach die USA sich gegen europäische Einmischung in »ihrer Hemisphäre« wendeten.

Geduldig Wartende sind keine Verlierer

»Geduldig Wartende sind keine Verlierer«
Lithographie, 1897



Das geschah inmitten der laufenden Unabhängigkeitskämpfe in den lateinamerikanischen Kolonien Spaniens und Portugals. Ebenso wie sieben Jahrzehnte später, als die USA in den kubanischen Befreiungskampf eingriffen, als dieser praktisch schon gegen Spanien entschieden war, boten sich die USA faktisch als Schutzmacht an – aber als eine mit eigenen Interessen. Der »spanisch-amerikanische Krieg« um Kuba war nach Lenin der erste imperialistische Krieg; aber hier hat »Imperialismus« erstmals die Bedeutung, wie sie der marxistische Sprachgebrauch benutzt: die Phase einer Kapitalentwicklung in einer höheren Stufe, wo für das nationale Kapital überlebensnotwendig Absatzmärkte gebraucht werden.

Die folgenden Weltkriege waren Folge dieser Politik im Interesse des Finanzkapitals. Kriege sind in diesem Sinne die eigentliche Ausübungsform des Kapitalismus, Friedenszeiten nur Unterbrechungen dieser Notwendigkeit.

Europa hatte im 19. Jahrhundert in den jungen Nationalstaaten Lateinamerikas noch Einfluss über Großbritannien, verlor diesen aber im 20. Jahrhundert an die USA.



Lateinamerika als Hinterhof

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Rolle der USA weltumspannend; Lateinamerika verkam – von französischen, britischen (Guyana bis 1966) und niederländischen Kolonien abgesehen – vollständig zum US-Hinterhof. Dabei spielte die 1948 gegründete Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) eine politisch-institutionelle Rolle. Zu Gute kam den USA die Haltung der Sowjetunion, die sich nach der gescheiterten Stationierung von Atomwaffen auf Kuba nicht zu einer offensiven Rolle auf dem Subkontinent hinreißen ließ. Mit der Kubanischen Revolution verschob sich das Interesse des US-Imperialismus etwas, bis heute jedoch ist die Einbindung Kolumbiens das Hauptaugenmerk.

ALCA als Projekt der USA

1990 entwickelten die USA ihre »Initiative für die Amerikas«, die – konsequent der in den lateinamerikanischen Ländern seit Mitte der Siebziger Jahre umgesetzten neoliberalen Wirtschaftspolitik folgend – die Einrichtung einer amerikaweiten Freihandelszone (ALCA) vorsah. Mit dem Zerfall der UdSSR waren aus Sicht der USA die von ihnen vorbehaltlos unterstützten Diktaturen Südamerikas nicht mehr notwendig; im Gegenteil störten sie sogar die Interessen der Konzerne, die eine gesellschaftliche Öffnung, allerdings unter neoliberalen Vorzeichen, benötigten. Und in Mittelamerika war dem bewaffneten Kampf aus verschiedenen Gründen der Boden entzogen.

So wurden Maßregeln aufgestellt, nach denen ein nichtinterventionistisches Verhältnis zwischen der Großmacht im Norden und den Nachbarn im Süden vollzogen werden sollte: Regierungswechsel durch Wahlen, Anerkennung der Auslandsschulden, Rolle als Rohstoffexporteur, Nichtinfragestellung der Wirtschaftsordnung. Nur beim letzten Punkt kam es durch den Widerstand der lateinamerikanischen Länder gegen ALCA zu Widersprüchen, die bei den konsequenteren Staaten zur ALBA-Gründung führten.

Viva la Integración

Foto: blog.cubava.cu


ALBA und CELAC als widerständige Antwort auf ALCA

Beim Widerstand gegen ALCA ging es in erster Linie um eine Souveränität der Staaten bei ihren Entscheidungen ( am besten sichtbar heute mit der Gründung der CELAC, in der Kuba den selbstverständlichen Platz einnimmt, der ihm in der OAS vorenthalten wird ), jedoch nicht um eine revolutionäre Überwindung des Kapitalismus, sondern um eine Reduzierung seiner Verfügungsgewalt in seiner neoliberalen Variante.

Entscheidend in dieser Dekade ist für Lateinamerika erstens, dass sein Integrationsprozess eine politische Strategie schafft, die ihn schützt. Und zweitens, dass es ein eigenes Entwicklungsmodell entwirft und nicht simpler Rohstofflieferant bleibt.

Logo CUBA LIBRE Günter Pohl

CUBA LIBRE 3-2012