Reisebericht Cuba

Fortsetzung aus dem letzten Heft und Schluss

Komplizierter und herzlicher Abschied von zwei Familien, die ziemlich weit auseinander wohnen, und dann wartete Las Tunas – eine sehr ruhige kleine Großstadt.

Im ersten Unabhängigkeitskrieg wollte der Rebellenkommandant die Stadt den Spaniern, die kurz vor der Rückeroberung standen, diese nur als »verbrannte Erde« überlassen – eine beeindruckende koloniale Bausubstanz ist demnach kaum vorhanden.

 Schon vor zwei Jahren war mir die Präsenz von recht unangenehmen Deutschen im einzigen Devisen-Lokal aufgefallen ( das ich dieses Jahr nur zwecks Trinkens von »agua« besuchte ). Wieder waren Deutsche an den Nebentischen, wieder gab es nur EIN Thema – und wieder bewahrheitete sich der mir bei der Bundesmarine eingeimpfte Spruch »Gott behüte uns vor Sturm und Wind und Deutschen, die im Ausland sind !«. Dieses Jahr verkniff ich mir einen Kommentar.

Nördlich liegen Touri-Zentren am Strand, in denen sich nun überhaupt nichts »Einschlägiges« abspielen kann – deswegen kommen diese kranken Typen nach Las Tunas…

An einem Nachmittag vernahm ich Musik aus der im Zentrum gelegenen »casa cultural«.

Ich »platzte« mitten in ein Kinderfest (6 – ca. 16-Jährige):

Von einer Theateraufführung erlebte ich noch das Ende ( die Kostümierung war phantasievoll und die Gesichter waren kunstvoll, z.T. gruselig – Diabolus – geschminkt. Zuvor hatte es schon eine Tanzvorführung gegeben.

Den Lieder-»Block« der mit Sombreros »behüteten« Sänger/innen erlebte ich live mit – es war eine sehr liebe Atmosphäre – Zuschauer waren fast ausschließlich die Eltern und neugierige Cubaner/innen.

Interessant war auch noch der Besuch des »Memorial los Martires de Barbados« – ein kleines Häuschen ist als Museum den Menschen der DC 8 gewidmet, die am 6. 10. 1976 von Venezuela gestartet war und von zwei an Bord geschmuggelten Bomben in der Luft zerfetzt wurde – alle Insassen ( inklusive der cubanischen Jugend-Fechtmannschaft ) fanden den Tod und der Hauptverantwortliche, Posada Carilles genießt in Miami seinen Lebensabend ( der andere Verbrecher, Orlando Bosch, starb ja vor kurzem ) !

Es war sehr nett, sich mit den drei Damen des Museums zu unterhalten, denen man richtig die Freude anmerkte, dass sich auch mal ein Touri zu ihrem Museum »verirrt« hatte – doch die Freude war wirklich gegenseitig und herzlich !

Die drei Tage in Ciego de Ávila verliefen dann auch recht ruhig und waren schon vom Gedanken an den Abflug dominiert – »eindrucksvoll« waren die mit vehementen Sturmböen begleiteten Gewitter, die u. a. im Hotel einen in der Lobby aufgehängten Fernseher aus der Verankerung rissen!

Selbst wenn ich gesteigerten Wert auf die Nutzung der Pools gelegt hätte – der Aufwand mit Umziehen und Eincremen rentierte sich wirklich kaum ( zweimal unternahm ich den Versuch ): Kaum einmal im Wasser und dann ein Buch vor der Nase, donnerte es auch schon wieder.

Eines Vormittags bog ich auf dem Weg zum Zentrum irrtümlich an einer Kreuzung statt nach links, nach rechts ab – ich kam an einen großen Springbrunnen und auf der anderen Seite prangte ein recht großes »Che«-Poster mit »hasta la victoria siempre«. »Che« einmal mit Wassertropfen im Vordergrund – ich machte ein Foto und wurde prompt von einem der drei rd. 25-jährigen Mulatten gefragt, ob ich denn aus Deutschland komme.

Nach meinem »Si« hob er den rechten Arm und rief vernehmlich »Heil Hitler«. Meine Reaktion kam prompt und wäre sicher etwas länger ausgefallen… doch der junge Mann fiel mir lachend ins Wort und meinte, dass das doch nicht ernst gemeint gewesen sei – er selber wisse doch, dass er, als Mulatte, unter einem heutigen Hitler sofort abgemurkst würde – wir kamen auf die Juden, Sinti und Roma zu sprechen und darauf ( daran hatten die Burschen überhaupt nicht gedacht ! ), dass die Mitglieder der KPD, sofern sie nicht rechtzeitig abgetaucht waren, ebenfalls auf die eine oder andere Weise seinerzeit ermordet wurden – das sind u. a. die Episoden, die für mich das »Wandern« durch die Städte so interessant machen.

Beim abendlichen Bummel durch die überschaubare Innenstadt von Ciego fiel mir im übrigen auf, dass selbst die in den Arkaden hängenden »Laternen« mittlerweile mit Energiesparlampen ausgestattet sind – die energetische »Revolution« war sicher ein finanzieller Kraftakt, dürfte sich aber in Kürze rechnen.

Fazit der viel zu schnell verstrichenen vier Wochen:

Cuba stellt sich für mich so allmählich wie eine Zwiebel dar:

Lernt man in einem Jahr die gerade außen liegende Schale etwas kennen, pellt sich im nächsten Jahr eine neue, z. T. völlig unbekannte Schale hervor. ( Im Unterschied zur realen Zwiebel treibt mir das aber keine Tränen in die Augen ! )

Speziell in Havanna herrscht so etwas wie Aufbruchstimmung, in den anderen Städten kommt das gemächlicher daher:

Die Menschen ächzen nicht unter dem System, sondern stöhnen eher über gestiegene Preise, die sie überwiegend zum einen dem fortdauernden »bloqueo« des großen Bruders im Norden, dann der Spekulation an Rohstoff- und Lebensmittelbörsen und der Weltfinanzkrise zuschreiben – nicht zu vergessen: Die Milliardenschäden der Hurrikans »Ike« und »Gustavo« 2008. – So neu ist das allerdings nicht und von einem irgendwie gearteten Kalorienmangel ( den es im Einzelfall sicher geben mag ) kann auf der Insel trotz all dieser Widrigkeiten angesichts doch recht ansehnlicher Körperfüllen kaum ernstlich die Rede sein.

Ich erwähne dies deswegen, weil in irgendeinem bundesdeutschen Tele-Politmagazin ( ich glaube, Anfang des Jahres ) eine Cubanerin vor leeren ( leer geräumten ? ) Ständen auf einem »agromercado« ihr Leid über fehlende Nahrung klagen durfte – die von mir besuchten »agromercados« hatten jedenfalls keine leeren Stände…

Das gewohnte Gemaule hat aber doch auch einen ernsteren Hintergrund:

Wenn ich alleine an die Wohnsituation denke: Wohnblocks, die vielleicht vor 30-50 Jahren hochgezogen wurden, bedürften dringend der Sanierung – der gute Wille ist da, doch die »Rohstoffe« z. B. in Form von Beton und Farbe sind augenscheinlich nicht in ausreichender Menge verfügbar oder/und zu teuer…

Die eine Familie in Holguin (beide Eltern sind bei der UNEAC angestellt) betreibt im Hof ihrer casa eine kleine Geflügel- und Schweinezucht, um mit Verkäufen auf den »agromercados« die Sanierung der casa vorantreiben zu können… und tritt bestenfalls auf der Stelle ( »…ich kann den Beton nicht bezahlen« ).

Durch die massive Freisetzung von Arbeitskräften im staatlichen Sektor wird der Staat nunmehr viel Geld sparen und gewinnt Liquidität.

Wahrscheinlich noch deutlich mehr ( und zwar an Devisen ) ließe sich einsparen und damit für dringend benötigte andere Maßnahmen ( Wohnungsbau, Ausbau ÖPNV, etc. etc. ) einsetzen, wenn es gelänge, die heimische Landwirtschaft so in Schwung zu bringen, dass die massiven und teuren Lebensmittelimporte gedrosselt und schließlich gestoppt werden könnten.

Bezüglich landwirtschaftlicher und Lebensmittelprodukte hat auf Druck der Farmerlobby schon Mr. W. Bush 2000 die Blockade ausgesetzt mit der Folge, dass die USA heute der größte Lebensmittelimporteur Cubas sind, die bitter benötigten Devisen ausgerechnet in die USA abfließen und es die USA ( Stand 2008 – nach Auskunft meines Reiseführers ) auf diese Weise geschafft haben, trotz Blockade ( die gegenüber Drittländern ja auch strikt eingehalten wird ), mittlerweile zum viertgrößten Handelspartner Cubas aufzusteigen – eine wirklich bittere Ironie !!

(Der Reiseführer: »KUBA«, Stefan Loose, Travel Handbücher, Ausgabe 2010, S. 124 ff. )


Ich weiß, dass speziell 2008 viel Land an Campesinos abgegeben wurde und kann nur hoffen, dass das bald Wirkung zeigen wird. Denn die Krisen des Kapitalismus treffen vor allem den Trikont !! Und Cuba hat zusätzlich zu diesen Krisen noch den besonderen Brocken der Blockade zu verkraften.

In diesem Reiseführer sind übrigens auch viel erfreuliche Dinge über Cuba zu lesen:

So erfährt man z. B., dass 1959 der Waldbestand Cubas bis auf 14 % geschrumpft war, die Revolution sich das Ziel einer Wiederaufforstung auf 25 % bis zum Jahre 2015 gesetzt (ein »ambitioniertes Ziel« ! ) und 2008 bereits 23 % erreicht hat.

»Trotz aller ökologischen Probleme kam der World Wildlife Fund ( WWF ) … zu dem Ergebnis, dass Kuba als einziges Land der Welt als nachhaltig eingestuft werden könne« …

Oder »… entgegen dem heute weltweit vorherrschenden neoliberalen Sozialabbau bemüht sich das Land mit beachtlichem Erfolg seine sozialen Standards aufrechtzuerhalten« !

Verzeiht mir den kurzen »Ausritt« in die Ökonomie und das Ausweichen auf andere Quellen als meine eigene Wahrnehmung, aber als Cuba-Freund mache ich mir halt Sorgen und bin mir sicher, dass die Ökonomen in der cubanischen Regierung die »Brennpunkte« kennen und, vor allem, die ausreichenden finanziellen Spielräume zur Realisierung der erforderlicher Maßnahmen haben.

Ich weiß – das war wieder ein »Roman« … und gibt doch nur einen Bruchteil dessen wieder, was ich mir stichpunktartig in einer Art Tagebuch notiert habe.

Vielleicht bis zum nächsten Jahr !
Hasta la victoria siempre!

Logo CUBA LIBRE Gunther Lenner

CUBA LIBRE 2-2012