Ein persönlicher Bericht über die letzte Brigade José Martí

vom 02.07. – 23.07.2011 im Campamento Julio Antonio Mella, Cuba

Im Frühjahr 2011 las ich in einer CUBA LIBRE, dass die internationale Brigade José Martí zum 40. mal stattfindet. Meine erste Begegnung mit Cuba war 1985, als Brigadistin. Seitdem wollte ich nach Cuba, aber nicht als "normale Touristin". Also weshalb nicht wieder mit einer Brigade?

Vor 26 Jahren war Voraussetzung für eine Brigadeteilnahme die Mitgliedschaft in der Freundschaftsgesellschaft, sowie ein drei tägiges Vorbereitungstreffen. In einer Gruppe mit 50 TeilnehmerInnen aus Deutschland wurde drei Wochen lang vor- und nachmittags gearbeitet und die Reise dauerte fast 5 Wochen.

Heute gibt es eine "abgespeckte Version" der Brigade, insgesamt drei Wochen Aufenthalt auf Cuba (falls man nicht in Eigeninitiative verlängern möchte) mit einem Arbeitseinsatz von ca. 8 Tagen nur am Vormittag. In meinen Vorüberlegungen fand ich das beruhigend, weil ich mir unsicher war, ob das Arbeits- und Programmpensum (damals hatten wir chronischen Schlafmangel, weil alles zu spannend war und wir nichts verpassen wollten) im fortgeschritteneren Alter zu bewältigen ist.

Ein Vorbereitungstreffen ist obligatorisch, es ist heute kürzer und durchaus sinnvoll. Da während der Brigade erwartet wird, dass sich die jeweiligen Länder mit einem landestypischen Essen, einem kulturellen Beitrag, mit Gastgeschenken, einer Sprecherin/ einem Sprecher oder sogar mit einem individuellen T-Shirt präsentieren. Das kann nur gelingen, wenn es vorbereitet ist. Leider war das nicht bei allen teilnehmenden Ländern so. Insgesamt waren an die 150 BrigadistInnen aus 19 verschiedenen Ländern im Campamento, unterschiedlich organisiert, mal mehr, mal weniger politisch orientiert. Einige Länder waren nur durch 1-2 Personen vertreten.

Wir reisten als deutsche Gruppe mit 8 Personen an und wurden im Campamento durch zwei weitere Deutsche (die gerade für längere Zeit auf Cuba lebten und uns mit ihrem cubanischem Leben vertraut machten), komplettiert.

Allein das Zusammentreffen von sehr unterschiedlichen Altersgruppen (in dem Jahr von 14 -74 Jahren) und Menschen aus sehr verschiedenen Ländern mit vielfachen kulturellen und politischen Hintergründen ist schon spannend an sich. Spanisch sprechen können ist keine Voraussetzung, teilweise wird simultan in der jeweiligen Landessprache und wenn nicht, in englisch übersetzt. Spanisch sprechende Menschen sind aber im Vorteil, weil die Kontaktaufnahme mit Einheimischen und jegliche Kommunikation erleichtert ist. Für alle, die noch nie auf Cuba waren, ist die Brigade eine tolle Möglichkeit, neben allen sinnlichen Eindrücken und Erfahrungen einen umfassenden Einblick in cubanisches Denken, Leben, Arbeiten, kulturelle, politische und gesamtgesellschaftliche Prozesse/Entwicklungen zu bekommen. In unserer kleinen Gruppe waren einige, die vorher an einer Brigade teilgenommen hatten und ein Holländer feierte sein 25tes Jubiläum.

Das Campamento hat sich in all den Jahren sehr verändert, nach vielen Umbauten, Verbesserungen, auch durch den Arbeitseinsatz vorheriger Brigaden, war es für mich kaum wiederzuerkennen. Aus riesigen Schlafsälen für 60-80 Personen sind kleinere Schlafräume mit 8 Stockbetten geworden. Die Belegung erfolgt länderübergreifend. Genauso durchmischt sind auch die jeweiligen Arbeitseinsatzgruppen an verschiedenen Orten. Wir jäteten Unkraut auf Gemüsefeldern und Baumgrundstücken, arbeiteten in einer Gärtnerei und im Campamento an einer Natursteinmauer immer zusammen mit Cubanern.

Die CubanerInnen, insbesondere die MitarbeiterInnen des Campamento/des ICAP, sind den BrigadistInnen gegenüber fürsorglich bemüht, den Aufenthalt so angenehm und interessant wie möglich zu gestalten: beim Essen, bei Ausflügen, bei Arbeitseinsätzen, bürokratischen Problemen, medizinischer Versorgung, bei politischen und sportlichen Veranstaltungen, bei Freizeitaktivitäten. Den BrigadistInnen wird mit großem Respekt begegnet, für den Arbeitseinsatz auf dem Feld, im Campamento und für die Solidarität mit Cuba. Die drei Wochen sind gut durchorganisiert und es wird versucht, individuellen Bedürfnissen genauso gerecht zu werden wie der Gesamtgruppe.

Bei den nachmittäglichen Veranstaltungen, Besuchen in Institutionen, Besichtigungen gab es Zusammentreffen mit Persönlichkeiten aus Politik, Gesundheit, Wirtschaft, Landwirtschaft, Innen- und Außenpolitik, Kultur, Bildung, Sport, Zivil-/Verteidigung u.v.m. Meistens wurde neben einem historischen Abriss zur aktuellen Entwicklung Stellung genommen und danach noch mit den BrigadistInnen diskutiert (ein Phänomen ist, dass CubanerInnen, die öffentlich reden, sich nicht kurz fassen können oder Fidel Castro nacheifern, für uns war das - in Kombination mit der Übersetzung – zuweilen anstrengend).

Die Bevölkerung Cubas diskutiert zur Zeit sehr intensiv wo und wie es gesellschaftliche Entwicklungen und Veränderungen geben kann und soll. Viele Menschen und RednerInnen ließen uns an aktuellen Diskussionen und Entwicklungsprozessen teilhaben. Dabei gibt es natürlich auch Unsicherheiten, Ressentiments, Ängste. Ungebrochen ist jedoch der innige Respekt, der Fidel Castro entgegen gebracht wird.

Während der Brigade gibt es Rituale, die es auch schon früher gab, wie: morgens um 5:45 Uhr über Lautsprecher mit Musik geweckt werden, Versammlung zur Arbeitsaufteilung und Anwesenheitsüberprüfung auf dem großen Platz im Campamento, die öffentliche Bewertung der geleisteten Arbeit zum Abschluss des Arbeitseinsatzes, allabendliches Kultur-, Tanz- und Musikprogramm, sportlicher Wettbewerb mit Siegerehrung, Abschlussabend mit kulturellen Beiträgen der einzelnen Länder und landestypischen Essen, eine Reise in andere Provinzen Cubas mit vielen Besichtigungen und Hotelaufenthalt, den Brigadeausweis, Kranzniederlegungen, diverse Besuche in Havanna mit Programm und zur freien Verfügung ...

Was anders für mich war: das touristische Cuba, das es 1985 so nicht gegeben hatte. Viele tolle Cafes, Restaurants. Restaurierte Stadtviertel, Häuser, Museen, größere Mobilität (selbst im Campamento war es möglich, Fahrräder auszuleihen und auf eigene Faust ans Meer oder in den Nachbarort zu fahren), verschiedene Taxen, Busse, Rikschas etc. sichtbare Religiösität, afroamerikanische Santeria, die uns in etlichen kulturellen Beiträgen nahegebracht wurde Die Zeit auf Cuba vergeht wie im Fluge, das Programm ist dicht, intensive, vielseitige Eindrücke, viele Gespräche, Diskussionen, kompakte Informationen, neue Begegnungen, Kontakte, Musik, Amusement. Kaum Zeit, Tagebuch zu schreiben, zu lesen oder, oder ...

Bewegt hat mich am meisten, dass sich Cuba als kleine Insel, kleines Land nach wie vor mit wenig Unterstützung und unter den widrigsten Bedingungen und weltpolitischen Zuständen behaupten kann und es schafft, einen eigenen Weg zu gehen. Dieses Selbstbewusstsein ist auch bei vielen Menschen und in vielen Situationen spürbar und berührt. Wie auch die Abschlussszene der Brigade, vor Abfahrt der Busse zum Abflug, wenn sich der Leiter des Campamento mit seiner Gitarre hinstellt und "Cuba, que linda es Cuba!!!!" singt.

Logo CUBA LIBRE Christa Klose

CUBA LIBRE 1-2012