Mehr als Geburtsgrüße oder wie Fidel Castro im Berliner Wahlkampf mitmischte

"Wir brauchen keine Briefe an Fidel Castro zu schreiben", meinte ein Aktivist der Berliner Piratenpartei, dem Überraschungsgewinner der Berliner Abgeordnetenhauswahl vom 18.September. Was sollte diese Kreuzung aus FDP und Grünen auch den kubanischen Revolutionär mitteilen wollen. Wenn das gemeine Piratenmitglied das Wort Revolution hört, denkt er ein neues Computermodell ist am Markt.

Dass Fidel Castro überhaupt in den Berliner Wahlkampf Einzug hielt, ist aber dem Vorsitzenden der Berliner Linksparte Klaus Lederer geschuldet. Der hat sich darüber beschwert, dass der Vorstand seiner Partei Fidel Castro zum Geburtstag gratuliert hat. Die bürgerlichen Medien hat die Steilvorschlage natürlich sofort aufgegriffen und für einige Tage war der Brief an Fidel in den Schlagzeilen. Für die Medien ist der Kalte Krieg noch nicht zu Ende und sie sind natürlich immer erfreut, wenn ein Linker ihnen die Argumente liefert. Wenn es nach diesen Zeitungen geht, wäre das revolutionäre Kuba schon 1989 am Ende gewesen und am liebsten hätten sie Fidel gleich mit Honecker in den Knast.

Nur was hat ausgerechnet Lederer bewogen, sich als Stichwortgeber der Fidel-Hasser zu bewerben? Ist es nur sein unbedingter Wille im BRD-System anzukommen und da gehört ein gutes Wort für den kubanischen Revolutionär nicht ins Programm? Sicher spielt dieser Wunsch nach dem Mitmachen eine wichtige Rolle dabei. Aber es ging ihm auch darum, die sich schon lange abzeichnenden Wahlverluste seiner Partei den vermeintlichen innerparteilichen Gegnern anzulasten. Da hatte er mit der von ihm inszenierten Kuba-Debatte schon mal prophylaktisch klargestellt, wer daran Schuld sein soll. Nur dürfte das Kalkül nicht aufgehen und das weiß auch Lederer. Sein eigentliches Motiv für die von ihm inszenierte Kuba-Debatte dürfe aber eher Neid sein. Damit trifft er sich übrigens mit den rechten Hardlinern von der CSU, die sich darüber aufregten, dass auch Linke den Papst im Parlament nicht unkritisch empfangen wollten. Die würden alle zu Fidel Castro pilgern, wenn der nach Deutschland käme, ätzten sie und es war ihnen deutlich anzuhören, dass sie gar nicht erst einen Vergleich mit ihrer Mobilisierungsfähigkeit antreten würden. Das gilt auch für Lederer. Bei seinen Veranstaltungen kommen, wenn er Glück hat einige Hundert.

Selbst dem größten Fidel-Gegner dürfte klar sein, dass der auch in Deutschland Massen mobilisieren würde, wenn er mal zu Besuch käme. Als vor einigen Jahren eine kleine linke Gruppe den venezolanischen Präsidenten Chavez am Rande des EU-Lateinamerikagipfels in Wien zu einen Meeting eingeladen hatte, waren schon Stunden vor dem durch Mund-zu-Mund-Propaganda verbreiteten Termin die Halle und de Vorplatz überfüllt.c Dabei geht es aber nicht nur um freundliche Geburtsgrüße, wie sie immer in den Medien eine so große Rolle spielten. Man kann sogar Lederer für seine Intervention fast dankbar sein. Denn eine Arbeitsteilung nach der Methode, wir verwalten in Berlin den Sozialabbau mit, schicken aber für das linke Gemüt Glückwünsche an Fidel, wäre noch viel fatale und vor allem hätte der das nicht verdient.

Fragen an eine kommunistische Realpolitik

Wenn Fidel käme, wäre der Andrang noch größer und es wären sicher nicht nur erklärte Linke, die sich anhören würden, was der kubanische Kommunist zu sagen hat. In Zeiten der kapitalistischen Krise wächst die Zahl derer, die bereit sind, Alternativen zumindest zu prüfen. Sie wollen wissen, wie eine kommunistische Realpolitik heute aussieht. Sie interessiert, wie es die kubanische Regierung trotz großer wirtschaftlicher Einbrüche nach dem Zusammenbruch der Warschauer Vertragsstaaten, trotz großer Schäden durch Embargo und Naturkatastrophen schafft, eine Wirtschaftspolitik zu machen, die soziale Härten bisher weitgehend vermeidet. Sie werden auch kritische Fragen haben, wie der beschlossene Abbau von Arbeitskräften bewerkstelligt werden kann, ohne dass doch die in den kapitalistischen Staaten bekannten Folgen eintreten. Kann die lange Zeit sehr egalitäre kubanische Gesellschaft unter den neuen Bedingungen erhalten werden? Was sind die Alternativen zu einem neoliberalen Wirtschaftsmodell? Solche Fragen und auch Befürchtungen würden viele Menschen hierzulande mit Fidel und auch anderen kubanischen GenossInnen diskutieren wollen. Dass mit der Piratenpartei daran wenig Interesse hat, wussten manche schon länger. Das anfangs zitierte Statement ist nur ein weiterer Beweis. Und dass auch Lederer an solchen Debatten wohl kein Interesse hat, ist auch nicht überraschend. Aber auch jene, die ja so gerne Geburtstagsgrüße an Fidel richten und sich mit Recht über Lederer aufregen, sind gefragt, ob sie eine solche Diskussion wollen.

Logo CUBA LIBRE Peter Nowak

CUBA LIBRE 4-2011