Pünktlich zum 50. Jahrestag des Sieges von Playa Girón ist in der Spotless-Reihe von dessen Gründer und
spiritus rector, Klaus Huhn, der Band »Waterloo in der Schweinebucht« [1] erschienen. Der Autor hat bereits zahlreiche
Publikationen zu Cuba veröffentlicht, so z.B. zum Terroranschlag auf das Flugzeug der »Cubana de Aviación«
am 6. Oktober 1976, bei dem 73 Passagiere ums Leben kamen [2], und kann als ausgewiesener Kenner der Materie angesehen werden.
Wie in dieser Reihe üblich, werden auf wenig Platz viele Fakten, Originaldokumente und Hintergrundwissen vermittelt. So
gibt’s für alle, die sich erst- oder nochmals über die historische Rolle der Katholischen Kirche auf Cuba klar werden
wollen, eine kleine Lektion über deren Funktion bei der versuchten Invasion: Der komplette Text, der nach erhofftem Erfolg
der Aggression über den CIA-Sender von Pater Ismael de Lugo »als Oberster Militärseelsorger der Sturmbrigade« verlesen
werden sollte, wird dokumentiert. (S. 5ff.)
Der Autor verweist auf den eigentlichen Beginn der Invasion, der auf den Besuch Fidel Castros beim damaligen
US-Vizepräsidenten Nixon am 23. April 1959 datiert wird. Letzterer hatte unmittelbar nach dem Treffen festgelegt, sein
cubanischer Gast sei ein Kommunist und als solcher mitsamt seinem Regime »zu beseitigen«. Es folgten das Einfuhrverbot für
cubanischen Zucker, die Einstellung der Erdölexporte auf die Insel, deren Ersatz durch die Sowjetunion und als Antwort die
Weigerung der drei auf Cuba ansässigen US-Konzerne Dutch-Shell, Esso und Texas Oil Co., auf Weisung der US-Regierung auf
keinen Fall sowjetisches Erdöl zu verarbeiten. Cubas Ankündigung, in diesem Fall diese Konzerne zu enteignen, blieb
ohne Reaktion, weshalb am 6. August 1960 das entsprechende Gesetz verabschiedet wurde, mit dem alle US-amerikanischen Konzerne
auf der Insel nationalisiert wurden.
Die aufgeführten Beispiele zeigen treffend die Dialektik der Geschichte, wie also gesellschaftliche Entwicklungen durch
Maßnahmen und Gegenmaßnahmen der handelnden Akteure entscheidend bestimmt werden.
Im folgenden wird beschrieben, wie die nächste Eskalationsstufe durch die US-Regierung beschritten wurde. Unter
CIA-Führung wurden Invasionspläne erstellt, Söldner angeheuert und gedrillt. In enger Abstimmung mit dem
Weißen Haus wurde zur Kontrolle des Funk- und Telephonverkehrs auf Cuba der Kommunikationsgigant ITT in die Vorbereitung
des schmutzigen Krieges eingebunden. (S. 12ff.) Bereits vor dem eigentlichen Überfall wurden eine Reihe von Provokationen
mit Spionageflügen und Bootsentführungen ausgeführt.
Und diese Geschichte ist auch und vor allem eine Geschichte von nicht enden wollendem Lug und Trug:
Während die Vorbereitungen des Überfalls (terminiert auf den 17. April) bereits auf Hochtouren liefen,
erklärte US-Präsident Kennedy bei einer Pressekonferenz am 12. April 1961: »Die Regierung der Vereinigten Staaten wird
alles Notwendige Unternehmen, damit kein Amerikaner [gemeint ist: US-Amerikaner; hwh] an einer Aktion gegen Kuba teilnimmt (…)
Die Regierung wird nicht zulassen, dass in den Vereinigten Staaten eine Invasion gegen Kuba vorbereitet wird.« (S.27) Lug und
Trug natürlich auch in der Praxis: CIA-Bomber wurden mit cubanischen Hoheitszeichen ausgestattet, die Legende der
gewaltsamen Flucht eines cubanischen Piloten ausgearbeitet und nach Bombenangriffen auf cubanische Stützpunkte der
Weltpresse als »Rebellion der Luftwaffe gegen Präsident Castro« präsentiert. (S. 28ff.)
Währenddessen klagte der legendäre cubanische Außeninister Dr. Raúl Roa am 15. April vor der UNO unter
Umgehung der Geschäftsordnung das Imperium an:
»Die Revolutionäre Regierung der Republik Kuba klagt die Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika vor dem
Sicherheitsrat und der Weltöffentlichkeit an, militärische Gewalt anzuwenden, um Differenzen mit einem Mitgliedsstaat
dieser Organisation auszutragen.« Die Antwort des US-Vertreters ist an Zynismus, Lug und Trug kaum zu überbieten und
dennoch hat diese Lügenpolitik auch in den folgenden Jahrzehnten immer wieder genau so funktioniert (S. 34/35).
Zeitgleich wurden in Havanna die Opfer der Bombenangriffe feierlich aufgebahrt und die US-Regierung von Fidel wegen der
»Angriffe durch Flugzeuge und Piratenschiffe und (…) systematischen Zerstörungskampagne« angeklagt: »Kuba wird von den
Vereinten Nationen fordern, dass die Flugzeuge und die Piloten vorgeführt werden, die angeblich aus unseren
Luftstreitkräften desertiert sind.« (S. 37)
Während am 17. April die CIA-Invasion auf Cuba mit rund 1.500 Mann in vollem Gang ist und der Außenminister Roa in
New York vor der UNO die Beweise vorlegt, lügt die US-Regierung weiter. Deren Außenminister Dean Rusk behauptete vor
dem Weltforum:
»Die Streitkräfte der Vereinigten Staaten haben nicht interveniert und sie werden auch nicht intervenieren (..)« (S. 40).
Zeitgleich rief die Kommandoführung der konterrevolutionären Söldner über ihren Sender auf der Insel Swan
das cubanische Volk zu Massakern auf:
»Jetzt ist der Augenblick für Euch gekommen, strategisch wichtige Punkte, Straßen und Eisenbahnen zu besetzen! Macht
Gefangene oder schießt alle nieder, die Euren befehlen nicht folgen!« (S. 40)
Lakonisch schildert der Autor die Wirkung solcher Ansprachen:
»Tausende Kubaner machten sich auf den Weg in die Schweinebucht (…) Inzwischen appellierte die kubanische Führung pausenlos
an die Bevölkerung, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. Die Massen, die sich auf den Weg in die Schweinebucht
gemacht hatten [um die Revolution zu verteidigen, hwh], drohten sämtlich Zufahrtswege zu blockieren« (S. 41).
Trotz des Einsatzes »von zum Teil kampferfahrenen US-amerikanischen Flugzeugbesatzungen« (S. 42) in einem verzweifelten
Nachtangriff und der Bereitstellung von vier Mustang-Maschinen durch den nicaraguanischen Diktator Somoza (S. 47) hatten die
Aggressoren keine Chance gegen das revolutionäre Volk Cubas.
Fidel konnte am 19. April das Kommuniqué No. 4 unterzeichnen, in dem der endgültige Sieg über die Aggressoren
verkündet wurde (S. 47) und selbst in der Stunde der offensichtlichen Niederlage wurde auf der Seite der Unterlegenen
weiter gelogen: Im Weißen Haus wurde parallel zur Veröffentlichung der cubanischen Meldung über das Scheitern
der US-Invasion der Weltpresse ein Kommuniqué übergeben, in dem behauptet wurde, dass »die kürzlichen Landungen
auf Kuba beständig, aber inkorrekt als Invasion bezeichnet würden. In Wirklichkeit war es das Absetzen von Nachschub
für unsere Patrioten, die seit Monaten auf Kuba kämpfen. Zu unserem Bedauern müssen wir tragische Verluste
bekannt geben (…) Wir haben nicht erwartet, dass wir Castro sofort oder ohne Rückschläge würden stürzen
können.« (S. 48)
Im Unterschied zu dem unbedingten Tötungswillen der Invasoren und ihrer Auftraggeber im Weißen Haus befleißigte
sich die revolutionäre Justiz Cubas eines rechtsstaatlichen Verfahrens, wie es Hans-Magnus Enzensberger in seinem Essay
»Das Verhör von Havanna« dokumentierte, das am deutschen Theater in Berlin unter Manfred Wekwerth am 17. September 1970
seine Uraufführung erlebte. (S. 50ff.)
Die 1.214 US-Kriegsgefangenen wurden im Mai 1961 gegen Traktoren für die cubanische Landwirtschaft im Wert von rund 52 Mio.
US-$ ausgetauscht (S. 55-57).
Das Waterloo, dass das kleine Cuba der mächtigsten Militärmacht der Weltgeschichte in dieser historischen Schlacht
bereitet hatte, erzeugte, wie Huhn konstatiert, bei J.F. Kennedy eine »grenzenlose Wut«: »Sein unbändiger Zorn trieb ihn
geradewegs in ein neues Abenteuer: Er wollte Castro nummehr ermorden lassen!«
Die Folgen waren die Bildung der neuen »Abteilung für spezielle Kriegsführung« und des Projektes »Mongoose« mit der
weltweit größten CIA-Station der Welt in Miami. Allein hier beschäftigten sich »600 Agentenführer und
3.000 angeworbene Agenten« mit der Zerstörung der cubanischen Revolution mittels aller möglichen, zumeist illegalen
Praktiken bis hin zur direkten, organisierten
Zusammenarbeit mit der Mafia:
»15.000 Dollar für den toten Castro« (S. 58 ff). Über das Denken und Handeln der involvierten Kriminellen, Contras und
CIA-Killer gab eine »sensationelle Dokumentation« (S. 65 ff.) des US-amerikanischen TV-Senders CBS durch dessen
Chefkorrespondenten und ehemaligen Pressesprecher Bill Moyers Aufschluss. Aus der zweiteiligen SPIEGEL-Dokumentation [3] vom
25.07./ 01.08.1977 wird im Spotless-Band ausführlich zitiert. Eine klassische Aussage liefert Armando Lopez Estrada
(Söldner, CIA-Agent, Terrorist): »(…) Wir wenden Kampfmethoden an, die uns die CIA beigebracht hat. Wir wurden für
alles ausgebildet. Wir haben gelernt, Bomben zu legen, zu töten, nach Kuba zu infiltrieren (..)«
Diese Linie wurde übrigens seitens der USA seither ununterbrochen aufrecht erhalten und war die Ursache dafür, dass
Cuba seinerseits Kundschafter in den Terroristensumpf nach Miami schicken musste. Das Verfahren gegen die seit 1998 (!) in
US-Hochsicherheitsgefängnissen gefangen gehaltenen MIAMI 5 ist ebenso wie die Geschichte der Schweinebucht von Lug & Trug
zu deren Lasten gekennzeichnet (siehe: www.miami5.de).
In der CBS-Dokumentation von 1977 kommt auch der cubanische Revolutionsführer Fidel Castro zu Wort, und dies
äußerst treffend:
»MOYERS: Kam Ihnen der Gedanke, dass die erste kommunistische Gesellschaft in dieser Hemisphäre die Vereinigten Staaten
nervös machen würde?»
CASTRO: Ich glaube, sehr viel nervöser mussten wir uns fühlen, mit einem so mächtigen kapitalistischen Land wie
den USA als Nachbarn …« (S. 71)
Das Buch beinhaltet zwei Anlagen. Zunächst die afp/apa-Meldung vom 24.11.2004, wonach in Miami ein Richter der Tochter
eines in der Schweinbucht getöteten CIAPiloten 87 Mio. US-$ Entschädigung zugesprochen hatte.
Außerdem eine ausführliche Stellungnahme des US-Politikers, Harvard-Professors und Beraters mehrerer
US-Präsidenten, Arthur M. Schlesinger jr., während einer Konferenz im Jahre 2001 in Havanna anlässlich des 40.
Jahrestages der Invasion (S. 77-92). Einleitend schätzt er, die Niederlage eingestehend, ein:
»In den langen Annalen der amerikanischen Außenpolitik ist nirgendwo ein größeres Fiasko, ein totaleres
Scheitern verzeichnet als der von der Central Intelligence Agency im April 1961 in der Schweinebucht unternommene Versuch einer
Invasion auf Kuba. Historiker haben diese Operation "den perfekten Fehlschlag" genannt.« (S. 77)
Die weiteren Ausführungen dieses US-Vertreters sind allerdings weitgehend indifferent und reflektieren altbekannte
Sichtweisen des US-Imperialismus. So z.B., wenn er die umfassende Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade nicht nur als
»Embargo« verharmlost, sondern auch noch Opfer- und Täterrolle verdreht:
»Das offizielle Kuba empört sich nach wie vor über das von den USA verhängte Embargo und fragt, wann es endlich
aufgehoben wird. In Wirklichkeit aber schützt dieses Embargo das Castro-Regime. Es liefert Castro eine bequeme Ausrede
für die allgemeine Wirtschaftsmisere, und es erlaubt ihm, die nationalistische Karte auszuspielen, die bei einem so stolzen
Volk wie den Kubanern immer gut ankommt. Nach einer Aufhebung des Embargos würde Castros Revolution wahrscheinlich unter
dem Ansturm amerikanischer Touristen und amerikanischer Investoren und unter der Flut amerikanischer Konsumartikel und der
amerikanischen Popkultur verschwinden.« (S.90)
Weshalb diese Propaganda seitens des Verlags leider völlig unkommentiert dokumentiert werden, bleibt offen. Dessen
ungeachtet ist das Buch eine angemessene Würdigung des historischen Sieges der cubanischen Revolution über den
»Koloss aus dem Norden« und sei hiermit wärmstens empfohlen.
Fußnoten:
[1] Band Nr. 240, 96 S., € 5,95, 978-3-360-02041-3
[2] siehe:
Cubas legitimer Kampf gegen den Terror
[3] Auch die DDR-Zeitschrift »Horizont - Sozialistische Wochenzeitung für internationale Politik und Wirtschaft« hatte in
ihren Ausgaben Nr. 37 und 38 vom Dezember 1977 große Teile dieses historischen Dokuments zitiert. Beide Fassungen sind komplett unter
Mordanschläge auf Fidel abrufbar.
Heinz-W. Hammer, 19.05.11
CUBA LIBRE 3-2011