Rechtzeitig zum 50sten Jahrestag der Proklamation des "sozialistischen und marxistisch-leninistischen Charakters" der kubanischen Revolution, ist ein schöner und preisgünstiger Band erschienen, der die damalige Atmosphäre in Kuba sehr gut zum Ausdruck bringt. Der Vertreter von Prensa Latina in Deutschland, Harald Neuber, hat in dem neuen Buch Fotos herausgebracht, die teilweise zum ersten Mal der Öffentlichkeit zugänglich sind. Sowohl die Fotos als auch der Essay des Kölner Historikers Zeuske beschreiben auf je eigene Weise das erste Jahrzehnt der kubanischen Revolution. Zeuske nennt dies die "chaotisch-kreativen sechziger Jahre" (S 51) und beschreibt zahlreiche Beispiele für diesen gesellschaftlichen Such- und Gestaltungsprozess. Knotenpunkte dieser Phase waren vor allem die erfolgreiche Alphabetisierungskampagne, die wichtige Agrar- und Landreform, die anhaltenden Aggressionen aus den USA, gipfelnd in der Invasion in der Schweinebucht und der sogenannten Raketenkrise, als US-Präsident Kennedy sogar mit einem Atomkrieg gegen die Sowjetunion drohte.
Dabei zeichneten sich in Kuba bereits grundlegende Systemmängel ab, vor allem die geringe Arbeitsproduktivität, die durch diverse "voluntaristische Experimente" nicht zu verbessern war und z.B. zu Versorgungsengpässen führte. Dies alles überstanden zu haben und in manchen Hinsichten besser und humaner entwickelt zu sein als zahlreiche Nachbarländer und reichere Staaten ist eine historische Leistung, die nicht hoch genug veranschlagt werden kann – zumal unter der Bedrohung des Imperiums aus dem Norden.
Zeuske stellt die Entwicklung der 60er Jahre in Kuba in einen langfristigen historischen Kontext woraus dann hervorgeht, welch immenser Entwicklungssprung mit der Revolution verbunden war und ist: z.B. die Abkehr von den in Lateinamerika damals üblichen Gewaltverhältnissen und der "kubanischen Gewalttradition und -kultur" (S. 15), erstaunliche innere soziale Befriedung und Entwicklungen. Die Bedrohung durch die USA, die darauf folgende notgedrungene Anlehnung an die Sowjetunion im Kalten Krieg, die internen Probleme und Defizite erforderten von der kubanischen Führung und Bevölkerung permanente Anstrengungen und Anpassungen. Im Revolutionsjahr stand Kuba vor immensen Grundproblemen und Herausforderungen. Zeuske hebt drei hervor: "erstens die strukturellen Ausgangsprobleme und die Suche nach effizienten Wirtschaftsformen in einem von agrikulturell-industrieller Monowirtschaft geprägten Land, dessen Wirtschaftseliten immer auf Freihandel gesetzt hatte; zweitens die politische Herrschaft im Innern, speziell die Spannung zwischen Charisma, Massenmobilisierung, Institutionalisierung und Partizipation, drittens die Beziehungen Kubas zu den Großmächten und Blöcken, wie die Imperien zur Zeit des Kalten Krieges genannt wurden, sowie zu Befreiungsbewegungen in Lateinamerika, Afrika und Asien." (S 14f)
Zahlreiche Fotos sind sehr eindrucksvoll, so dasjenige, auf dem eine alte Bäuerin stolz und doch schüchtern ihre Besitzurkunde für ein Stück Land vor sich hinhält. Sehr positiv ist auch zu werten, dass auf den Fotos auch Persönlichkeiten vorkommen, die sonst in Fotos häufig nicht auftauchen, wie z.B. der Vater der Agrarreform und Umweltexperte Antonio Nunez Jimenez und Raúl Castros so engagierte Frau Vilma Espin.
Kurzum: das Buch ist sehr zu empfehlen und gerade zum jetzigen Zeitpunkt wichtig, da es den revolutionären Elan aufzeigen kann – und der wird heute in Kuba mehr denn je gebraucht.
Harald Neuber (Hrsg.): Das Neue Kuba.
In Bildern der Nachrichtenagentur Prensa Latina 1959-1969
(mit einem Essay von Michael Zeuske), 192 S., Rotbuch Verlag, Berlin 2011, 19,95 Euro
Dr. Edgar Göll; Berlin
CUBA LIBRE 3-2011