Wie geht´s weiter?
Tiefgreifende Veränderungen in der Revolution

Am 1. August diesen Jahres kündigte der cubanische Präsident vor der Nationalversammlung eine neue Etappe wirtschaftlicher und sozialer Veränderungen an, mit dem Ziel, wie er sich ausdrückte, das System selbst zu perfektionieren.

Bereits vorher waren die geplanten Maßnahmen durchgesickert und sorgten in der Bevölkerung für Gesprächsstoff. Kaum eine halbe Stunde brauchte Raúl Castro für seine Rede, wobei der Teil mit den internen Veränderungen mit Spannung erwartet wurde. Eigentlich hatte man bereits am 26. Juli bei den Feierlichkeiten in Santa Clara Einzelheiten über die neuen Pläne erwartet, aber man musste sich noch sechs weitere Tage gedulden.

Bevor das Plenum der Nationalversammlung zusammentritt, findet zunächst die Arbeit in den verschiedenen Kommissionen statt. Die Gebiete Bildung, Wirtschaft, Haushalt, Gesundheit, Gesetzesvorlagen, internationale Beziehungen, Landwirtschaft, Investitionen etc. werden dort einer kritischen Analyse unterzogen. In der Klausurtagung am 1. August wurden dann die vorgeschlagenen Gesetze diskutiert und es wurde schließlich darüber abgestimmt. Diese Sitzung wurde wie immer vom Fernsehen übertragen. Dieses Mal ging es nicht nur um grundlegende wirtschaftliche Veränderungen, sondern auch um eine Umstrukturierung der Verwaltungsbezirke.

So wurde beschlossen, dass ab 1. Januar 2011 das Gebiet, das im Augenblick die Provinz Havanna ausmacht, (das Gebiet, das die Hauptstadt umgibt und versorgt), in zwei verschiedene Territorien aufgeteilt wird: Mayabeque und Artemisa. Weiterhin verschwindet der Bezirk Varadero, der zu Cardenas kommt. Die Halbinsel Varadero, von besonderer strategischer Bedeutung wegen des Tourismus und der Erdölförderung, wird direkt dem Ministerrat unterstellt. Zweck dieser Änderung ist eine effizientere öffentliche Verwaltung. Bevor dieser Vorschlag zur Abstimmung stand, wurde er lange unter Mitwirkung der Bevölkerung debattiert, wollte man doch für eine solch einschneidende Veränderung den größtmöglichen Konsens finden.

Die Ausführungen zur Wirtschaft des Landes, die Raúl Castro am Ende seiner Rede machte, bedeuten tiefgreifende Einschnitte in das Leben aller Cubaner.

Zunächst gab er bekannt, dass die Zuckerproduktion weiter gesunken sei, dass aber der Tourismussektor und die Erdölförderung einen leichten Anstieg zu verzeichnen hätten. Außerdem konstatierte er einen Anstieg der Arbeitsproduktivität im Verhältnis zum Lohn und eine Verbesserung der finanziellen Situation. Diese Daten ergeben sich aus Umschuldungsverhandlungen und dem Anstieg der Devisenreserven in der Nationalbank. Das führt dazu, dass merklich weniger Überweisungen an Zulieferer einbehalten werden mussten, ein Problem, das seit mehr als anderthalb Jahren das Funktionieren der Banken als solche beeinträchtigt habe. Zusammenfassend sei es das Bild einer Ökonomie und eines Finanzsystems, das sich im Aufschwung zu befinden scheine und allmählich die Krise hinter sich lasse. Das erlaube nun, mit Umwandlungen zu beginnen, die wegen andauernder Schwierigkeiten der letzten Jahre aufgrund von Hurrikanen, der internationalen Wirtschaftsrezession und internen Produktions- und Finanzierungsproblemen aufgeschoben werden mussten.

Dann kam er auf den Punkt zu sprechen, der zweifellos die tiefgreifendste Wirkung auf die cubanische Gesellschaft haben wird: Die Ankündigung einer Etappe der Wiederanpassung in der nationalen Ökonomie. Es handelt sich dabei um "einen Wandel von Strukturen und Konzepten" mit dem Ziel der Perfektionierung des Sozialismus und des politischen Systems auf der Basis der sozialen Gerechtigkeit und der nationalen Souveränität. Die Veränderungen würden von einer breiten Diskussion innerhalb der Bevölkerung begleitet werden, von der man sich mehrheitlich Verständnis und Zustimmung erhoffe.

Raúl Castro gab die Zustimmung des Ministerrats zu einer Arbeitsreform bekannt, die allmählich die Zahl der staatlichen Arbeiter um ungefähr 1.300.000 Personen reduzieren soll. Die erste Phase soll im März 2011 abgeschlossen sein. Parallel zu diesem Prozess soll die Zahl der Lizenzen für selbstständige Arbeit, von denen es im Augenblick an die 150.000 gibt, grundlegend erhöht werden. Auch soll es Selbstständigen zum ersten Mal möglich sein, Leute einzustellen. Dies war bis jetzt nur im landwirtschaftlichen Bereich erlaubt. Für die selbstständige Arbeit wurde bereits Mitte Juli eine Steuerregelung erlassen, die der neuen Situation angepasst ist und garantiert, dass die Selbstständigen sowohl ihren Beitrag zur Sozialversicherung als auch Steuern auf persönliches Einkommen zahlen. Weiterhin soll die Kommerzialisierung von Industrieprodukten möglich werden, was praktisch bedeutet, dass kleine Unternehmen mit Einstellungen von Arbeitern und entsprechenden Steuermaßgaben legalisiert werden. Die entsprechende Steuertabelle ist aber noch nicht verbreitet worden. In Cuba gibt es bis heute keine Lohnsteuer. Nur das von ausländischen Unternehmen angestellte Personal muss eine Abgabe für seine zusätzlichen Einkünfte in Devisen zahlen.

Vielleicht gibt es in Zukunft Gesetze, die es ermöglichen, dass sich diese Art der Arbeit kollektiv entwickelt, in Form von Genossenschaften oder Organisationen mit gemeinsamem Management. In diesem Zusammenhang schlagen verschiedene ökonomen vor, Formen der Assoziierung von Unternehmen zu studieren, die aus Arbeitern aus dem Privatsektor und dem Staatssektor bestehen oder aus individuellen Arbeitern und Arbeitern aus Kooperativen, was die Sozialisierung der Produktion und ihrer Gewinne erlauben würde. Der Ökonom Omar Everleny Pérez meint dazu in seiner Untersuchung: "Cuba muss seine wirtschaftliche Situation in den nächsten Jahren zurückfahren, weil für staatliche Investitionen in die cubanische Wirtschaft das Kapital für eine weitgehende Erneuerung fehlt. Dabei könnten die kleinen und mittleren Unternehmen eine ergänzende Rolle spielen."

Raúl fasste die zahlreichen von breiten Bevölkerungsschichten getragenen Erwartungen zusammen, die auf grünes Licht für soziale Veränderungen warteten. Aber man konnte seinen Worten auch entnehmen, dass in jeder Veränderung auch eine Gefahr liegt. Deswegen hat er auch die Aufmerksamkeit auf die nötige Kontrolle der Gewerkschaften bei dem Prozess der Arbeitsreduktion gelenkt. Dabei solle auf das Dienstalter und das Prinzip der Eignung geachtet werden und jegliche Begünstigung oder Diskriminierung vermieden werden. Gleichzeitig sagte er auch, "niemand wird seinem Schicksal überlassen".

Aber Theorie ist das eine und die Praxis das andere. Es bleibt zu hoffen, dass diese Maßnahmen und die vielen Gesetze und Regulierungen, die noch kommen werden, eine positive Wirkung auf die cubanische Gesellschaft haben. Man kann es sicher begrüßen, dass der Staat, der jedem sagt, was er zu tun hat, reduziert wird, aber man darf die Risiken nicht aus den Augen verlieren. Es ist sicherlich kein Zufall, dass zeitgleich mit der Ankündigung neuer eigenständiger Initiativen innerhalb der cubanischen Wirtschaft die US-Organisation USAID sofort drei Millionen Dollar zur Förderung der kleinen Unternehmen in Cuba zur Verfügung gestellt hat. Die Revolution hat so eine weitere Spur, die sie verfolgen muss, da sich hier eine neue Angriffsfläche zur sogenannten "Stärkung der Zivilgesellschaft" bietet, wobei man schon auf Erfahrungen in anderen Breitengraden zurückblicken kann.

Ausländische Presse spekuliert über Massenarbeitslosigkeit in Cuba

Als der cubanische Präsident Raúl Castro während des Kongresses der Unión de Jóvenes Comunistas (UJC) Berechnungen von Analytikern öffentlich machte, die festgestellt hatten, dass in Cubas staatlichen Unternehmen eine Million Arbeiter zu viel beschäftigt sind, spekulierten westliche Medien bereits über mögliche Massenentlassungen auf der sozialistischen Insel.

Den Teil von Raúls Rede, in dem es hieß, dass die "Revolution niemanden schutzlos lasse und für Bedingungen kämpfe, dass jeder eine würdige Arbeit bekomme", vergaßen sie zu erwähnen.

Selbst in der schlimmsten Phase der Sonderperiode waren Entlassungen für die Regierung kein Mittel, um aus der Krise zu kommen. Aber diese Haltung hatte ihren Preis. Die Konzeption des Staates, der sich um alles kümmert, kombiniert mit einem übertriebenen Gleichheitsanspruch, hat dazu geführt, dass die Betriebe immer aufgeblähter wurden und dazu beitrugen, den Wert der Arbeit als solche zu vermindern.

Der Ballast der sogenannten versteckten Unterbeschäftigung bremst die Produktivität, verschwendet den Fonds, der für Löhne zur Verfügung steht, für die Bezahlung von Hunderttausenden von Arbeitern, die keinen realen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Arbeitsame Menschen verlieren Lust an der Arbeit und ihnen kommt die Inspiration abhanden, wenn sie andere sehen, die wenig produktiv oder einfach nur faul sind, aber innerhalb des Sozialismus trotzdem die gleichen Rechte genießen. Dies verschleißt, kurz gesagt, die Ökonomie und die Gesellschaft.

Zweifellos muss es ganz dringend zu einer Veränderung der Denkweise kommen, um sich zur Arbeit als individuelle und soziale Pflicht zu bekennen und sie nicht nur als ein Recht anzusehen. "Die ersten, die daran interessiert sein müssen, eine für die Gesellschaft nützliche Arbeit zu finden, sind die Bürger selbst.", machte Raúl deutlich und kritisierte damit einige laxe Konzepte, die für die Arbeitspolitik des Landes bestimmend waren.

Irgendwann kommt aber offensichtlich der Punkt, an dem sich eine Änderung im Bewusstsein nicht weiter herausschieben lässt. Irgendwann hat das Missverhältnis zwischen Lohn und Produktivität ein nicht mehr tragbares Ausmaß angenommen. Seit Jahren tendieren die Löhne dazu, immer weiter anzusteigen, ohne dass es eine Entsprechung in der Produktivität gegeben hat. Diese hat stagniert oder ist sogar zurückgegangen. Erschwerend hinzu kommt noch, dass die Lohnsteigerung immer noch weit davon entfernt ist, die sozialen Bedürfnisse zu befriedigen.

Angesichts eines Unterfangens dieser Größenordnung passen keine Absurditäten wie Massenentlassungen, die außerdem einen undenkbaren Verrat am Sozialismus bedeuten würden. Um nachhaltig zu sein, muss die Lösung allmählich sein und sich an Veränderungen auf anderen weniger empfindlichen Gebieten festmachen, wie dem Wert des cubanischen Peso und den Gratisgaben und den drückenden Subventionen, die das Land mitschleppt.

Einige Schritte in dieser Richtung sind schon erfolgt, andere stehen noch aus. Während bereits kein neues Personal mehr eingestellt wird, um die Betriebe nicht noch mehr aufzublähen, expandiert in den Betrieben die Bezahlung auf Grund von Ergebnissen, durch Akkord und andere Formeln. Allerdings haben noch nicht alle Betrieb diesen Schritt gewagt.

Die entscheidende Frage aber bleibt: Wohin mit einer Million Arbeitern? Im Bauwesen und in der Landwirtschaft gibt es zu wenige Arbeiter, aber das ist nicht wirklich eine Option für eine solch große Menge von Personen. Die selbstständige Arbeit, Friseure und andere Angebote im Dienste der Bevölkerung können eine Erleichterung bringen, aber auch das reicht nicht aus.

Die schon erwähnten Möglichkeiten neuer Eigentumsformen wie Kooperativen mit einer breiten Beteiligung der Bevölkerung wären eine weitere Option.
Eine weitgehende Investition des Staates wie ambitionierte Programme im Tourismus- und im Hydrauliksektor wären eine weitere Alternative.

Entscheidend für eine stabile Entwicklung wird aber sein, dass das Geld, das für Löhne ausgegeben wird, in einem angemessenen Verhältnis zu dem steht, was erwirtschaftet wird.

Privater Sektor in Cuba – eine Herausforderung für den cubanischen Sozialismus?

Auch wenn die Details noch nicht bekannt sind, so viel steht fest: Die bloße Ankündigung, den Staat zu entblähen und einen Privatsektor entstehen zu lassen, der die Aufgabe hat, die vermeintlich überschüssige Arbeitskraft aufzusaugen, bedeutet einen Pragmatismus, der definitiv den revolutionären Traum von der Gleichheit ins Wanken bringt. Andererseits ist es ein praktischer Vorschlag, weil er nur öffentlich anerkennt, was längst existiert. Es gibt die Privatwirtschaft längst – wer z.B sein Bad machen lassen möchte, weiß, wo er jemanden findet, der ihm das erledigt. Zwar hat dieser Jemand meistens noch eine Arbeit in einem staatlichen Betrieb, wo er hingeht und mehr oder weniger arbeitet und anschließend sein Gehalt etwas aufbessert. Zum Teil handelt es sich dabei um Dienstleistungen, die in der Wirtschaft gar nicht mehr vorgesehen sind. So sind es nicht nur Klempner, die man bestellen kann, auch Schreiner, Maurer, Elektriker, ja selbst Elektroniker, Automechaniker und andere mehr sind außerhalb des staatlichen Sektors zu bekommen. Dis bedeutet einen fortgesetzten Verlust für den Staat, der für diese breite Palette an Dienstleistungen nicht einen Centavo an Steuern einnimmt. Hinzu kommt, dass das Material für die so erbrachten Dienstleistungen oft noch aus Betrieben entwendet wird.

Trotzdem – überall gibt es die Kommentare neoliberalen Zuschnitts, die besagen: Seht ihr, das sozialistische Modell ist widernatürlich, selbst die Regierung in Cuba muss zugeben, dass man Privatunternehmen braucht, damit die Wirtschaft läuft."
Viele westliche Medien weisen darauf hin, dass alles auf einen Prozess wie in China oder Vietnam hinauslaufe.

Wie Javier Mestre in seinem Aufsatz "la responsabilidad y la esperanza" aufzeigt, geht dieser Standpunkt immer von einer Konzeption aus, die Ökonomie als völlig getrennt von einer politischen, sozialen und kulturellen Dimension sieht.

In seiner Rede an der Universität von Havanna hat Fidel gesagt, dass niemand das Patent auf den Sozialismus habe. Unter Sozialismus versteht man immer, dass die Produktionsmittel Gemeinschaftseigentum sind und das bedeutete bis jetzt in den Händen des Staates. Schon vor der Rede Raúls wurde aber die Notwendigkeit einer Veränderung des Konzepts zugunsten einer Annäherung an den Kooperativismus und an kleines Privateigentum diskutiert. Vielleicht ist ja auch nicht die Form des Eigentums so entscheidend, sondern mehr, auf welche Weise man die ökonomischen Entscheidungen trifft, wie man sie plant und wie alles funktioniert. Carlos Fernández Liria und Luis Alegre Zahonera sind spanische Autoren, deren Bücher man in Cuba überall finden kann. In ihrem Werk "Venezuela verstehen, Demokratie denken. Der moralische Kollaps der westlichen Intellektuellen" machen die Autoren deutlich, dass die Geschichte des XX. Jahrhunderts die tiefe Unvereinbarkeit von Kapitalismus und Demokratie gezeigt habe, da sich das Volk als Souverän nur darin äußert, wenn es gelegentlich das wähle, was das Kapital benötige. Wenn aber die Entscheidungen des Souveräns den Diktaten der Privatwirtschaft widersprächen, blühten die Staatstreiche, Kriege und Verfolgungen. Die beiden spanischen Autoren gehen davon aus, dass der Sozialismus die Vorbedingung für die Demokratie ist. Ohne soziale Gleichheit und individuelle Unabhängigkeit, ohne dass alle gesetzlich geschützte, würdige Lebens- und Arbeitsbedingungen haben, gibt es keine wirklichen Staatsbürger. Unter der Sklaverei, unter der Unterwerfung unter die Diktate der Privatinteressen, ist wahre Demokratie unmöglich. Es geht also darum, dass das Volk wirklich über die Ökonomie bestimmt, denn das, was man wolle, sei ja ein Rechtsstaat und Demokratie. Die Kollektivierung der Ökonomie sei notwendig, damit das Volk und seine Institutionen Entscheidungen treffen können, die befreit sind von dem Joch eines Konglomerats von mehr oder weniger chaotischen Privatinteressen, wie sie sich in den Märkten ausdrücken, oder in der von der Wirtschaft unterstützten politischen oder militärischen Macht bestehen.

Kann Cuba in dieser Richtung etwas entwickeln?

Bis jetzt verläuft die zentrale Planung der Wirtschaft ziemlich vertikal mit entsprechend wenig feedback. Die cubanische Führung hat ihr Volk immer sehr gut behandelt, keinen ausgeschlossen und eine über die Produktivität hinausgehende soziale Absicherung geleistet. Aber Disziplin und revolutionäre Treue waren eher angesagt als große Fortschritte in der Basisdemokratie und Vertrauen in die Entscheidungen derer von unten. Über die unterbrochene Verbindung zwischen unten und oben gibt es viele Anekdoten und viele haben sie einfach als strukturelle Gegebenheit akzeptiert, an die man sich einfach anpasst.

Perfeccionamiento empresarial – Wie man Unternehmen besser führt

Vor ein paar Jahren hat die cubanische Regierung von den positiven Erfahrungen der Revolutionären Streitkräfte (FAR) ausgehend, eine Initiative lanciert, die mit dem Begriff "Perfektionierung von Unternehmen" übersetzt werden könnte. Die Idee war, ein rigoroses und gleichzeitig ethisches und partizipatives Funktionieren der Unternehmen zu fördern. Das Konzept sieht eine Anzahl von Anreizen für erfüllte Verpflichtungen und Kreativität vor. Man hat vor, ans cubanische System die eine oder andere Methode in der Führung anzupassen, die aus Untersuchungen von Kooperativen im Kapitalismus herrührt, die Beziehungen zwischen Verantwortlichen und Untergebenen zu verbessern und allen Beteiligten harte Verpflichtungen bezüglich Produktivität und wirtschaftlicher Dynamik aufzuerlegen. Wenngleich die Pläne sich natürlich in die Armee einbinden lassen, so haben sich im zivilen Leben doch heftige Schwierigkeiten bei der Durchführung ergeben. Ein Bericht in Juventud Rebelde macht deutlich, wie diese Idee frontal mit der bestehenden Trägheit zusammenstößt, an die viele cubanische Betriebe gewöhnt sind. Ihnen gelingt es nie, die Anforderungen zu 100% zu erfüllen, die erforderlich sind, wenn man an dem Programm teilnehmen möchte. Manche kommen und gehen auch, was ebenfalls dazu führt, das man die erhofften Ergebnisse nicht erzielt.

Einen Grund dafür sieht die Dekanin Ileana Lara Fernández von der Universität Guantánamo darin, dass die Unternehmer nicht die Befugnis haben, ihre Ressourcen dann zu kaufen, wenn sie diese benötigen und sie am günstigsten zu bekommen sind. Die Autonomie, die diese Betriebe haben, ist auf diesem Gebiet sehr kontrolliert und bei der Durchführung ihrer Pläne mit vielen Auflagen von oben verbunden.

Der Wissenschaftler Gilberto García González, der sich seit mehr als einem Jahrzehnt der Ausbildung dieser Art Unternehmer widmet, sieht ein weiteres Problem darin, dass es vielen Arbeitern einfach aufgedrückt worden sei, ohne dass sie eine Möglichkeit hatten, sich damit vertraut zu machen.

Ein weiteres Handicap ist der übertriebenen Formalismus. Dafür zeigt Gilberto ein Beispiel auf. Um bei dem Programm mitzumachen gibt es einen Auflagenkatalog, den es abzuarbeiten gilt. So wollte ein touristisches Zentrum in der Stadt sich um den Eintritt in das Projekt bemühen und bekam seinen Auflagenkatalog. Ein Forderung darin war, Bäume am Ufer eines Flusses zu pflanzen. Das Problem für diesen Betrieb war nur, dass es weit und breit keinen Fluss gab, wo man Bäume hätte pflanzen können. Da man also diese Maßgabe nicht erfüllen konnte, wurde es zunächst einmal nichts mit dem Projekt. Später stellte sich heraus, dass man den Auflagenkatalog zusammengestückelt hatte und die Urfassung sich auf einen Betrieb an einem bedeutenden Fluss in Baracoa bezogen hat.

Tomás Brown Pacheco, der in der Provinzdirektion für die Arbeiter zuständig ist, erklärte, dass eine schlechte Konzeption der Fürsorge für den Menschen auch das Projekt gefährde. "Es geht nicht nur darum, dass der Arbeiter mehr verdient, sondern auch, dass er an seinem Arbeitsplatz die Mittel und Arbeitsbedingungen zur Verfügung hat, damit er produktiv und effizient sein kann. Wenn diese Bedingungen nicht vorhanden sind und wenn auch noch die Anforderungen und die Disziplin nicht durchgesetzt werden, kommt es zu einer Erschlaffung und die Arbeiter sehen es als völlig normal an, zur Arbeit zu kommen und nicht die nötigen Ergebnisse zu produzieren.
Aber der Verantwortliche eines solchen Betriebs hat viele Vorrechte.
Ihm werden vom Konzept her 109 Befugnisse zugestanden. Doch Pachecos Meinung nach wollen viele, die diesen Posten übernehmen, nicht das Risiko eingehen, ihn wieder zu verlieren. "Deswegen machen sie lieber das, was ihnen oben jemand sagt, damit sie am Ende nicht die Verantwortung für ihr Tun haben. Das ist zwar wenig ethisch, entspricht aber einem bürokratischen Denken."

Armando Pérez Betancourt, der Vizeminister für Wirtschaft und Planung, dem Ministerium, das als Organisator für die Anwendung der betrieblichen Perfektionierung zuständig ist, sagt, dass im Jahr 2009 diese Art Unternehmen 65% der Einkünfte des Landes erwirtschaftet hätten. Darin sieht der Minister einen beachtlichen Erfolg. Für ihn ist das größte Problem die Buchführung. "Es gibt noch viele Unternehmen ohne Buchführung, ohne Kontrolle. Bei der letzten Supervision hatten noch 46% der Betriebe, die nicht am Projekt teilnehmen keine Buchführung, innerhalb des Projekts gab es nur 19%. 60 Betriebe sind ausgestiegen. In einem solchen Fall verlieren die Arbeiter ihre Zusatzzahlungen und der Betrieb verliert alle Rechte. Wenn er wieder neu anfangen will, muss er erst das Problem der Buchführung lösen. Das ist die fundamentale Anforderung für jedes Unternehmen.

Es gibt Unternehmenszweige, die praktisch vollständig nach diesem Konzept arbeiten:
Die Nickelindustrie, die Elektrizität und Cupet (CubaPetroleo). Das heißt, dass die drei wichtigsten Zweige der Wirtschaft vollständig "betrieblich perfektioniert" sind. Im MICONS (dem Bauministerium) wird das System fast überall angewandt. Wir kommen nach und nach voran, weil diese Systemveränderung nicht einfach von den Betrieben assimiliert wird. Das Modell ist kein Ziel, bei dem es um Masse geht; es ist ein System, bei dem man Schritt für Schritt vorgehen muss, bis man erreicht, dass die Mehrheit der Betriebe es anwendet."
Damit dieses System innerhalb eines sozialistischen Umfelds Erfolg haben kann, muss noch etwas mehr geschehen als nur die Umformung jeden Betriebes. Auch die Art und Weise, wie ökonomische Entscheidungen getroffen werden, muss sich ändern, denn das ist in einer sozialistischen Gesellschaft, die nicht vom Markt regiert ist, eine eminent wichtige politische Frage.

Was beim Militär klappt, kann man nicht ohne weiteres auf den Rest der Gesellschaft übertragen. Dort hält die Disziplin alles zusammen und Strukturveränderungen sind nicht nötig. Ansonsten muss Cuba sich als demokratische sozialistische Gesellschaft weiter entwickeln, auch wenn dies im permanenten Ausnahmezustand einer US-Blockade schwierig ist.

Uns fehlen, wie schon gesagt, die Einzelheiten, um etwas mehr über die Richtung sagen zu können, in die sich die Veränderungen in Cuba bewegen. Vielleicht trifft es zu, dass für einige Sektoren der Wirtschaft ein privater Markt die angemessene Lösung ist. Was irritiert, ist, dass man nicht sieht, wie es weitergeht.

Wie wir oben gesehen haben, fällt der Mangel an Professionalität bei der Leitung von Unternehmen und öffentlichen Organen auf. Es ist aber nicht wirklich nötig, dass die Unternehmen privat werden müssen, damit sie die Arbeiter als ihre eigenen annehmen. Wenn sie dann privatisiert sind, ist es weniger die Liebe zur Arbeit oder die ethische Überlegenheit des kapitalistischen Unternehmens, was die Produktivität anspornt, sondern eher die Angst vor Entlassungen. Privates Eigentum impliziert, dass die Produktionsgüter nicht den Arbeitern zu gehören pflegen. Der Kooperativismus ist bis jetzt nicht gerade das dominierende Modell in den Marktwirtschaften. Privatisierung kennen wir ja in unsern Landen zur Genüge und keine davon hat zur Verbesserung irgendeines Dienstes beigetragen. Sie war immer verbunden mit Dumpinglöhnen, Prekariat und mehr Ausbeutung.

Das Problem ist vielleicht, dass wie im augenblicklichen System die Betriebe geführt werden, viele cubanische Arbeiter fühlen, dass sie genau so wenig Verantwortung haben wie ein Untergebener in einem kapitalistischen Betrieb, nur dass sein Arbeitsplatz sicher ist und er nicht den Bach heruntergeht, wenn er nicht bis zum äußersten arbeitet.

Es ist richtig, dass in Cuba innerhalb der Strukturen der Kommunistischen Partei und der revolutionären Organisationen viel debattiert wird. Auf der anderen Seite sind die wichtigen Schritte, die der Journalismus in Cuba unternommen hat, die Kritiken und Fragen der Bürger durch Briefe an den Direktor zu transportieren, wie dies jetzt z.B. recht umfangreich jeden Freitag in der "Granma" der Fall ist, oder tiefgehende Untersuchungen auch zu Dingen,die auf der Insel falsch laufen, nicht genug. Sie haben aber dazu gedient, zu beweisen, dass der Revolution nichts Schlimmes passiert, wenn sie mehr Transparenz vermittelt, ganz im Gegenteil. Es wäre gut, wenn sich die Medien in Vorkämpfer der Umwandlungen verwandelten, die das sozialistische System benötigt, um sich zu entwickeln und seine Schwierigkeiten zu überwinden. Aber zusätzlich zu der Notwendigkeit, breiter und schneller über das zu informieren, was in Cuba passiert, ist es wichtig, in Tiefe und Genauigkeit ein Bild von der Realität des Kapitalismus auf der Welt zu vermitteln, um der Debatte nicht aus dem Weg zu gehen, sondern sie jeden Tag neu zu gewinnen. Das soll in einer Art und Weise geschehen, in der das Volk einbezogen ist und dessen Einsicht in die tiefe Legitimität des Sozialismus gefestigt wird.

Wir jedenfalls vertrauen auf die, die es möglich gemacht haben, dass die Hoffnung bis heute weiterleben konnte. Aber es ist unerlässlich, dass man über alles spricht, Alternativen diskutiert und dass die cubanische Revolution sich über sich erhebt und uns allen wieder eine Lektion erteilt. Wir gucken weiter auf diese Insel, die Widerstand leistet, unser letztes Territorium und wir würden gerne weiter sagen: Guckt mal Cuba an, so macht man das.

Quellen: www. Juventudrebelde.cu/cuba/2010-07-05/visteme-despacio/
Rebelión:Javier Mestre "La responsabilidad y la esperanza, 19.08.2010
Bohemia: Ariel Terrero, "Cuentas Claras", 15.06.2010
La Haine. José Miguel Arrugeta – Joseba Macás, «Reformas en Cuba: Cambios estructurales en la Revolución
IPS: Patricia Grogg: Gobierne se dispone a reducir plantillas infladas

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