Der Medien-Hype, den man derzeit allenthalben um den "nützlichen Leichnam" von Orlando Zapata veranstaltet, ist Beispiel für Freiheit und Demokratie in ihrer übelsten Form.
Der genannte Häftling, der nie zu den 75 "Gewissensgefangenen" aus dem Jahr 2003 zählte, sondern vielmehr wegen schwerer Körperverletzung einsaß, wurde irgendwann von Miamis CANF (Cuban American National Foundation) "adoptiert", indem sie ihm nahe legte, völlig inakzeptable Forderungen zu stellen – nach einem eigenen Fernseher, einem eigenen Telefon und einer eigenen Küche in der Zelle – und dafür einen Hungerstreik zu inszenieren. Zum Lohn dafür versprach sie ihm, seine Familie finanziell zu unterstützen (was dann wohl auch geschah). Es darf als äußerst fraglich angesehen werden, ob Zapata sich zu irgendeinem Punkt seiner Aktion des gesundheitlichen Risikos bewusst war, das er dabei einging. Als er letztlich trotz der ärztlichen Bemühungen um seine Person im Hospital "Almejeiras" verstarb, hatten diejenigen, die ihn in berechtigter Hoffnung auf seine Naivität zu diesem Wahnsinn animiert hatten (und ihn schlussendlich auf dem Gewissen haben), ihren "Märtyrer", den sie sogleich posthum zum "Kämpfer gegen ein inhumanes Regime" hochstilisierten.
Die internationale Presse sprang so auf dieses in sich selbst die Menschenrechte verachtende Komplott an, als ob es jahrelang auf eine solche Gelegenheit gewartet hätte. Auf europäischer Seite lief (und läuft) besonders Spanien zur Hochform auf. Die Kampagne thematisiert, quasi als Nebenprodukt, sogar wieder die zwischenzeitlich arg aus der Mode geratenen "Damen in Weiß".
Hierbei lohnt ein Blick darauf, wer sich da hinsichtlich der Menschenrechte so weit aus dem Fenster hängt. Im Internet-Portal "You Tube" gibt es dazu ein hübsches, entlarvendes Video, das den Abtransport der "Libertad, libertad" ausrufendenden "Damas en blanco" in Havanna zeigt. Da werden sie durch cubanische Polizisten vom Demonstrationsort per Achselgriff weggezogen wie bei einem DLRG-Einsatz, als die Wut der Gegendemonstranten Überhand zu nehmen droht. Es folgt ein Schnitt mit dem süffisanten Hinweis an Cuba: "Asi no lo hace! Lo hace asi!” (So macht man das nicht! Man macht es so!), worauf illegal gefilmte spanische Ordnungskräfte voller Kraft mit Gummiknüppeln auf Basken, Katalanen und andere iberische Minderheiten eindreschen und dabei mehrere Menschen blutig prügeln.
Es kursiert ein unglaubliches Pamphlet, das keines der tumbesten Vorurteile gegen Cuba auslässt, und es wurde von namhaften spanischen Intellektuellen unterzeichnet, wie zum Beispiel von Pedro Almodóvar. Irgendwie ist es schon erschütternd zu sehen, wie jemand wirklich tolle Filme machen und zugleich von seinem politischen Bewusstsein her wo wenig Durchblick hat.
Wir wollen unsere Leserschaft nicht mehr mit Erklärungen langweilen, warum hierzulande Organe wie die FAZ auf diesen Zug aufspringen und vorgeben, den Tod Orlando Zapatas zu betrauern, obgleich er sie propagandistisch in Entzücken versetzt. Wenn es den bürgerlichen Medien – hier und weltweit – allen Ernstes um die Menschenrechte ginge, dann gäbe es wahrhaftig anderenorts Äcker, die man bearbeiten könnte. In Kolumbien gab es 30.000 Tote durch politisch motivierte Exekutionen, die von den dortigen Paramilitärs zugegeben wurden. Die Dunkelziffer liegt vermutlich wesentlich höher. Haben wir bei uns je Kolumbien (wenn überhaupt) anders kennen gelernt denn als "das" demokratische Bollwerk gegen Hugo Chavez’ sozialistisches Venezuela? Dagegen bauscht man Cuba als Diktatur auf wegen eines nachweislichen Toten. Wie blöd kann man heutzutage eigentlich argumentieren und dennoch als seriöses Medium durchgehen?
Ulli Fausten für die CUBA LIBRE - Redaktion
CUBA LIBRE 2-2010