Nach acht Jahren Besetzung können die ArbeiterInnen der Fliesenfabrik Zanon in Neuquén/Argentinien einen weiteren Triumph feiern. Am 12. August hat das Provinzparlament beschlossen, die Fabrik zu enteignen und der Arbeiterkooperative FaSinPat – Fabrik ohne Chefs – zu überlassen," so euphorisch klang die erste Stellungnahme der Kölner Zanon-Unterstützerin Alix Arnold. Etwas nüchterner war die Reaktion des Zanon-Beschäftigten Raul Godoy.
Er kommentierte den Beschluss des Bezirksparlaments:
"Das ist ein wichtiges Zwischenergebnis, und es ist ein gigantischer Schritt, dass ein Unternehmer wie Luigi Zanon enteignet wurde. Aber: Das Gesetz sieht vor, dass die Provinz 23 Millionen Peso, umgerechnet etwa vier Millionen Euro, an die Gläubiger des ehemaligen Besitzers zahlt. Wir sind der Meinung, dass diese Schulden von der Familie Zanon gemacht wurden und nicht vom Staat übernommen werden sollen."
Godoy betont, dass der Kampf der Zanon-Arbeiter noch längst nicht zu Ende ist: Die Enteignung ist eine Teillösung, die uns erlaubt, weiter für unser endgültiges Ziel zu kämpfen, nämlich die Verstaatlichung der Fabrik.
Zumindest ist jetzt mit den Räumungsversuchen und den Problemen Schluss – in den letzten acht Jahren gab es fünf Versuche, uns mit Gewalt zu räumen. Es ist etwas unklar, was Godoy unter Verstaatlichung versteht. Denn eigentlich wäre ja eine Vergesellschaftung unter Arbeiterkontrolle die richtige Forderung. Zumal die Zanon-Belegschaft bereits in den 7 Jahren der Besetzung diese Arbeiterkontrolle praktisch umgesetzt haben. Das ging soweit, dass selbst die Kachelmotive verändert worden. Unter dem Kommando des alten Patron wurden antike griechische Motive verwendet. Nach der Besetzung bekamen die ArbeiterInnen Kontakt zu Indigenen und bald wurden deren Motive übernommen. Das war Folge einer Politisierung der Belegschaft, die 2002 begonnen hat.
Zu dieser Zeit waren die Folgen des Bankenkrachs und der Wirtschaftskrise in ganz Argentinien zu spüren. Arbeiter, Erwerbslose, selbst die Mittelklasse ist damals auf die Straße gegangen. Zahlreiche Fabriken wurden besetzt. Zanon war eine davon. Es handelt sich dabei um eine der größten und modernsten Kachelfabriken des amerikanischen Kontinents.
Nachdem die Bourgeoisie in Argentinien wieder Tritt gefasst hat, begann der Kampf gegen die Arbeiterautonomie. Mehrmals drohte Zanon die Räumung. Doch die ArbeiterInnen und ihre UnterstützerInnen gaben nicht auf. Immer wieder gab es Aktionen für den Erhalt von Zanon. Die Entscheidung des Provinzparlaments ist da schon ein großer Erfolg.
Bereits im Jahr 2007 war die besetzte Textilfabrik legalisiert worden, die auch mehrmals geräumt werden sollte. Man sollte nicht denken, dass Fabrikbesetzungen nur in Argentinien möglich sind. Im Juli hatten die Beschäftigten der mehrere Monate besetzten Maschinenfabrik INSSE in Mailand einen großen Erfolg zu verbuchen. Die Schließung des Werks konnte verhindert werden. Deswegen könnte der Erfolg von Zanon auch den Arbeitern in Europa Mut machen.
Peter Nowak
Wer sich über die Geschichte von Zanon informieren, sei der Film " Mate, Ton und Produktion. Zanon - eine Fabrik unter Arbeiterkontrolle" empfohlen.
Argentinien/Deutschland 2003; Regie: Susanne Dzeik, Kirsten Wagenschein (ak kraak); 50 min.; Original mit deutschen Untertiteln. Erhältlich unter iakkraak@riseup.net
CUBA LIBRE 4-2009