Dem Reisenden, welcher Augenzeuge von dem war, was die menschliche Natur quält oder entwürdigt, ziemt es, die Klagen der Unglücklichen zu Gehör derer zu bringen, die sie lindern können.
Humboldt bereiste Kuba zu einer Zeit, in der sich gerade eine Sklavenhaltergesellschaft etablierte. Nachdem
während der Sklavenrevolution 1792 auf Haiti die bisher größten Plantagen weitgehend
zerstört worden waren, hatte sich aufgrund verschiedener politischer und wirtschaftlicher Faktoren auf
Kuba eine ausgeprägte Zuckerplantagenwirtschaft ausgebildet, die auf den Import von Sklaven angewiesen war.
Die Zuckeraristokratie wehrte sich standhaft gegen Unabhängigkeitsbestrebungen, da die Zugehörigkeit
zur spanischen Krone auch die Sklavenhaltergesellschaft aufrecht erhielt.
Mit seinem Kapitel Über das Sklavenwesen bekannte sich der wohl größte Geograph der Neuzeit,
Alexander von Humboldt, zu einer humanistischen Verantwortung eines jeden Wissenschaftlers. Mit diesem
sozialgeographischen Ansatz, der seine naturgeographischen Untersuchungen in einen ganz neuen Sinnzusammenhang
einbettet, war Humboldt seiner Zeit weit voraus. Er argumentierte vehement gegen die Zustände, in denen die
schwarze Sklavenbevölkerung lebte und stellte damit seine Länderkunde in den Dienst der
Menschenrechte.
Zum 125. Todestag Humboldts vor mittlerweile auch schon 25 Jahren publizierten nun Hanno Beck und die
Wissenschaftliche Buchgesellschaft Alexander von Humboldts bleibendes Werk in einer siebenbändigen
Studienausgabe. Der dritte Band ist dem Cuba-Werk gewidmet, das in der Originalausgabe, der Relation Historique
(Paris 1814, 1819 und 1825/eigentlich 1831), den Essai politique sur l’île de Cuba im letzten Band darstellt.
Die jetzt vorliegende deutschsprachige Ausgabe gliedert sich in einen Textteil mit dem übersetzten
Original und einen Kommentarteil. Es empfiehlt sich, den Kommentar vor dem eigentlichen Text zu lesen, da Hanno
Beck eine sehr nützliche Einführung in die Lektüre des Cuba-Werkes bietet. Die Punkte 1 – 4 der
Einführung richten sich eher an den wissenschaftstheoretisch interessierten Leser, indem bisherige
Ausgaben des Cuba-Werks angeführt und besprochen und ein Überblick über Inhalt und Methodik des
Werks gegeben werden. Dabei fallen die beiden Punkte 2 und 3 etwas trocken aus, rechtfertigen jedoch die
Notwendigkeit einer solchen kommentierten deutschen Übersetzung des amerikanischen Reiseberichts von
Humboldt.
Hilfreich ist der Überblick, da er eine Einordnung des Cuba-Werkes in die geographische
Forschungsgeschichte ermöglicht und bestimmte politische Gegebenheiten verdeutlicht, die zum
Verständnis unerläßlich sind, wie zum Beispiel die Tatsache, daß Humboldt den von Bolivar
ermöglichten Großstaat im Sinn hat, wenn er von Colombia spricht.
Der letzte Punkt, Zur Wirkungsgeschichte des Cuba-Werkes, geht auf die Rezeption Humboldts zu verschiedenen
Zeiten und an verschiedenen Orten sowie auf die Wirkungen seiner Ausführungen ein. Dieser Teil ist sehr
spannend zu lesen und versteht es, Interesse an Humboldts Werk zu erwecken.
Besonders die Erläuterungen zu dem in den USA entstehenden Meinungsstreit zwischen der die Sklaverei
verachtenden Republikanischen Partei und den Demokraten, der Sklavenhalterpartei, machen die weitreichende
Bedeutung dieser sozialrevolutionären Länderkunde deutlich, die von beiden Parteien für ihre
jeweiligen Wahlkampfprogramme instrumentalisiert wurde, obwohl Humboldt sich für die abolitionistischen
Belange der Republikaner eingesetzt hatte.
Inga Seifert
Alexander von Humboldt, Studienausgabe (Hrsg. Hanno Beck), Band 3: Cuba–Werk,
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, ISBN 3-534-03103-2, 264 Seiten, 72,– DM.
CUBA LIBRE 3-2009