In dem Buch von Oliver Lubrich und Ottmar Ette über Alexander von Humboldt und seinen Tagebuchaufzeichnungen
unter dem Titel "Über einen Versuch den Gipfel des Chimborazo zu ersteigen" entdeckt der Leser die diversesten
Facetten seiner Zeit. Humboldt, der 90 Jahre alt wurde und damit in seiner Zeit wohl zu den Metusalems und
Ausnahmen gezählt haben dürfte, starb vor 150 Jahren im Jahre 1859.
Die Besteigung des ecuadorianischen Berges wird auf den 23. Juni 1802 datiert. Er war 33 Jahre alt, als er sich
auf machte den 6.310 Meter hohen Giganten zu besteigen. Er galt zur damaligen Zeit als Mount Everest unter den
Bergen, den höchsten Berg der Erde. Man bedenke auch unter welchen Bedingungen Humboldt mit seinen Freunden um
den französischen Arzt und Botaniker Bonpland den Berg bestiegen: ohne vernünftige Bergausrüstung und Schuhzeug
sowie natürlich auch ohne eine Sauerstoffanlage, die so eine Besteigung wesentlich einfacher und schmerzfreier
gemacht hätte.
Die Tagebuchaufzeichnungen geben dem Leser Kunde über die mannigfaltigen Kenntnisse und Fähigkeiten Humboldts.
So beschrieb und maß er den Berg ausführlich, nahm Gesteinsproben en mas, schrieb unzählige Briefe und machte
seine Aufzeichnungen die er mit nach Europa nahm und ihn dort zur gefragten Person machten. Wieso aber nennt
Humboldt es einen Versuch den Chimborazo zu besteigen? Nun, eine Gletscherspalte hinderte ihn etwa 300 Meter
unterhalb des Gipfelziels zur Erstbesteigung. Allerdings dauerte es auch weitere Jahre bis jemand seinen
Höhenrekord einstellte und den Gipfel erklomm. Humboldt war aber der Erste der den Chimborazo und viele weitere
Berge Mittel- und Südamerikas genauer beschrieb und vor allem viele biologische und geologische wie –grafische
Untersuchungen anstellte. Das Leben Humboldts erinnert entfernt ein wenig an die lateinamerikanische Reise des
Che.
Beide machen sich auf die Welt zu entdecken, sie besteigen Berge, schreiben ihre Tagebücher und stellen sich
auf die Seite der Unterdrückten. Che beteiligte sich aktiv an den Befreiungskämpfen seiner Zeit. Humboldt tut
dies dezenter, versucht bei den Märzkämpfen l848 beim König zu vermitteln und trauert mit den Angehörigen der
Gefallenen oder stellt sich gegen die diskriminierenden Judengesetze. Auch beeinflußte Humboldt Simon Bolivar,
den großen Befreiers Lateinamerikas. Das Echo des Anstieges an den Berg hallte in der Literatur und in der
Geschichte nach. Bolivar soll im Jahr 1822, auf dem Gipfel seines Siegeszuges von Venezuela durch die
Andenländer ebenfalls den Chimborazo bestiegen und ein visionäres Prosagedicht verfaßt haben. Als Höhepunkt
seines "Zuges der Freiheit" wird der Gipfelsturm hier zum Sinnbild für die Befreiung Amerikas aus dem
spanischen Weltreich. Ein Gründungsmythos eines freien Kontinents. Er folgte dabei den Spuren Humboldts von
einem Standpunkt aus, den Humbodt vorgegeben hatte um Neuland zu betreten. Es entstanden in der Folge zwei
Bilder sowie ein Theaterstück darüber.
CUBA LIBRE 3-2009