Ich habe Reinhard anfang der Neunziger Jahre kennengelernt. Es war die Zeit der triumphalen Euphorie des
Kapitalismus, die Zeit des Schweigens der Mehrheit der Linken. Nichtsdestotrotz blieben einige Fahnen
erhoben, unter ihnen die von Cuba.
Reinhard kam aus der DDR und ob wohl er Irrtümer einsah und eine kritische Meinung hatte, verleugnete
er nicht sein Land, seine Errungenschaften, seine Leute.
Wir unterhielten uns lange Stunden über die Ursachen des Falls des Sozialismus in Osteuropa, die
Rolle der Bürokratie als Zerstörerin der Utopien, die Notwendigkeit, die Entscheidungsprozesse
in den eigenen politischen Organisationen zu demokratisieren. Es waren die Themen des ideologischen
Kampfes dieser Zeit.
Er unterstützte alle Initiativen, die wir ihm vorschlugen: Die Arbeit des Zentrums für die
Konvergenz der Volksbewegungen von Lateinamerika und der Karibik, die folgenden Tagungen vom September und
die internationalen Workshops, die realisiert wurden, als die, die dieses schreibt, das Haus der
Erinnerung an Salvador Allende leitete. Mit der Hitze der Arbeit wuchs ein großes politisches
Vertrauen zwischen uns. Jedes Mal, wenn ich nach Berlin ging, ging ich über den Kleinen
Alexanderplatz, um mit ihm über die Fortschritte der Solidarität zu sprechen, die Situation in
Europa und Lateinamerika. Wir sprachen über den schwierigen Prozess, Cuba Sí als Arbeitsgruppe
der PDS zu gründen, und ob dieses eine Schwächung der Unabhängigkeit der Arbeit bedeutete
oder sie stärken würde.
Reinhard war sehr human und transparent. Wenn die Treffen endeten und wir uns in mehr vertrauten Gruppen
zusammenfanden, ließ er eine Art der Traurigkeit erkennen über das, was mit dem
europäischen Sozialismus geschah. Die Genossen kamen in einem alten Kleinbus vollgemalt mit
Solidaritätszeichen, mit Flaggen von Cuba. Und so legten sie Hunderte von Kilometern zurück. Es
gab auch solche, die sich über die "Ossis" lustig machten, aber diese Genossen setzten ihre
alltägliche Arbeit mit Sorgfalt und viel Treue fort.
Er und seine Familie wollten nach Cuba kommen, wenn die Intensivphase seiner Behandlung beendet war.
Tatsächlich erwartete ich, ihn im Laufe des Junis zu sehen. Die Meldung seines vorzeitigen Weggangs
war ein schwerer Schlag.
José Martí drückte die Idee aus, dass der Tod nicht existiert, wenn das Werk des Lebens
vollbracht ist. Reinhard hätte noch viel mehr tun können. Trotzdem markiert das in diesen Jahren
Geleistete eine Spur in der Solidarität, in der Freundschaft zwischen den Völkern.
Für mich und die Lateinamerikaner, die wir kennen, geht er weiterhin über diese Erde, mit seinem
Lachen und seinen Träumen.
Mit solidarischen Grüßen Maria Rojas
La Habana, junio de 2009
Wir sind traurig über den Tod von Reinhard Thiele. Er ist für die Cuba Solidaritätsbewegung
ein unersetzlicher Verlust.
Im Januar konnte er noch den 50. Jahrestag der cubanischen Revolution in Santiago feiern, aber bald danach
erfuhren wir von seiner schlimmen Krankheit.
Er hat in für Cuba schwierigen Momenten der Cuba-Solidaritätsbewegung entscheidende Impulse gegeben
und mit großer Leidenschaft für Cuba gearbeitet.
Er gehörte zu den Menschen, die das ganze Leben lang gekämpft haben, die Silvio in seinem Lied
von den Schlangen mit Brecht als die "imprescendibles", die Unersetzlichen bezeichnet hat.
Im Namen der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V. spreche ich Euch und Reinhards Familie unser tief
empfundenes Mitgefühl aus.
Mit solidarischen Grüssen
Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V.
Renate Fausten
Foto: Cuba Sí
CUBA LIBRE 3-2009