Die Cuba-Solidarität hat viele Gesichter


Wir fragten: Heinz W. Hammer


Warum fühlst du dich gerade mit Cuba solidarisch?

Che Guevara wurde am 9. Oktober 1967 in La Higuera, Bolivien ermordet. Zu diesem Zeitpunkt war ich 13 Jahre alt und aktiv in der katholischen Jugend. als Arbeiterkind im Ruhrpott war es klar, dass man sich irgendwo, möglichst sozial, zu organisieren hatte. Und wenn’s mit dem Fußball nicht klappte, blieb ja immer noch die katholische Jugend. Damals gab es – parallel zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung – einen innerkirchlichen Aufbruch, der sich in progressiven Entscheidungen des II. Vatikanischen Konzils (62-65) widerspiegelte. Die in Lateinamerika geborene Theologie der Befreiung (damals bspw. Dom Helder Camara, Leonardo Boff sowie der bereits am 15. Februar 1966 im Gefecht getötete "Guerrilla-Priester" Camillo Torres) fand in Westeuropa insbesondere in den Niederlanden große Resonanz. Da zu dieser Zeit zahlreiche niederländische Priester ihren kirchlichen Dienst in Westdeutschland ausübten, erreichten über diesen Weg diese rebellischen Ideen auch uns. In dieser Situation ging die Nachricht über den Tod des Che Guevara um die Welt; noch heute habe ich einen Zeitungsausschnitt von damals. Ein unvorstellbares Verbrechen war geschehen. Ja, mehr als das: einer von uns war von den CIA-Schergen brutal ermordet worden.

Unser Jugend-Kaplan, dem ich meine Empörung auf den Tisch packte, schlug mir vor, meine Wut in eine Lesung (Kernreferat eines katholischen Gottesdienstes) zu packen. Dies habe ich getan und es hat dem von mir bis heute hoch geschätzten Priester keinen geringeren Ärger eingebracht -–der Beginn meines dezidiert politischen Engagements, das über rein humanistisches Engagement hinausging. Seitdem sind 42 Jahre vergangen und ich hatte diverse politische Schwerpunkte in anderen Arbeitsfeldern. Die cubanische Revolution hat mich aber seither nie losgelassen.

An dieser Stelle noch eine Ergänzung: Seit Ches Ermordung ist es Konsens aller bürgerlichen Berichterstattung, der Einsatz in Bolivien sei "Abenteurertum" und völlig sinnlos gewesen. Falsch! Am 22.01.06 wurde Evo Morales als erster indigener Präsident dieses Landes in sein Amt eingeführt. Bereits am Vortag fand seine Inauguration in indigener Tradition statt. Hierbei formulierte er: "Die Zeit der Veränderung ist gekommen (...) wenn wir heute gesiegt haben, dann nicht, um uns zu erhöhen oder irgendjemand zu unterdrücken. Wir haben gesiegt, um dieses Land zu einen und um gleiche Bedingungen für alle seine Einwohner zu schaffen. Wir, meine Brüder und Schwestern, werden nun jenen Kampf zu ende bringen, den Che Guevara begonnen hat!" und Calica Ferrer, Jugendfreund des Che, meinte hierzu: "Ernesto hat diese Schlacht verloren, in der er gestorben ist. Aber er hat den Krieg an dem Tag gewonnen, als Ewo Morales Präsident wurde."

Was heißt es für dich, Solidarität mit Cuba zu üben?

Bezugnehmed auf die o.g Erfahrung heißt dies zunächst, dass – wie Comandante Fidel schon vor einigen Jahren feststellte – es "kein Monopol auf Solidarität" gibt. Jede und Jeder der/die mit aufrechten Motiven kommt, muss willkommen sein. Solidarität mit Cuba üben, muss auch heißen, von den Erfahrungen der cubanischen Freund/innen zu lernen. Schließlich muss Solidarität grundsätzlich bedingungslos sein. D.h.: Es werden keine Bedingungen gestellt, bevor Solidarität geübt wird. Eine sogenannte "kritische Solidarität" endet erfahrungsgemäß immer auf der anderen Seite der Barrikade.

Daher heißt es für mich: Differenzen werden ausschließlich innerhalb der Familie ausgetragen. Die – um auf die Frage zurückzukommen – Solidarität mit Cuba kann immer nur die Solidarität mit dem revolutionären Cuba, mit deren Träger/innen bedeuten. Solidarität heißt, wie Fidel einmal sinngemäß sagte, nicht zu geben, was man übrig hat. Die jeweilige Form der Solidarität, als bspw. Schwerpunktmäßige materielle oder prioritär politische Unterstützung, kann nicht von der Lust und Laune in den Metropolen abhängen, sondern nur von den objektiven Anforderungen, den Bedürfnissen der Partner.

Was wünschst du Cuba für zu seinem 50. Jahrestag?

Weniger Hurrikans, Befreiung aus dem barbarischen Würgegriff der Blockade, Stabilisierung vor allem auf dem Ernährungs- und Energiesektor, weitere Fortschritte der Revolution in allen Sektoren, Einbeziehung der breiten Masse der Jugend für den Kampf um die nächsten Jahre auf revolutionärer Basis.

Welches Symbol würdest du für Cuba wählen?

Den Baobab. Dieser Afrikanische Affenbrotbaum zeichnet sich zunächst durch seine besondere Langlebigkeit (geschätzte 1.000 – 2.000 Jahre) aus. Seine Wurzeln reichen bis 1,8 Meter in die Tiefe und in horizontaler Richtung erstreckt sich das Wurzelsystem weiter als die Baumhöhe. Dies symbolisiert die tiefen Wurzeln, die die cubanische Revolution in die jahrhundertelange Geschichte des eignen Volkes, der Conquista und des Widerstandes hat. Die Blätter und das Fruchtfleisch dienen nicht nur als Nahrung, sondern fast jeder Teil des Baumes findet als Grundstoff für Bekleidung und Baumaterial sowie als Volksmedizin Verwendung – so wie es auch Aufgabe der cubanischen Revolution selbst ist, die ein weltweit einzigartiges Sozial- und Gesundheitssystem aufgebaut hat.



Wir fragten: Werner Ströhlein
(Stellvertretender Vorsitzender der Freundschaftsgeslleschaft BRD-Kuba)


Warum fühlst du dich gerade mit Cuba solidarisch?

Cuba zum 50sten, ... immer noch rebellisch, revolutionär und sozialistisch !!! ...
Das sind die drei Attribute, die in den 70er Jahren Interesse für die "rote Insel" in mir weckten. Als linker Aktivist vernahm ich die begeisterten Berichte und Schilderungen von Freunden und Genossen, die an den damals erstmals von der Freundschaftsgesellschaft organisierten Solidaritätsbrigaden teilgenommen hatten. 1981, in einer Phase, wo viele Freaks aus meinem Umfeld zur "Bewusstseinserweiterung" zuhauf nach Indien und Fernost pilgerten, hatte ich die Gelegenheit, selbst an der Solidaritätsbrigade José Martí teilzunehmen und Cuba persönlich kennenzulernen. Seither bin ich "infiziert", nicht nur aus rationalen politischen Erwägungen heraus, sondern auch aufgrund der menschlichen, inernationalistischen und kulturellen Seite, die ich am cubanischen Sozialismus kennenlernte. Zur politisch-rationalen Solidarität, die ich auch zu anderen sozialistischen Ländern empfand, kam noch dieses Gefühl dazu, dass in Cuba die Revolution in den Menschen lebt, von ihnen getragen wird und es eben weniger "Verlautbarungssozialisten" gab, wie ich sie immer wieder bei politischen Reisen in andere, näher gelegene sozialistische Staaten antraf. Dieses besondere Gefühl, der sich mit allen Widersprüchen im Volk und mit seinen Menschen entwickelnden Revolution, habe ich auch auf weiteren Brigaden und politischen Festivals immer wieder erlebt und das gab mir auch die Zuversicht zu sagen "Cuba nicht !", als einem viele hiesige Weggefährten anlässlich des Desasters in den europäischen sozialistischen Ländern lange Nasen machten und meinten "Bald ist auch Cuba dran." Diese Leute stehen inzwischen da wie die Zeugen Jehovas, deren vorausgesagter Weltuntergang auch schon etliche Male verschoben werden mußte.

Für mich kann der Beitrag, den das kleine Cuba für das Weiterbestehen eines realen sozialistischen Projekts weltweit geleistet hat, gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Der übermächtig erscheinende Triumph des Kapitalismus in den 90er Jahren hat durch den politischen Überlebenskampf des revolutionären einen entscheidenden Dämpfer bekommen, ohne den auch die aktuelle "Trendwende" in Lateinamerika (leider noch nicht in Europa) nicht denkbar wäre. Deshalb ist Solidarität mit Cuba für mich immer in erster Linie eine politische. Auch die materielle Solidarität sehe ich als (eher bescheidenen) Beitrag dafür, Cuba etwas Luft zu verschaffen, sein soziales Projekt weiter voranzubringen und, um es etwas pathetisch auszudrücken, das Leuchtfeuer am Brennen zu halten, den imperialistischen Gemeinheiten, die Cuba auszuhalten hat, zum Trotz! Ich wünsche Cuba, zu dem ich inzwischen auch viele persönliche Verbindungen habe, dass es diese Kombination aus revolutionärem Kampfgeist, Widerstandswillen, politischer Klugheit gepaart mit Streitlust, menschlicher Wärme und Lebensfreude weiter pflegt, dass die Menschen dort, die viel und gerne lachen, mehr und mehr Grund dafür haben, weil die Gesichter der konterrevolutionären Totengräber und Grabsänger immer länger werden.

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