Anlässlich einer Veranstaltung am 16. März haben Hanna Schygulla und die Cátedra Humboldt an der Universität Havanna eine bedeutende Vereinbarung getroffen. Die Cátedra Humboldt soll ein Hanna Schygulla-Dokumentationszentrum bekommen. Damit werden sämtliche Filme Hanna Schygullas einem breiten kubanischen Publikum zugänglich gemacht. Kubaner gelten als ausgesprochene Cineasten.
Das Dokumentationszentrum wäre das erste und einzige außerhalb Berlins, was das besondere Verhältnis Hanna Schygullas zu Kuba unterstreicht.
Die Veranstaltung am 16. März in der Cátedra Humboldt fand unter dem Titel "Hanna Schygulla Mein Leben – ma vie" statt. Es wurde der gleichnamige ARTE-Dokumentationsfilm gezeigt, der 2004 in Paris und München entstand.
Die Hanna Schygulla eigene Lebhaftigkeit und Spontanität, mit der sie authentische in der deutschsprachigen Dokumentation gezeigt wird, bedeutete für die Mehrzahl der Anwesenden kubanischen Deutsch-Studenten schon eine sprachliche Herausforderung. Trotzdem verfolgten sie mit fast andächtigem Interesse die Vorführung.
Besonders lebhaft verlief dann das anschließende Gespräch, in dem Hanna Schygulla betonte, wie wichtig der Austausch zwischen den Kulturen im Besonderen sei. Sie habe immer das Ausland, das Fremde, gereizt. Andere kennenzulernen habe ihr dann geholfen, sich selbst zu entdecken.
Eine besondere Faszination von Lateinamerika, ausgelöst durch Alexander von Humboldt, teile sie mit vielen Deutschen. Hanna Schygulla, die durch ihr perfektes Spanisch eine weitere kulturelle Brücke schlug, betonte, sie habe in Kuba viele Kulturen gefunden. Afrikanische, chinesische, europäische und karibische Elemente vereinigen sich hier; ein Phänomen, das es so nur in Kuba, zumindest aber nicht in Deutschland gibt.
Nicht nur bei den kubanischen Studenten hat die Veranstaltung großes Interesse an Hanna Schygulla geweckt. Gloria aus Frankfurt/Main, eine 21jährige deutsche Praktikantin an der Cátedra, sagte anschließend: "Mich haben besonders ihre Lebensweise und ihre Lebensauffassung stark beeindruckt." Das dürfte Hanna Schygulla besonders freuen, gehört Gloria doch zu der Generation, die lange nach dem Wirken von Fassbinder und Schygulla aufgewachsen ist.
Der Grund für den gegenwärtigen Kuba-Aufenthalt Hanna Schygullas ist ein Projekt mit ihrer Schauspieler-Kollegin und langjährigen kubanischen Freundin Alicia Bustamante. Hanna Schygulle dreht zur Zeit einen Dokumentarfilm mit und über die vielseitige Künstlerin in Havanna. Die in Kuba allgemein bekannte und geschätzte Bustamante hatte Hanna Schygulla in die Cátedra begleitet und den Nachmittag durch ihre fröhliche und agile Art zusätzlich bereichert.
Für den Betrachter wurde offenbar, wie sehr sich die beiden Künstlerinnen gegenseitig inspirieren. Hanna Schygulla vergleicht die Intensität dieser Beziehung mit der zu Rainer Werner Fassbinder.
Was bietet die Veranstaltungsreihe zum 20. Jubiläum der Cátedra?
Die Hanna Schygulla-Veranstaltung bildete den Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe, die die Cátedra Humboldt an der Universität Havanna anlässlich ihres 20 jährigen Bestehens ausrichtet. Im Rahmen dieser Jubiläums-Aktivitäten wird eine wissenschaftliche Konferenz zu verschiedenen linguistischen Themenstellungen und ein Chorkonzert in deutscher Sprache sowie Lesungen mit deutschen Autoren geplant. Während der Filmfestspiele im Dezember 2009 wird es eine weitere Veranstaltung mit Hanna Schygulla geben.
Ein weiterer Höhepunkt dürfte die geplante Reise auf Alexander von Humboldts Spuren sein, bei der die Route von Humboldt durch Kuba real nachvollzogen werden kann.
Was ist die Cátedra Humboldt?
Die Cátedra Humboldt ist eine Kulturinstitution an der Universität Havanna, die vor allem zwei Ziele verfolgt, nämlich die Förderung und Verbreitung der deutschen Sprache, Kultur und Literatur in Kuba sowie umgekehrt die der kubanischen Kultur im deutschsprachigen Raum.
Die Cátedra Humboldt wurde am 15. Januar 1990, anlässlich der 1. Regionalkonferenz der deutschen Sprache in Amerika, die in Havanna stattfand, gegründet. Der offizielle Name der Institution lautet Cátedra Alexander und Wilhelm von Humboldt. Somit werden sowohl Alexander von Humboldt als Naturwissenschaftler und zweiter Entdecker Kubas als auch sein Bruder Wilhelm als Philologe – und beide als Humanisten – geehrt.
Die Bedeutung der deutschen Sprache in Kuba
Laut René Caparrós, dem Koordinator für kulturelle Aktivitäten an der Cátedra, sprechen 50.000 Kubaner deutsch. Erst 1961 hat Kuba Deutschunterricht in das Volksbildungssystem eingegliedert.
Ivan Muñoz Duthil, der Präsident der Cátedra Humboldt, bezeichnete dies als ein "Nettoprodukt der Revolution".
Kuba ist seit 1977 als erstes lateinamerikanisches Land Mitglied im Internationalen Deutschlehrerverband (IDV). Erst nach der 1. Regionalkonferenz der deutschen Sprache in Amerika in Havanna 1990 traten weitere lateinamerikanische Länder der IDV bei.
Monika Metscher und Uwe Folkerts, zur Zeit Havanna – Kuba-Aufenthalt
Die Cátedra Humboldt ist erreichbar unter humboldt@uh.cu
CUBA LIBRE 2-2009