Referendum in Venezuela
Verfassungsänderung mit 54,36% der Stimmen akzeptiert

Nach dem ersten amtlichen Wahlergebnis gewann am Sonntag dem 15. Februar, in einer Volksabstimmung in Venezuela da Ja dazu, in allen gewählten Ämtern die bisherige Beschränkung auf zwei Amtszeiten aufzuheben, mit 54,36% der Stimmen. Der Nationale Wahlrat CNE, in Venezuela eine fünfte autonome Macht, gab das vorläufige Ergebnis um 21:35 Ortszeit, nach Auszählung von 94,2% der Stimmen bekannt. Das Nein kam im Gegenzug auf 45,63%. Die Wahlbeteiligung lag bei 67,05%.

Die Verbot nach zwei aufeinanderfolgenden Amtszeiten für den/die Präsidenten/in, die Gouverneure und BürgermeisterInnen sowie die Abgeordneten der Nationalversammlung und der Regionalversammlungen erneut für das gleiche Amt zur Wahl anzutreten ist in der Verfassung enthalten. Mit der Änderung gilt nun die gleiche Regelung wie z.B. in Deutschland, wo alle beliebig oft als Kandidaten für das gleiche Amt antreten können.

Warum also die ganze Aufregung auch international? In den meisten anderen Ländern dieser Welt werden Verfassungen und wesentlich gravierende Verfassungsänderungen in Parlamenten entschieden. In Venezuela wurde die Verfassung von der Bevölkerung 1999 in einem Referendum ratifiziert und deswegen gibt es auch zu Änderungen ein Referendum. Aber hier ging es um Chávez. Es war die Angst der Opposition im Land und international einem Kandidaten Chávez für das Präsidentenamt auch im Jahr 2012 keinen eigenen Kandidaten mit Aussicht auf Erfolg entgegensetzen zu können. Daher die enorme Propagandaflut national und international. Die Opposition im Land und ihre ganze Kampagne war "gegen endlose Wiederwahl" oder "ewige Präsidentschaft" gerichtet, m so den Eindruck zu erwecken Chávez würde damit zum Präsidenten auf Lebenszeit ernannt. (…)

Zwei Tage vor dem Referendum organisierte der rechtsradikale spanische PP-Abgeordnete des EU-Parlaments Luis Herrero eine Medienshow: Er war als Wahlbeobachter akkreditiert und durfte demnach keine parteipolitischen Äußerungen oder Kommentieren des Wahlprozesses vor Ende des Referendums abgeben. Herrero beschimpfte öffentlich vor Kameras Chávez als Diktator und diskreditierte den Wahlrat und den Wahlprozess bereits im Vorfeld als zweifelhaft. Der Wahlrat beantragte daraufhin seine Ausweisung aus dem Land. Obwohl alles sehr höflich verlief und Herrero selbst noch in Caracas dabei gefilmt wurde, wie er am Telefon dritten gegenüber erklärte er sei respektvoll behandelt worden, wurde daraus bei seiner Ankunft in Spanien "eine Entführung durch ein diktatorisches Regime". Herrero kann froh sein kein Marokkaner oder Schwarzafrikaner in Ceuta oder Melilla zu sein. Die Abschiebemodalitäten der EU sind sicher um einiges "unfreundlicher", massiver und häufiger …

Und schließlich hieß es im In- und Ausland die gesamte Zeit der gleiche Vorschlag einer Verfassungsänderung sei bereits vor einem Jahr in einer Volksabstimmung abgelehnt worden. Auch das ist falsch. Im Dezember 2007 verlor ein Vorschlag 69 Artikel der Verfassung zu reformieren knapp. In nur einem ging es um die Möglichkeit der erneuten Kandidatur und sie betraf nur das Präsidentenamt.

Auch die deutschsprachige Presse gab sich in fast ganzer Breite für die Lügenkampagne her.
In der Wiender Zeitung halluzinierte eine "Christine Leitner" von einer Verfassungsänderung, "die Präsident Hugo Chávez den lebenslangen Verbleib in seinem Amt ermöglichen würde". (…)

Ins gleiche Horn, doch noch viel dreister gelogen, blies ein Martin Polansky, der für angeblich seriöse Medien wie Tagesschau, Deutschlandradio, Süddeutsche Zeitung, NDR und diverse andere Medien in seinen Artikeln das zusammenkritzelte was ihm die rechtsradikale Propagandamaschinerie vorgab und dazu selbst noch log, wie es kaum intensiver ging. "Abstimmung zu "Chávez forever" titelte die Tagesschau. "Staatschef Chávez will sich beliebig oft wählen lassen" war da zu lesen und "Chávez' Anhänger zeigen sich zunehmend militant. (…)

Die Bevölkerung hat sich offensichtlich nicht verwirren lassen von der massiven Propaganda. Schauen wir auf das Ergebnis in konkreten Zahlen.

Nach Auszählung von 94,2% der Stimmen, wählten 6.003.544 für das Ja und 5.040.082 gegen die Verfassungsänderung.

Im Vergleich zu den Regionalwahlen im November 2008 gelang es den Chávez unterstützenden Kräften über eine halbe Million mehr WählerInnen zu mobilisieren, im November waren es noch 5.527.905 Stimmen für die PSUV-KandidatInnen und dissidente Kandidaten, die den Prozess unterstützen, gewesen.

Gegenüber dem verlorenen Refrendum zur Verfassungsänderung im Dezember 2007 gewannen Chávez und Unterstützer etwa 1,7 Millionen Stimmen hinzu (damals waren es 4.379.392 Stimmen zu Gunsten der Verfassungsreform gewesen).

Die Opposition gewann aber auch über eine Million Stimmen mehr als bei den Regionalwahlen 2008 (3.948.912) und mehr als bei der Ablehnung der Verfassungsreform 2007 (4.504354).

Die Opposition hüllte sich nach dem verlorenen Referendum in Schweigen und verkündete nur kurz und knapp das Ergebnis anzuerkennen. Sie hatte sich wohl mehr erhofft … Nach dem relativen Erfolg bei den Regionalwahlen im November hatte sie tatsächlich geglaubt, das Referendum gewinnen zu können. Nun hießt es Wunden lecken, mit Chávez als möglichem Kandidaten der Präsidentschaftswahlen 2012 kommt keine Freude in den Reihen der Opposition auf. Angesichts dieser Aussichten ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Opposition wieder verstärkt versucht, Chávez gewaltsam zu stürzen.

(…) Der Sieg im Referendum ist für die bolivarianische Bewegung sicher ein bedeutender Sieg. Die hohe Stimmenanzahl, der klare Abstand, gibt nach dem verlorenen Referendum und den Teilverlusten bei den Regionalwahlen wieder Kraft und Sicherheit. Es ist auch Raum gewonnen, sich in aller Ruhe (ohne die Sorge um den nächsten Präsidentschaftskandidaten) dem gesellschaftlichen Transformationsprozess zu widmen. Trotz alledem ist hier auch eine zentrale Schwäche des Prozesses deutlich geworden. Nach zehn Jahren ist es immer noch nicht gelungen, eine kollektive Leitung aufzubauen und es gibt immer noch niemanden der die Integrität, die Glaubwürdigkeit und das politische Format von Chávez besitzt.

Auf den Feiern am Präsidentenpalast in der Nacht kündigte Chávez an, das Jahr 2009 solle nun genutzt werden, die bisherigen Erfolge zu konsolidieren und zu stärken, vor allem den begonnen Aufbau des Rätesystems von unten und die Sozialprogramme und rief erneut dazu auf, alles was getan wird noch einmal zu prüfen: "revisión, retificación, reimpulso" (Überprüfung, Richtigstellung, und einen neuen Impuls geben).

Darum muss es jetzt gehen: Um den weiteren Aufbau des Poder Popular der "Volksmacht" auf de r Grundlage eines Rätesystems.

Logo CUBA LIBRE Dario Azzellini

CUBA LIBRE 2-2009