Im April 2009 wurde ein Ereignis Wirklichkeit, für das vor mehr als 20 Jahren viele Linke in aller Welt gekämpft haben. Die salvadorianische Linkspartei FMLN wird mit Mauricio Funes die neue Regierung in dem zentralamerikanischen Land stellen. Die FMLN war in den 80er Jahren eine Guerillabewegung mit weltweiter Ausstrahlung. In der BRD gab es sogar eine Kampagne "Waffen für El Salvador" zu ihrer Unterstützung.
Nach dem Sieg der Sandinisten in Nicaragua hofften Linke in aller Welt, dass auch in weiteren zentralamerikanischen Nachbarstaaten die Guerilla siegen wird. Tatsächlich ist es der FMLN gelungen, in den Gewerkschaften, Bauern- und Studentenorganisationen Anhänger zu gewinnen. Doch die US-Regierung unter Ronald Reagan setzte alles dran, eine Linksentwicklung in Zentralamerika zu verhindern. Dazu wurden in El Salvador Todesschwadrone ausgerichtet, die Tausende Gewerkschafter, Studierende und Landarbeiter ermordeten. In Europa ist vor allem der Mord an Erzbischof Romero und den Professoren der Universität von El Salvador in Erinnerung geblieben.
Mit welcher Brutalität die von Washington alimentierten Todesschwadrone vorgingen, zeigte der Anschlag auf die Zentrale des Gewerkschaftsdachverbandes Fenestras im Oktober 1989, bei dem der gesamte Gewerkschaftsvorstand, darunter die international bekannte Gewerkschafterin Febe Elisabeth Veläsquez, ermordet wurde. Die US-Regierung verhinderte eine Linksverschiebung in Lateinamerika. Ihr größter Triumph war die Wahlniederlage der Sandinisten im Februar 1990, ein Ergebnis des jahrelangen Contrakrieges der USA, aber auch von Fehlern der Sandinisten.
1992 wurde in El Salvador der Bürgerkrieg beendet. Doch auch 17 Jahre nach dem Friedensschluss zwischen der FMLN und der Regierung ging der kalte Bürgerkrieg weiter. Das zeigte sich im Wahlkampf, in dem die Arena, das Sammelbecken der Rechten, alte Töne anschlug.
Der Korrespondent der Frankfurter Rundschau beschrieb die Stimmung im Land wenige Tage vor der Wahl:
"Wer in El Salvador morgens die Zeitung aufschlägt, betritt mediales Kriegsgebiet. Kein Tag vergeht, ohne dass die beiden führenden Blätter mit schweren journalistischen Breitseiten auf Maricio Funes feuerten:
Berichte über illegale Wahlkampffinanzierung, Verbindungen zu Venezuelas Staatschef Hugo Chävez, Interviews mit Unternehmern, die Horrorszenarien kreieren, sollte bei der Präsidentenwahl am Sonntag die Linkspartei FMLN und ihr Kandidat Funes gewinnen. Dass die Vorwürfe meist Verleumdungen und Verunglimpfungen sind und keinen Hintergrund haben, stört nicht. Im Wahlkampf in El Salvador scheint alles erlaubt: selbst Fernseh-Spots, in denen der Vize-Präsidentschaftskandidat der FMLN als Massenmörder bezeichnet wird."
Ein Kandidat der Mitte?
Nun wird in vielen Medien darauf hingewiesen, dass Funes allerhöchstens eine Soft-Variante ist. Er ist erst lange Jahre nach Ende des Bürgerkrieges eingetreten, hat also keine Guerillavergangenheit und in Interviews betonte er, dass sich vor ihm weder die USA noch die Unternehmer fürchten müssen. Schon wird der neue Präsident auf der Skala der lateinamerikanischen Linkspolitiker näher bei dem brasilianischen Präsidenten Lula als bei Chävez aus Venezuela positioniert. Nun könnte man diese Orakel als unwesentlich abtun, weil Funes angekündigt hat, eine Politik für El Salvador zu machen, ohne irgendwelche Kopien aus anderen Ländern. Doch seine gemäßigten Töne sind unüberhörbar. Deshalb ist es für wirkliche Siegesmeldungen noch zu früh. Die größte Niederlage der FMLN würde eintreten, wenn ihr Kandidat als Präsident das Vertrauen der Bevölkerung verliert, weil er die rechte Politik nur etwas moderater fortsetzt. Das wäre eine direkte Garantie für eine schlimme Niederlage und die Revanche einer aggressiven Rechten, die alles tun wird, um wieder an die Macht zu kommen, würde folgen. Man braucht nur in das Nachbarland Guatemala zu scheuem, wo aus dem Bürgerkrieg die Guerillaformationen wesentlich schwächer hervorgegangen sind und es in den letzten Monaten mehrere Morde an ´Gewerkschaftern sowie Aktivisten von Stadtteilkomitees und sozialen Initiativen gab.
So wurden 2008 unter Anderem die beiden Gewerkschafter Pedro Zamora und Marco Tulio Ramirez und Aktivisten von Stadtteilkomitees und sozialen Initiativen ermordet. Um einer revanchistischen Rechten nicht Auftrieb zu geben, muss der FMLN-Kandidat eine Politik machen, die sich von der der Vorgängerregierungen unterscheidet und die soziale Gerechtigkeit auf die Tagesordnung setzen.
Daran wird sich messen lassen, ob mit dem Sieg des FMLN-Kandidaten ein alter Traum der Linken doch noch wahr geworden ist.
Peter Nowak
CUBA LIBRE 2-2009