Richard Klugh, der ehemalige stellvertretende Vorstandsvorsitzende für Berufungsanträge in
der Bundeskanzlei für Strafverteidigung in Miami, gehörte seit der Verhaftung der Cuban Five
zum Verteidigerteam. Gloria La Riva vom National Committee to Free the Cuban Five führte das
Interview
Können Sie uns bitte einen Rückblick auf das Urteil des Drei-Richter-Gremiums vom 11.
Bezirks-Berufungsgericht vom 4. Juni dieses Jahres geben?
Das Gericht entschied sich in einer 2:1 Entscheidung, die Strafurteile in dem Fall zu bestätigen.
Das am signifikantesten strittige Strafurteil ist das für Gerardo Hernández wegen Komplizenschaft
an dem Abschuss der Flugzeuge der Brothers to the Rescue. Bei diesem Strafurteil war das Gericht
deutlich gespalten. Es gab in dieser Angelegenheit drei verschiedene Urteilsbegründungen von drei
verschiedenen Richtern. Eine der RichterInnen (Bezirksrichterin Phyllis Kravitch) dachte, dass die
Beweislage insgesamt und total fehlerhaft sei, dass jeder Beweis dafür fehle, dass Gerardo
Hernández an einer Verschwörung teilgenommen habe.
Die zweite Urteilsbegründung (von Bezirksrichter Stanley Birch) lief darauf hinaus, dass die
Beweise sehr begrenzt seien, aber in Anbetracht der Auflagen, nach denen das Gericht Strafverurteilungen
überprüft, sagte der Richter, er habe keine Alternative als die Verurteilung zu bestätigen.
Und die dritte Urteilsbegründung (von Bezirksrichter Willam Pryor) befand, nach der Auslegung
seitens der Regierung von dem, was Gerardo Hernández bezüglich des Abschussrisikos geglaubt haben
könnte, wenn die Brothers to the Rescue damit fortführen, die cubanische nationale
Souveränität zu verletzen, sei der niedrige Grenzwert zur Vorlage ausreichender Beweise nach
dem Verschwörungsgesetz erreicht worden.
Die übrigen Strafurteile wurden aufgrund dieser Regel für Urteilsüberprüfungen auch
wieder bestätigt, wonach es dem Gericht genügt, wenn irgend ein Blick auf die Beweislage
zugunsten der Regierung ausfällt, zu befinden, dass in diesem Kontext von Verschwörung
ausreichend Beweise vorliegen. Daher befand das Gericht, obwohl keine Beweise für irgend eine
Spionage in den Jahren, während die Fünf hier waren, vorlagen, dass das Gericht eine
Verurteilung wegen Verschwörung, Spionage begehen zu wollen, noch aufrecht erhalten könne.
Das Gericht befand auch, dass es keinen Teil dieser Entscheidung des En banc (Gesamtgremiums,, Anm. d.
Ü,) neu überdenken könne. Das Gericht beschloss, dass es das signifikante und fortgesetzte
Fehlverhalten des Staatsanwaltschaft, das die Verteidigung vor dem Gesamtgremium geltend gemacht hatte,
nicht überprüfen könne.
Abgesehen davon befand das Gericht auch, dass die auferlegten Akteneinsichtsbeschränkungen – die
verhindern, dass die Verteidigung so viel erführe, wie sie brauchte, um sich auf das Gerichtsverfahren
vorzubereiten – durch ein bundesstaatliches Gesetz genehmigt sei. Wir glauben nicht, dass das
bundesstaatliche Gesetz solche Beschränkungen genehmigt.
Ein anderes zusätzliches Urteil von Interesse ist, dass das Gericht befand, obwohl die Regierung
absichtlich Mitglieder der Jury aufgrund von deren Rassenzugehörigkeit eingeschüchtert haben
mag, trotz des Präzedenzfalles, könne das Gericht so eine diskriminierende Handlung seitens
der Regierung nicht überprüfen, solange die Regierung einigen Mitgliedern der diskriminierten
Rasse erlaubt habe, in der Jury zu sitzen. Wir haben einen deutlichen Widerspruch gegen diesen Teil des
Gerichtsurteils eingelegt.
Hinsichtlich der Verhängung von Strafen revidierte das Gericht die Strafen von Dreien der Fünf.
Es bestätigte das Strafmaß für Gerardo Hernández und das von René González. Das Gericht
entschied, dass das Bezirksgericht keinerlei Beschränkungen für die Auferlegung des
Strafmaßes für René habe und daher könne es das Strafmaß nicht revidieren, obwohl
die Richterin ihm die Höchststrafe gab.
Das Appellationsgericht revidierte die lebenslänglichen Strafen für Ramón Labañino und Antonio
Guerrero wegen Verschwörung, Spionage begehen zu wollen, weil der Gerichtshof eine zulässig
hohe Richtlinie in Anspruch nahm, wobei er versäumt hatte wahrzunehmen, dass es keinen Schaden an
der nationalen Sicherheit gegeben hatte. Es wurde kein geheimdienstlich relevantes Material
beschlagnahmt. Schließlich befand das Appellationsgericht, dass der Gerichtshof sich bei dem
Strafmaß für Fernando González geirrt habe, als er ihm eine Hauptrolle unterstellt habe,
ohne dass dafür Beweise vorlagen.
Was wird der nächste Schritt im Berufungsprozess sein?
Der Fall ist nun beim U.S. Supreme Court eingereicht. Der Supreme Court hat uns einen Zeitaufschub
für die Einreichung unserer Petition zur writ of certiorary (Aktenanforderung, Anm. d. Ü.) *)
gewährt. Sie ist nun am 30. Januar 2009 fällig. Die Regierung wird zwei oder drei Monate Zeit
für die Beantwortung haben. Dann wird uns ein kurzer Zeitraum zur Verfügung stehen, darauf zu
antworten. Und das Gericht könnte bis Mai 2009 entscheiden, ob es den Fall oder irgend einen
Teilaspekt davon anhören will.
Wir sind sehr froh, den Beistand von Rechtsanwalt Thomas Goldstein von der Akin Gump Law-Gesellschaft zu
haben, der einer der aktivsten und angesehensten Experten für Petitionen beim Supreme Court ist. Er
hat sich bereit erklärt, sich an dem, wie wir glauben, sehr erstreitenswerten und zwingenden Fall
zu beteiligen. Er vertrat in dieser Woche einen Fall vor dem Supreme Court der Vereinigten Staaten und
einen anderen im November. Er ist in diesem Halbjahr für zusätzliche Supreme-Court-Fälle
registriert.
Wie lauten die Hauptanliegen, die die Verteidigung zur Berufung vortragen will?
Alle Verurteilungen sollten aufgrund der Nichterfüllung einen Gerichtsortswechsel zu gewähren,
des strafrechtlichen Fehlverhaltens und der unangemessenen und diskriminierenden Auswahl der Jury
aufgehoben werden. Wir werden darlegen, dass Gerardo Hernández‘ Verurteilung wegen Verschwörung,
Mord begehen zu wollen, aufgehoben werden sollte und dass seine lebenslängliche Strafe für
Spionageverschwörung an die untere Instanz hätte zurück verwiesen werden sollen.
Der Gerichtsort ist eines der grundlegensten Anliegen, das nach dem amerikanischen Gesetz überhaupt
oder nach jedem anderen Rechtssystem existiert. Gleichgültig, wie ein System unterteilt ist, wenn
man einen voreingenommenen Richter oder eine voreingenommene Jury hat, zählt alles andere nicht.
Wenn man einen Richter oder eine Jury hat, der oder die voraussichtlich von ortsabhängigen
Befindlichkeiten und durch Druck beeinflusst sein könnte, kommt es zu einer Mob-Entscheidung – fern
von jeder Gerechtigkeit.
Nach unserem Empfinden ist dieses Anliegen von so fundamentaler Bedeutung für eine faire Handhabung
des Rechtssystems, dass es vom Gericht mit Interesse behandelt werden wird. Wir haben dasselbe
Gefühl bei den noch verbleibenden Anliegen, dem der Auswahl der Jury, der Verurteilung von Gerardo
Hernández für etwas, womit er eindeutig nichts zu tun hatte, sowie auch das Versäumnis, seine
lebenslängliche Strafe zu überprüfen.
Hinsichtlich der fälschlichen Verurteilung wegen Mordverschwörung gegen Gerardo erinnere
ich mich an drei Anhörungen, bei denen wir anwesend waren, zuerst in Miami, und dann die zweite und
dritte Anhörung in Atlanta. In den drei Anhörungen machten Stanley Birch, der Vorsitzende des
Gremiums sowie auch Phyllis Kravitch Anmerkungen, die die Behauptung der Staatsanwaltschaft über
Verschwörung seitens Gerardos, anzweifelten. Dennoch stimmte Birch in der letzten
Urteilsbegründung vom 4. Juni mit William Pryor und machte damit das Abstimmungsergebnis 2:1. Was
war passiert.
Bei dem ursprünglichen Drei-Richter-Gremium hatten wir das Gefühl, dass alle Richter die
Unzulänglichkeit der Beweislage begriffen hätten. Bei der mündlichen Anhörung vor
dem neuen Gremium hatten wir wieder das Gefühl, dass die Mehrheit begriffen hätte, dass es
keinen Sinn mache, Gerardo für den Abschuss verantwortlich zu machen. Obwohl die Mehrheit des
Gremiums der Ansicht gewesen sein mag, dass Gerardo in diesem Anklagepunkt unschuldig sei, war
schließlich die Mehrheit überzeugt, dass nach vorausgehender Interpretation des Bundesrechtes,
die Vorgaben des Elften Gerichtshofes für die Bestätigung von Urteilen eine so geringe
Hürde für die von der Regierung erhobenen anklage wegen Verschwörung darstellen, dass er
(der Gerichtshof) das Urteil nicht umstoßen könne.
Wir haben vor, diese Haltung vor dem Supreme Court anzufechten. Die Mehrheit des Gremiums war ebenso
davon überzeugt, dass eine Theorie, die die Staatsanwaltschaft vor Gericht nicht verfolgen durfte,
trotzdem in der Berufung als Weg angesehen werden könne, das Urteil zu bestätigen. Wir glauben,
dass auch das ein fundamentaler Irrtum ist, und somit mitten im Verfahren die Regeln geändert
werden, was nach unserer Meinung nicht in Einklang mit dem steht, was das Gesetz verlangt.
Und was war das für eine Theorie, die die Staatsanwaltschaft benutzte?
Die Theorie der Staatsanwaltschaft, mit der das Urteil bestätigt wurde ist, dass Gerardo der
Verschwörung für schuldig befunden werden kann, ein Verbrechen nach (US-)amerikanischer
Rechtssprechung begehen zu wollen, auch wenn er lediglich das Recht eines Landes, sich gegen eine
feindselige und illegale Verletzung seiner Souveränität zu verteidigen, unterstützt hatte.
Diese Theorie, die vom Bezirksgericht komplett zurückgewiesen wurde, weil sie den Rahmen des
Strafrechts sprenge, wurde in der letzten Entscheidung des Gremiums wiederbelebt. Das brachte Gerardo
in eine prozesstechnisch benachteiligte Lage. Wir glauben, dass diese Theorie nicht einmal der Regierung
zur Verfügung stehen sollte. Aber die zweiköpfige Mehrheit sah das im Juni anders.
Sie sprechen über die Prüfungsmaßstäbe des Elften Gerichtshofs.
Im Zusammenhang mit der Anklage "Verschwörung, Mord begehen zu wollen" glauben wir, dass
die Maßstäbe für die Beweisführung weit höher anzulegen sind, als es bei der
Berufung geschah. Das ist besonders wahr, wenn wir es mit einer Aktion der Regierung zu tun haben – dem
Abschuss der Flugzeuge der "Brothers to the Rescue" (Brüder zur Rettung) – was
prinzipielle gesetzliche und souveräne Rechtfertigung in historischer Beziehung besitzt, und wo
Gerardo keine Grundlage hatte, vorher zu wissen, was seine vorgesetzten Offiziere oder vorgesetzten
Regierungsbeamten letztendlich tun würden.
Gerardo dafür haftbar zu machen, verstößt auf viele Weisen gegen ein rechtsstaatliches
Verfahren, und gemeinsam mit dem vorurteilsbehafteten Gerichtshof rechtfertigt das eine Aufhebung (des
Urteils).
Im Gegensatz zu der abweichenden Ansicht eines Mitglieds der Mehrheit, wiederholt der Richter zum
dritten Mal, dass er glaube, die Jury sei wegen des Gerichtsortes und schlechter Anleitung befangen
gewesen. Die Sichtweise des entscheidenden Richters war eigentlich "wir sollten dieser Jury (von
Miami) nicht vertrauen, aber wenn ich gezwungen bin, der vorherigen Jury des Elften Gerichtshofs zu
vertrauen, dann kann ich unter den erforderlichen Anforderungen die Entscheidung nicht
umstoßen".
Unsere Hoffnung ist, dass wenn der Fall vom Supreme Court angenommen wird, diese Frage zugunsten von
Gerardo geklärt werden kann. (...)
Wann wird die Neufestlegung der Stafmaße für Ramón Labañino, Antonio Guerrero und
Fernando González stattfinden?
Das ist noch nicht entschieden. Es ist möglich, dass es passiert, bevor der Supreme Court
entscheidet, aber wahrscheinlicher ist nachher. Es hängt davon ab, wie die Verfahren voran kommen,
sowohl im Supreme Court als auch anderswo.
Das geht jetzt schon über zehn Jahre lang, und die Mühlen der Justiz mahlen sehr langsam.
Viele Verzögerungen basieren auf den Formalitäten, die sie beschrieben haben.
Das ist sicher hart, Es ist hart zu warten, besonders wenn man uns Recht gibt, was wir, wie wir
glauben, auch haben. Es ist eine lange Zeit.
Wass kann juristisch passieren,wenn der Supreme Court den "Writ of Certioari" abweist?
Die Angeklagten haben dann immer noch juristische Optionen, einschließlich einer Prozedur, die
Urteile und Strafen in dem Bezirksgericht zu annullieren. Und das muss innerhalb eines Jahres passieren,
nach dem der Supreme Court entschieden hat, es benötige einen Vorgang nach dem "Habeas
Corpus-Gesetz" (Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit) genannt "motion to vacate
judgment/conviction" (Antrag auf Annullierung). Das unterliegt einer Frist von einem Halben Jahr.
Nahezu allen "Habeas"- und Nachverurteilungs.Rechtsstreiten wurden nach einem Bundesgesetz von
1996 Fristen auferlegt. Wir hätten eine Frist von einem Jahr nach Beendigung des Prozesses vor dem
Supreme Court, einen ersten Antrag nach "Habeas Corpus" zu stellen. Es gibt nachfolgende
Habeas-Rechte, aber der erste Antrag muss innerhalb eines Jahres gestellt werden.
Heißt das, dass jedwede Angelegenheit, jede verbleibende Angelegenheit der dann vorgelegt
werden muss?
Das ist richtig.
Inwieweit können das öffentliche Bewusstsein und die Unterstützung der Cuban Five helfen
ihre Freiheit zu erlangen?
Die Unterstützung der Fünf ist standhaft und wächst noch. Jeder der sich Zeit nimmt, die
Ungebührlichkeiten der Staatsanwaltschaft, die offensichtlich politisch motiviert sind, zu
betrachten, kann klar sehen, dass einige Aspekte dieses Falles einfach nach einer Revision schreien.
Ich Glaube, dies ist ein Fall, der vom Supreme Court angesprochen werden muss. Das war von Anfang an
mein Eindruck. Ich glaube, der Supreme Court könnte ein Zeichen setzen, eine wichtige Vorgabe
für die Gerechtigkeit in den Vereinigten Staaten. Das könnte dem Ansehen der USA in der Welt
und der Verbesserung bilateraler Beziehungen helfen. (...)
Kürzungen: CL
Deutsche Übersetzung: Basta Ya
Anmerkungen: *) Certioriari ist ein Rechtsterminus (lat. Certioro, ceriorem facio – etwa bestimmen,
zulassen, bestätigen), der auf die Prozesslehre von Ulpian zurückgeht und die
Prozesshandlungen bezeichnet mit der ein übergeordnetes Gericht (iudex ad quem) sich an ein
untergeordnetes Gericht (iudex a quo) wendet, um seine Entscheidung zu überprüfen.
Heute wird der Terminus frei übersetzt mit "sende die Akten", in dem allgemeinen Sinne,
dass eine übergeordnete Stelle die Akten bei einer untergeordneten anfordert.
Insbesondere in den USA bezeichnet der Terminus (auch "cert" oder "certworthy")
einen Verfahrensschritt als Kombination oder Zulassung eines eingelegten Rechtsmittels und der Kundgabe
der Devolutiveffekts nach außen, Bestätigung der Appellationszulassung. Das
Rechtsmittelgericht erlässt in diesem Fall ein writ of certiorari. (Wikipedia)
CUBA LIBRE 1-2009