Unter diesem Titel fiel mir vor wenigen Jahren beim Stöbern in Havannas Buchläden ein
Bildband mit grellbuntem Hardcover: DIN A4 Format, ca. 300 Hochglanzseiten, nicht ganz billig, aber
möglicherweise die beste Fotodokumentation über antikubanischen Terror, die auf dem
Printmedienmarkt zu haben ist.
"Cuba, la historia no contada". Nicht erzählt? Wem nicht? Die cubanische Bevölkerung
kennt dieses in Bild und Wort dargebotene Kaleidoskop des Schreckens zur Genüge. Sie kann nicht
gemeint sein.
Der Versuch der "freien westlichen Welt", Cuba politisch zu isolieren, ist aus Gründen,
die im einzelnen zu erörtern hier zu weit führen würde, grandios gescheitert. Das
Bemühen, die Insel medial wegzuschließen, muss jedoch leider als weitgehend gelungen
betrachtet werden. Mediale Isolation eines Landes bedeutet nun keineswegs, dass nicht über das Land
berichtet würde. Vielmehr bedeutet es die Macht, in internationalem Einvernehmen willkürlich
und selektiv Nachrichten über ein Land zu verbreiten -–oder zu unterschlagen ("Posada
wer?") – ohne dabei nennenswerte Gegenwehr fürchten zu müssen.
Cubas Revolution wird 50 Jahre alt – nach ihrem eigenen Verständnis, das diese Revolution nicht als
ein Sieg über die Diktatur Batistas abgeschlossenen Akt, sondern als bis auf den heutigen Tag
andauernden kontinuierlichen Prozess ansieht.
Aber welche Medien hierzulande werden den runden Jubiläumscharakter des Jahreswechsels 08 auf 09
überhaupt als solchen wahrnehmen? Es sei denn als Übergang von einer Tyrannei zur anderen. Als
Tausch von 20.000 Mord- und/oder Folteropfern binnen eines Jahrzehnts mit einer Gesellschaftsform, die
nun seit einem geraumen halben Jahrhundert freie Bildung und Gesundheitsversorgung garantiert, Wohnraum
gibt, Strom, Gas und Wasser so subventioniert, dass die Bürger nur einen Spottpreis dafür
zahlen, einen Warenkorb zur Basisversorgung mit Grundnahrungsmitteln gegen ein allenfalls symbolisches
Entgelt und ein breites Spektrum hochwertiger Kultur so gut wie gratis bietet, - eine Gesellschaftsform,
die freilich auch die "Todsünde" begeht, keine Parteienpluralität zuzulassen, und
darüber vernachlässigt man hier gern alles andere, auch die Tatsache, dass angesichts eines
übermächtigen und notorisch aggressiven Nachbarn für diese Freiheit schlicht die
Rahmenbedingungen fehlen.
Dass Cubas System eine Gewaltherrschaft sei, ist politisch gewollt und darum Kernaussage in nahezu jedem
Bericht und jeder Reportage. In einem Weltbild, in dem es stets die cubanische Regierung ist, die den
Terror verbreitet, hat Terror, dem ebendiese Regierung ausgesetzt wird, keinen Raum. Auch terroristische
Akte, die das cubanische Volk für seine Regierung quasi in Sippenhaft nehmen, müssen
außen vor bleiben. Bis zum Jahre 2003 verursachte diese Art von Terrorismus den Tod von 3.478
Menschen und hinterließ 1.099 weitere entweder verstümmelt oder sonst wie lebenslang
behindert. Dass infolge Bomben, Brandschatzungen und Sabotage ein finanzieller Schaden von kalkulierten
121 Milliarden Dollar entstand, soll hier nur am Rande erwähnt sein. Aber ist das brauchbares
News-Material für Leute, denen an sonst konsequent einredet, Terror in Kuba sei eine
Einbahnstraße, die von höchster Stelle ausgehe? Sicher nicht.
Uns wird diese Seite der cubanischen Geschichte nie erzählt, und mit "uns" meine ich
beileibe nicht allein uns Deutsche. Schweigen als konzertierte, länderübergreifende Aktion.
Das ist so in Zeiten, da sich die großen Medien weltweit in Händen nur mehr einiger weniger
Mogule befinden. Wir werden dazu erzogen, dies "freie Presse" zu nennen und nicht den
ketzerischen Gedanken aufkommen zu lassen, dass jenes "Abendland", vor dessen
"Untergang" man uns beständig warnt, längst im Untergang begriffen ist.
Sei’s drum. Wir schulden es Cuba in unserer Jubiläumsausgabe, den Schleier von Vorgängen zu
reißen, mit denen, wenn wir denn von ihnen Kenntnis hätten, die notorische Diffamierung
dieses Landes so unendlich viel schwieriger wäre, als sie heute ist.
Dass diese Dokumentation nur eine jämmerlich kurze Auswahl darstellen kann, versteht sich von
selbst. Aber das ist besser als nichts.
Lüften wir das Tuch von zur Unkenntlichkeit verkohlten Leichen, von Frauen und Kindern mit
weggesprengten Füßen und von subtileren, aber nicht minder grausigen Unsäglichkeiten ...
als Zeugnis der Schande für die, die es betrifft.
Am 4. März 1960 um viertel nach drei nachmittags erschütterte eine Explosion den Hafen von
Havanna. Ein Teil des belgischen Frachters "La Coubre", der mit 75 Tonnen Granaten und Munition
dort vor Anker lag, war in die Luft geflogen. Da Frachtschiffe üblicherweise mit kleiner Besatzung
auskommen, hielt sich die Anzahl der Opfer (unter ihnen 16 französische Seeleute) zunächst
noch in Grenzen.
Wie man sich vorstellen kann, wimmelte aber bereits Minuten später das Deck von
freiwilligen Hilfskräften, die sich in dem Chaos der Toten, der Sterbenden und Schwerverletzten
annahmen. Hunderte von Personen befanden sich an Bord als 30 Minuten später eine zweite , heftigere
Explosion erfolgte, die "Menschenteile vermischt mit verbogenen Eisenteilen weit weg schleuderte".
101 Tote und mehr als 200 Verletzte war am Ende die schreckliche Bilanz.
Gloria Azoy, eine Krankenschwester berichtete: "Ich sammelte einige Überreste ein. In einem
Kopfstück waren noch die Augen, eindrucksvoll, so, als ob sie lebten. Ich legte sie auf einem
Wundverband ab. Etwas später trat ein Junge an mich heran, der versuchte, etwas über seinen
verschwundenen Vater zu erfahren. Ich sah ihn an und instinktiv war mir klar, wen er suchte. "Das
sind die Augen meines Vaters", sagte er bestätigend. Er war ein Halbwüchsiger von kaum 15
Jahren. Ich beschwor ihn, nichts davon seiner Familie zu erzählen. Dann füllte ich einen Sarg
mit Holzbalken, um das Gewicht einer Leiche vorzutäuschen, und legte die Augen mit hinein. Davor
hielt dann später die Familie die Totenwache".
Tragischer Zufall? Ein Unglück?
Die belgische Waffenfirma hatte unter Druck gestanden. "Der US-Konsul persönlich und ein
Militärberater der Botschaft dieses Landes hatten sowohl in der Firma als auch im belgischen
Außenministerium darauf gedrungen, die Waffenlieferungen einzustellen. Die cubanischen
Autoritäten hatten mehrere vertrauliche Mitteilungen über die Pression seitens der USA zu
Waffenverkäufen an das Ministerium der Revolutionären Streitkräfte erhalten."
Robert Reynolds, der zum fraglichen Zeitpunkt Chef der CIA-Abteilung von Miami gewesen war, bemerkte
während einer Konferenz über terroristische Aktionen im Kalten Krieg, die 2001 stattfand und
an der er als Gast teilnahm über "La Coubre": "Wie ich schon Fidel Castro sagte,
verstehe ich den Argwohn, der da hochkommt. Wir hatten in jenen Tagen angefangen, einige Akte von
Sabotage zu begehen, aber diese Geschichte war keine davon." Dann fügte er wachsweich hinzu:
... zumindest nicht nach meinem Wissen."
1961 war nicht nur das Jahr der Invasion in der Schweinebucht. Es war aud das Jahr der Alfabetisierung.
Tausende Jugendliche, manche von ihnen noch fast Kinder, die in der Stadt eine Schulbildung erhielten,
schwärmten über die gesamte Insel aus, um der Landbevölkerung Lesen und Schreiben
beizubringen. Dies erforderte neben Begeisterung für die Sache auch eine gute Kondition – die
jungen Lehrer und Lehrerinnen mussten in den ihnen zugewiesenen Gemeinden tagsüber wie alle anderen
Feldarbeit leisten, um sich dann abends im Licht einer Ölfunzel ihrer pädagogischen Aufgabe zu
widmen – und, wie sich leider Gottes bald herausstellen sollte, auch eine gehörige Portion Mut.
Skrupellose konterrevolutionäre Banden, die keinerlei Interesse daran hatten, dass vorher leicht zu
gängelnde Provinzler auf einmal gebildet wurden, fingen an, in den Dörfern Angst zu verbreiten.
Etliche der jungen Leute kamen damals gewaltsam zu Tode. Was als Abschreckung gedacht war, hatte jedoch
den gegenteiligen Effekt, löste Wut, Empörung und Trotz aus und ließ den Zulauf zu den
Registrierungsstellen für Alfabetisatoren noch weiter anschwellen. Stellvertretend für all
jene, die seinerzeit ihr Leben ließen, hier zwei Fälle, beide aus dem Escambray Gebirge, eine
Gegend, die im Hinblick auf solche Übergriffe als besonders gefährlich galt und die erst 1965
in einer groß angelegten Militäraktion endgültig von Banditen "gesäubert"
wurde.
Conrado Benítez, 18 Jahre alt,
war eines der ersten Opfer, ich glaube das erste überhaupt. Mirio Pérez Venegas, ein Exmitglied der
Marodeure, gibt einen Augenzeugenbericht aus der Perspektive der Täter: "In dem Camp schien in
dieser Nacht eine Fiesta stattzufinden. (...) Wir warfen Steine auf die Leute, spuckten sie an und
riefen Obzönitäten, bis Osvaldo kam und zu Conrado Benítez sagte: "Wenn du dich uns
anschließt, schenke ich dir das Leben". Dieser antwortete, vor allem anderen sei er
Revolutionär. Man stelle sich das so vor, so etwas Osvaldo ins Gesicht zu sagen. (...) Conrado
Benítez wurde herausgezerrt und mit einem Strick um den Hals musste er schnell gehen, um nicht über
den Boden geschleift zu werden. (...) Als er unter dem Baum stand, der für seine Hinrichtung
ausgewählt worden war, warf man das Seil über den Ast. Die Augen des Brigadisten schauten uns
an, als ob sie fragten, ob wir Menschen oder Tiere seien. Der Körper wurde abwechselnd hochgezogen
und wieder heruntergelassen, mehrere Male, als ob er eine Puppe wäre. Am ende ließen wir ihn
oben hängen und obwohl er zweifellos tot war, befahl Osvaldo uns, auf den Leichnam einzustechen und
einzuprügeln.
Manuel Ascunce zählte erst 16 Jahre, als sein Leben vorzeitig beendet wurde. Rubén Dario Zayas, ein
Richter der bei der Leichenschau vor Ort dabei war, wird wie folgt zitiert: "Als wir an dem Baum
ankamen, betrachtete ich Manuel: Schwarzes Haar, etwas ins Gesicht gefallen, die Lippen geschwärzt,
die Zunge intensiv violett, Blutgerinsel in ihren Rändern. Mir fiel auf, dass die Augäpfel
nicht aus den Höhlen getreten waren, wie das sonst immer bei Gehenkten der Fall ist. Dies
überzeugte mich, dass er schon so gut wie tot gewesen war, als man ihn aufhängte. Er hatte
auch eine tiefe Furche im Hals; der Adamsapfel war gebrochen. (...) als seine Genitalien untersucht
wurden, stellt man Quetschungen daran fest, die darauf hindeuteten, dass sie zusammengepresst worden
waren. Außerdem gab es noch 14 Stichwunden unterschiedlicher Tiefe."
In einem mittlerweile freigegebenen Geheimdossier schrieb der Generalinspekteur der CIA Lyman Kirkpatrick
(Quelle: "Miami Harald vom 1. März 1998): "In der Anfangsphase der paramilitärischen
Operationen geht es um Entwicklung, Unterstützung und Orientierung der Dissidentengruppen in drei
Regionen Cubas: Pinar del Rio, dem Escambray und der Sierra Maestra. Diese Gruppen werden organisiert
durch eine "acción guerrillera", die sich gegen das Regime vereinigt hat."
Höchst aufschlussreich die Wortwahl des Herren Kirkpatrick: Bei den in Frage stehenden Gruppen
handelt es sich nicht um Mörderbanden, sondern um "Dissidenten". Es waren also
Kämpfer für die Freiheit und gegen das "Regime", die Jojo mit Erhängten spielten,
Leichen schändeten, Hoden quetschten und Penisse verdrehten.
Eine in den ersten Jahren der Revolution besonders "beliebte" Form des Terrors bestand aus
Angriffen aus der Luft.
Diese dienten nicht nur dem Zweck, Zuckerrohrfelder in Brand zu setzen und Cuba wirtschaftlich zu
schädigen. Sie sollten auch Angst unter den Campesinos säen; viele von ihnen verloren bei
solchen Aktionen Haus und Leben.
"Am 13. April 1961 fand man die verkohlten Leichen von vier Campesinos – Eduardo Harga (53 Jahre),
José María Soa (62 Jahre), Rogelio Pena Simón (33 Jahre) und Santiago González Linares (43 Jahre), die
versucht hatten, ein Feuer zu ersticken, das durch eine von einem US-Flugzeug über der Zuckerzentrale
"Venezuela" in Ciego de Avila abgeworfene Napalmbombe entzündet worden war."
"Am 5. September 1963 drang ein US-Flugzeug in der Provinz Las Villas in cubanischen Luftraum ein.
Eine der Bomben, die abgeworfen wurden, schlug in das Haus des Lehrers Fabric Aguilar Noriega ein,
tötete ihn selbst und verletzte vier seiner Kinder."
Seine Frau berichtet: "Ich befand mich gerade im Wohnzimmer und schlief bei Alfonsito, dem einzigen,
der unversehrt blieb. Nach dem Getöse schaute ich ins Schlafzimmer und sah meinen zerfetzten Mann
und die verwundeten Kinder inmitten einer Wolke von Qualm."
Am 17. Januar 1965 fielen Napalm- und Phosphorbomben auf die Zuckerfabrik "Niágara" in der
Provinz Pinar del Rio. Orlando Bosch bekannte sich zu dem Anschlag und verkündete der Presse von
Miami: "WENN WIR MEHR RESSOURCEN HÄTTEN; WÜRDE CUBA VOM EINEN ENDE ZUM ANDEREN
BRENNEN"."
Auch das Wasser ist ein Element, in dem Terroristen sich wohl fühlen.
Neben einer wahrhaft inflationären Zahl von Angriffen auf Handelsschiffe und Fischerboote (vor
allem letztere mit diversen Toten, vielen Verletzten, Versenkung der Ladung, Seeleuten, die in die
Vereinigten Staaten entführt oder auf unmanöverierbar geschossenen Fahrzeugen auf offenem Meer
ihrem Schicksal überlassen wurden), war und ist es eine besonders perfide Spielart dieser Piraten,
in Schnellbooten, so genannten "lanchas", von der Halbinsel Florida kommend ungeschützte
Küstendörfer im Norden Cubas anzugreifen und mit Maschinengewehrfeuer zu belegen, um nur
Minuten danach wieder wie ein böser Spuk zu verschwinden.
Am 12. Oktober 1971 griff die Besatzung eines solchen Schnellbootes den Weiler Boca de Samá in der
Provinz Holguin an, wobei es zwei Tote (Lidio Rivaflechas Galano und Ramón Artruo Siam Portelles) gab
sowie zwei verletzte Mädchen (Nancy und Angela Pavón Pavón, 15 und 13 Jahre alt). Nancy, eines der
beiden Opfer erinnert sich: "In dieser Nacht erwachte ich von einer Schießerei. Meine Mutter
fing an zu weinen, weil wir kleine Kinder im Haus hatten. Sie wurde von einer Kugel des Kalibers 50 am
Bein erwischt.
Bei mir wurden beide Füße getroffen. Der rechte, der mir später amputiert
wurde, bestand nur noch aus Stückchen und der andere sah aus, als ob er einen Machetenhieb gekriegt
hätte. (...) Unter den Feuerstößen mussten wir dann irgendwie das Haus verlassen."
Andrés Nazario Sargen, der bis zu seinem Tod vor zwei Jahren Chef der Terrorgruppe Alpha 66 war, die
immer noch völlig offen ihr Büro in Miami unterhält, sagte anlässlich einer Attacke
auf ein cubanisches Joint Venture Tourismushotel am 20. Mai 1995: "Wir haben keine anderen
Pläne als fortzufahren, alles in Cuba zu zerstören, was wir erwischen können."
(Quelle: die Website dieser Organisation im November 2000).
Mitte der Siebziger Jahre begann das, was unter der Bezeichnung
"La guerra por los caminos del mundo"
"Der Krieg auf den Straßen der Welt"
- bekannt werden sollte. Ziele in Cuba anzugreifen, genügte den Terroristen nicht mehr. Der
Aktionsradius fanatischer Exilcubaner weitete sich aus auf alles, was an anderen Orten des Planeten mit
der sozialistischen Insel in irgendeiner Form in Beziehung stand. Das konnten Handelsniederlassungen im
Ausland sein oder auch Miami-Cubaner, die aus der Schiene des blanken Hasses ausscherten und sich
für Dialog einsetzten. Anschläge auf cubanische Diplomaten standen ganz oben auf der Liste.
"Am 22. April 1976 wurden in Lissabon die beiden cubanischen Diplomaten Adriana Corcho Callejas und
Efrén Monteagudo Rodríguez durch eine Bombenexplosion zerfetzt. Adriana hatte den Sprengsatz entdeckt
und war gerade im Begriff, ihre Companeros vor der Gefahr zu warnen, als es zur Detonation kam."
Am 9. August 1976 wurden die in der cubanischen Botschaft von Buenos Aires, Argentinien akkreditierten
cubanischen Mitarbeiter Jesús Cejas Arias und Crescencio Galeana Hernández in aller Öffentlichkeit
von terroristischen Elementen abgefangen und entführt.
Nachdem man sie gefoltert und ermordet hatte, verschwanden die Körper beider Funktionäre.
Nichtoffiziellen Versionen zufolge liegen ihre Leichen im Zement eines der Gebäude, die in der
fraglichen Zeit in Buenos Aires errichtet wurde."
"Am 11. September 1980 wurde der cubanische Diplomat Félix García Rodríguez, Funktionär des
Protokolls der cubanischen Mission bei den Vereinten Nationen, mit mehreren Schüssen von Terroristen
cubanischen Ursprungs an der Ecke Queens Boulevard und 55. Straße in New York getötet, als er
mit seinem Auto unterwegs war."
Die Internationalisierung der von militanten Exilcubanern ausgeübten Gewaltakte, durch die jede
Großstadt der Erde betroffen sein konnte, begann den US-Behörden Kopfzerbrechen zu bereiten.
Die Regierungen einiger Länder fingen an, Druck auszuüben. Als Konsequenz kann es zu einigen
Verhaftungen und anderen Formen des Liebesentzugs für die Terroristen, die sich zunehmend verbittert zeigten:
"Die Amerikaner, hatten uns gelehrt, Sprengstoff zu benutzen, sie hatten und in Navigation
unterrichtet, sie hatten uns militärisch vorbereitet, und eines Tages beschlossen sie, dass sie uns
nicht mehr brauchten. (...) Was wir 1963 machten und was damals von der CIA ausging, war 10 Jahre
später ein krimineller Akt." Nach eigenen Aussagen zwang das Ausbleiben der politischen und
finanziellen Unterstützung durch die USA die Angehörigen des Exils auf den Weg der blinden,
fast wahnsinnigen Gewalt." (Calvo Ospina, Hernando: "Originalton Miami", PapyRossa
Verlag, Köln 2001, S.23)
"Der Autobus mit den Hunden ist gefallen" Dieser grenzalberne Satz war die verschlüsselte
Vollzugsmeldung einer mörderischen Tat, die bis auf den heutigen Tag DAS Terrortrauma schlechthin
des cubanischen Volkes verkörpert.
"Am 6. Oktober 1976 landete eine DC-8 der Linie "Cubana de Aviación" (Flugnummer CU-455)
auf dem Internationalen Flughafen Seawell von Barbados. Es war 11:21 Uhr vormittags. 54 Minuten
später hob sie mit dem Ziel Jamaika wieder ab. Um 12:23 Uhr erschütterte eine Explosion das
Flugzeug, das darauf in Brand geriet und nach fünf Minuten ins Meer stürzte. Es gab keine
Überlebenden. 73 Tote: 57 Cubaner, 11 Guayaner, 5 Nordkoreaner. Unter den Toten die cubanische
Jugendfechtmannschaft, die erst wenige Stunden zuvor die Zentralamerikanische Meisterschaft in Caracas
gewonnen hatte."
Die Bombenleger Luis Posada Carriles und Orlando Bosch Avila gerieten – eher durch einen blöden
Zufall – in die Maschen der Justiz und saßen ein paar Jahre im Gefängnis ab. Bosch lebt
inzwischen als Rentner in Miami (wo er in Interviews den "Elder Statesman" der Konterrevolution
gibt) und Posada, 80 Jahre und kein bisschen Weise, hält als graue Eminenz des Terrors immer noch
die Welt in Atem – inoffiziell, wohlgemerkt, denn offiziell sind die Medien nicht geneigt, von ihm
Kenntnis zu nehmen. Zumindest hier bei uns nicht.
In den USA durfte er 1997 der "New York Times" seine Gedanken zum Absturz jeder cubanischen
DC-8 unterbreiten, die den Tenor hatten, der Tod der Guayaner sei irgendwie bedauerlich, sie seien
einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen, dumm gelaufen, doch bei allen anderen Passagieren
habe es sich schließlich um Kommunisten gehandelt und um die sei es nicht schade.
1981 wurde Cuba von einer Epidemie hämorrhagischen Dengue-Fiebers heimgesucht, an der 344.203
Personen erkrankten. Binnen weniger Wochen starben 158 Menschen daran, darunter 101 Kinder.
"Die ersten Fälle traten gleichzeitig in drei Gegenden der Insel auf, die bis zu 300 km von
einander entfernt lagen. Es gab keinerlei epidemiologische Erklärung für eine Infektion auf
natürlichem Wege. Das überraschende Auftreten, ohne dass es eine epidemische Aktivität
irgendwo anders in der Region Amerikas gegeben hätte oder in einem der Länder, mit denen Cuba
einen regen Personenaustausch unterhielt, sowie das simultane Auftreten in weit auseinander gelegenen
Regionen des Landes" gab Rätsel auf.
"Jahre später, während eines Gerichtsprozesses in New York (bei dem es um etwas
völlig anderes ging, Anm. d. Autors) gegen den dort ansässigen cubanischen Terroristen Eduardo
Arocena, gab dieser zu, einen ansteckenden Virus nach Cuba eingeführt zu haben."
"Der Terrorist wurde für dieses Bekenntnis werde zur Rechenschaft gezogen, noch wurden
Untersuchungen gleich welcher Art durch die Autoritäten der Vereinigten Staaten eingeleitet."
Der US-Journalist Ron Ridenour wird da in seinem Buch "Backfire" etwas genauer. Ihn zufolge
waren die Bakterien tragenden Moskitolarven, die 1981 zu zig Millionen nach Cuba geschafft wurden, unter
Laborbedingungen im CIA-Hauptquartier von Langley, Virginia, entstanden. Dengue des Serotyps A war in
der Hemisphäre, natürlich auch in Cuba, bekannt. Aber diese mutierten Viecher verbreiteten
Dengue des Serotyps B, der bis dahin vollkommen unbekannt war und gegen den Cuba keine wirksamen
Medikamente besaß. Das gleichzeitige Verbringen der gefährlichen Mückenlarven an
verschiedene Orte der Insel war insofern kein Problem, als Arocena nach eigener Aussage bei seiner
"Mission" (er bezeichnete die operative Bodenbereitung für einen faktischen Massenmord
wirklich so) einer "durch mich geführten Gruppe" angehörte.
"Alle gestorbenen Kinder waren zwischen 0 und 14 Jahre alt. Wenn auch die Dauer der Krankheit
zwischen drei und sieben Tagen variierte, ermittelte eine gemachte Studie diesen Durchschnittsverlauf:
Der dritte Tag mit Fieber war der Tag der Blutungen (der Haut, des Mundes und der Nase) sowie der
Alarmzeichen (starke Bauchschmerzen, häufiges Erbrechen, Gereiztheit oder Schlafsucht); am vierten
Tag kam es zum Schockzustand, kurz nachdem das Fieber gefallen war, verschiedentlich gefolgt von
heftigen Blutungen wie Hematemesis (dem Erbrechen von Blut) und der fünfte Tag war der ihres Todes.
Praktisch ausnahmslos waren die Kinder gesund und gut ernährt gewesen."
"Während der Epidemie verzögerte das Schatzministerium der Vereinigten Staaten, indem es
die Blockadegesetze anwandte, die Erlaubnis zum Verkauf der speziellen Insektizide gegen den
identifizierten Vektor der Krankheit an Cuba wie auch die Ausfuhrgenehmigung für die
Sprühvorrichtungen an den Spraydosen. Cuba sah sich gezwungen, diese über Drittländer zu
beschaffen – bei zusätzlichen Kosten von Millionen von Dollar und erheblicher Verspätung bei
der Lieferung, was gewiss ein wesentliche Faktor in einer Vielzahl der Todesfälle war."
(Es ist nicht leicht, bei manchen Passagen dieser Schilderung die Fassung zu bewahren? Das stimmt. Es
ist übrigens noch schwerer, wenn man die Fotos der Kinder vor sich hat.)
Auch in den 90er Jahren gab es terroristische Übergriffe, mehrere von ihnen mit Todesfolge.
Der bekannteste Fall ist wohl der des jungen Italieners Fabio di Celmo, der 1997 bei einer
Bombendetonation in Havannas Touristenhotel Copacabana starb. In jenem Sommer gingen auch in anderen
touristischen Zentren der Hauptstadt Sprengsätze hoch, u.a. im Tritón, im Chateau Miramar, im
Nacional und in der Bodeguita del Medio. Als direkt verantwortlich für die Attentate wurde der
Salvadorianer Raúl Ernesto Cruz León ermittelt, dem dann auch der Prozess gemacht wurde, doch bei
näherem Hinsehen war er gewissermaßen nur die äußere Hülle einer Russischen
Puppe, in deren Kern sich Luis Posada Carriles und der damalige Chef der berüchtigten CANF
(Cuban American National Foundation) Jorge Mas Canosa befanden.
Der spektakulärste Fall der Neunziger war zweifellos einer, der nicht unmittelbar mit unserem Thema
verknüpft ist, nämlich der des damals 6jährigen Elián González, der, von der eigenen
Mutter bei Nacht und Nebel aus Cuba entführt, als Einzger die Havarie des Bootes überlebte,
auf dem er sich befand, und vor der Küste Floridas, an einen Rettungsring geklammert, aus dem
Wasser gefischt wurde. Dieser Vorgang sowie das folgende monatelange Tauziehen um den kleinen Jungen
zwischen Cuba und den Vereinigten Staaten, ging über lange Zeit hinweg weltweit durch die Medien.
Ich will das jetzt nicht noch mal aufrollen.
Bis auf dies: An dem Tag, an dem Elián in einem Lear-Jet wieder zurück nach Cuba gebracht wurde,
gab es auf dem Flughafen von Miami eine Szene, die klar zeigt, wes Geistes Kinder die Leute sind, die um
seinen Verbleib in den USA gekämpft hatten. Eine Exilkubanerin, die der abfliegenden Maschine
nachschaute, schrie – groß eingefangen von der Fernsehkamera – mit ausgebreiteten Armen in den
Himmel: "Vater, lass dieses Flugzeug abstürzen! Vater, lass dieses Flugzeug
abstürzen!"
Sie erflehte von Gott (ich finde keine anderen Worte dafür), dass ER einen terroristischen Akt
begehe. Ich fühlte einen verrückten Lachreiz in mir aufsteigen und gleichzeitig lief es mir
kalt den Rücken hinunter.
Das häufig und ausführlich zitierte Buch schließt – zwingend logisch – mit einem
längeren Kapitel über die "Miami 5".
"Cuba benötigt Augen und Ohren in Florida". Dieser Ausspruch General Edward Atkensons,
ehemaliger Chef des Planungsbüros des US-Geheimdienstes, ist ebenso schlicht wie präzise.
Niemand, der den vorliegenden Bildband auch nur quergelesen hat, wird die Richtigkeit des Satzes
anzweifeln.
Ulli Fausten
Alle Zitate (sofern nicht ausdrücklich anders ausgewiesen) entstammen dem Buch "Cuba, la
historia no contada", Editorial Capitán San Luis, La Habana, Cuba, 2003. Das Fehlen von
Seitenangaben ist der Tatsache geschuldet, dass das Buch keine Seitenzahlen hat.
CUBA LIBRE 1-2009