Neoliberale Netze

BERLIN / LA PA / ROSARIO – Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP) beginn ein neues Programm zur Vernetzung neoliberaler Kräfte in ganz Lateinamerika, darunter Regierungsgegner aus Kuba, Venezuela und Bolivien. Das Online-Projekt, das am gestrigen Montag gestartet wurde, und auf zwei Monate angelegt ist, richtet sich unter anderem an "liberale politische Anführer und ihre Aktionsgruppen". Die Teilnehmer sollen auf die "Lösung aktueller soziopolitischer Probleme" mit neoliberalen Polit-Methoden vorbereitet werden. Die Naumann-Stiftung kooperiert dabei mit "Red Liberal de América Latina" (RELIAL), einem kontinentalen Netzwerk von bisher 46 Organisationen aus 17 Staaten, das sie 2003 gegründet hat. RELIAL propagiert marktliberale Konzepte und steht damit in offener Opposition vor allem zu den Regierungen in Caracas und La Paz, die derartige Modelle ablehnen. Besonderen Konfliktstoff birgt die Unterstützung bolivianischer und venezolanischer Sezessionsbewegungen durch RELIAL-Mitglieder. Die Naumann-Stiftung, die sich aus Mitteln des deutschen Staatshaushalts finanziert, provoziert mit ihren Aktivitäten inzwischen öffentliche Proteste in Lateinamerika.

Die Freidrich-Naumann-Siftung (FNSt) führt das Online-Seminar "Pensamiento Liberal Contemporáneo Enfoques Básicos" ("Zeitgemäßes liberales Denken. Grundsätzliche Standpunkte"), das am gestrigen Montag begonnen hat, gemeinsam mit dem von ihr gegründeten RELIAL-Netzwerk durch. Es richtet sich an "liberale politische Anführer und ihre Aktionsgruppen" sowie an "Mitglieder von Institutionen und Organisationen, die eine Affinität zum Liberalismus haben" (1) Dabei löst das Medium Internet die Seminarteilnehmer von ihrer Ortsgebundenheit und erleichtert die Zusammenarbeit auf dem gesamten Subkontinent. Im Verlauf des Lehrgangs soll neben ideologischer Schulung unter anderem das "Potential (des Liberalismus, d.Red) für die Lösung der aktuellen soziopolitischen und ökonomischen Probleme" erörtert werden. (2) Die Teilnahme steht ausschließlich Mitgliedern von FNSt und RELIAL offen.

RELIAL

RELIAL wurde Ende 2003 auf Initiative der FNSt gegründet. Zu diesem Zeitpunkt war die Stabilisierung von Bewegungen in Lateinamerika unverkennbar, die sich gegen neoliberale Konzepte wandten und die Bildung eines von EU und USA weniger abhängigen Machtblocks anstrebten. Venezuela, Kuba und (seit 2005) Bolivien sind derzeit die Kernstaaten dieser Strömung. RELIAL, das Staatsinterventionen in die Wirtschaft ablehnt und die Öffnung der lateinamerikanischen Märkte für die westlichen Industriestaaten befürwortet, bindet neoliberale Polit-Organisationen von Feuerland bis zur US-Südgrenze zusammen. Die Mitgliederstruktur des Netzwerkes reicht von Parteien über Bildungs- und Forschungszentren, Thinktanks sowie Stiftungen bis hin zu liberalen Jugendorganisationen. (3) Insgesamt sind derzeit unter dem Dach von RELIAL 46 Gruppierungen aus 17 Ländern vereint, darunter auch Regierungsgegner aus Venezuela, Kuba und Bolivien. (4)

Plattform Internet

Auf das Internet als Plattform für Veranstaltungen wie das gestern gestartete Online-Seminar hat die FNSt bereits in der Vergangenheit wiederholt zurückgegriffen. Im Jahr 2005 initiierte sie gemeinsam mit ihrer Partnerorganisation "Instituto de Estudos Avacados" (IEA, Sao Paolo) in einem ersten Schritt eine virtuelle Plattform für kommunale Amtsträger ("Kommunale Praxis Online", KPO) aus dem brasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul. In einem ersten Schritt geht es darum, über "interaktiven Informationstransfer" eine stetig "wachsende Vernetzung liberaler Bürgermeister und Ratsmitglieder herbeizuführen", zudem liberale Stadt- und Gemeinderegierungen "in ihrer konkreten Arbeit zu unterstützen und aktiv zuum Ausbau digitaler Kommunikationsstrukturen beizutragen", erklärte die Stiftung. (5) Tatsächlich stärken die dabei entstandenen Netzwerke neoliberale Positionen ebenso wie das mit ihrer Umsetzung befasste Personal.

Polit-Strategische Planung

Im vergangenen Jahr veranstaltete RELIA dann erstmals ein Online-Seminar, das sich ohne länder- oder funktionsspezifische Einschränkungen an die gesamten neoliberalen Eliten Lateinamerikas richtete. Unter dem Seminartitel "Planificación Estratégico-Politica" (Polit-Strategische Planung) sollten von August bis November 2007 den Teilnehmern Kenntnisse über "Planung, Strategien, ziele, Aktionspläne, Führung, Kommunikation und Marketing" vermittelt werden. (6) Auf dieser Veranstaltung baut das aktuelle Online-Seminar auf. Das potenzielle Teilnehmerfeld beider Lehrgänge deckt sich, die Kontinuität bleibt durch den geschlossenen Seminarcharakter gewahrt. Ebenso wie bei der anfänglichen Vernetzung kommunaler Funktionsträger via Internet ist mit der Umsetzung das "Instituto de Estados Avancados" in Brasilien betraut.

Sezessionisten

Dass die Vernetzung unter dem Dach von RELIAL die neoliberale Opposition in Staaten wie Venezuela und Bolivien erstarken lässt, zeigt ein Beispiel aus der bolivianischen Politik. Manche RELIAL-Gruppierungen stehen in Verbindung zu Regionalisten, die gegenwärtig mit Sezessionsforderungen die staatliche Einheit mehrerer lateinamerikanischer Länder bedrohen, darunter vor allem Bolivien, aber auch Venezuela. (7) So unterstützte etwa das bolivianische RELIAL-Mitglied "Fundación Libertad y Democracia" (FULIDE) offen die Autonomie-Referenden, die die regionalen Präfekturen in den vergangenen Wochen entgegen einem Urteil des obersten bolivianischen Wahlgerichtes durchsetzen. FULIDE ist schon seit Jahren in diesem Sinne aktiv; so hatten Repräsentanten der Organisation bereits im Herbst 2006 an einer Tagung von Regionalisten in Ecuador teilgenommen. (8) Seit seiner RELIAL-Mitgliedschaft ist FULIDE auf dem lateinamerikanischen Subkontinent bestens vernetzt, inzwischen unterstützt auch das RELIAL-Netzwerk insgesamt die RELIAL-Referenden. Beobachter warnten schon im vergangenen Jahr vor einer "Balkanisierung Südamerikas". (9)

Kontrahenten

In Lateinamerika regt sich inzwischen Widerstand gegen die neoliberalen Aktivitäten von FNSt und RELIAL. Am Rande des dritten RELIAL-Kongresses der im März in der argentinischen Hafenstadt Rosario stattfand, kam es zu heftigen Protesten; aufgebrachte Demonstranten bewarfen den Bus, in dem der FNSt-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt anreiste, mit Steinen. (10) Am Rande des Kongresses wurde bekannt, dass die FNSt ihre zunehmenden Lateinamerika-Aktivitäten um eine öffentlichkeitswirksame PR-Aktion ergänzen will. Wie es heißt, wird die Stiftung ihren nächsten "Freiheitspreis" am 8. November 2008 in der Frankfurter Paulskirche an einen Prominenten aus Lateinamerika verleihen: an den peruanischen Schriftsteller Mario Vargas Llosa. Vargas Llosa ist erklärter Gegner der Staatspräsidenten Venezuelas und Boliviens, Hugo Chávez und Evo Morales.

(1), (2) RELIAL. Convoca al Seminario online 'Pensamiento Liberal Contemporáneo. Enfoques Básicos' ww.relial.org 21.05.2008

(3) Aktivitäten in Lateinamerika; www.la.fnst-freiheit.org

(4) Integrantes; www.relial.org

(5) Aktivitäten in Lateinamerika; www.la.fnst-freiheit.org

(6) Planificación Estratégico-Politica: www.iea.org.br

(7) In Venezuela ist vor allem der Bundesstaat Zulia betroffen. Venezolanische Rechte übt Separatismus; www.amerika21.de 20.05.2008

(8), (9) s. Dazu Balkanisierung in Südamerika

(10) Lateinamerika: Gerhardt warnt vor autoritärem Populismus; Presse-Info der Friedrich-Naumann-Stiftung 31.03.2008

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German Foreign Policy, 1. Juli 2001

CUBA LIBRE 4-2008