80 Jahre Che

Eine Geburtstagsbotschaft von Frei Betto
Ernesto Guevara, Arzt und Revolutionär, geboren am 14. Juni 1928, ermordet am 9. Oktober 1967


Es ist Ihnen nicht gelungen, ihn aus der Welt zu schaffen. Heute ist der Che gegenwärtiger als in den vier Dekaden seines Lebens. Der Feind unternahmen alles um ihn ins Vergessen zu stoßen. Sie zerschnitten seinen Körper und versteckten die Teile an verschiedenen Orten. Sie verbreiteten Lügen übe ihn und verboten seine Bücher. Doch der Che erhebt sich wie ein Phönix aus der Asche – in Liedern, Theaterstücken, Filmen, Gedichten, Romanen, Skulpturen und wissenschaftlichen Studien. Sein Bild, das berühmte Foto von Korda, hängt in vielen Häusern.

Als sie merkten, daß sie das Symbol weder in Ketten legen, noch sein Beispiel erschießen konnten, fälschten sie seine Biographie. Zwecklos. Selbst Fußballfans tragen Banner mit seinem Gesicht. Und sie merkten auch, daß dahinter keine Marketingabteilung steckt. Es handelt sich um die spontane Geste derer, die zeigen wollen, daß die Utopie weiterlebt.

Wenn wir heute an das Vermächtnis des Che denken und seinen achtzigsten Geburtstag feiern, müssen wir die Augen auf die besorgniserregende Situation unseres Planeten richten, auf dem Neoliberalismus herrscht. Vor allem die Jungen werden vom Individualismus und nicht vom gemeinschaftlichen Geist angezogen, dem Wettbewerb und nicht der Solidarität, dem maßlosen Ehrgeiz und nicht dem Kampf für die Abschaffung der Armut.

Man spricht soviel vom Scheitern des Sozialismus in Osteuropa und fast nie vom unvermeidlichen Scheitern des Kapitalismus bei zwei Dritteln der Menschheit, den vier Milliarden Menschen unter der Armutsgrenze.

Angst macht uns auch die Zerstörung der Umwelt. Wenn die Anführer der Welt die Warnung Fidels auf dem Gipfel von Rio 1992 gehört hätten, vielleicht wäre es nicht zu solchen Extremen gekommen: Tsunamis, Tornados, Taifune, Hurrikane, ganz zu schweigen von der globalen Erwärmung, dem Abschmelzen der Polkappen und der Verwüstung ehemaliger Urwälder.

Ein Barrel Öl kostet an der Förderstelle zehn Dollar, auf dem Weltmarkt schon mehr als 120. Große landwirtschaftliche Anbauflächen sind inzwischen reserviert für die Ethanolproduktion, sie füttern die Motoren von 800 Millionen Fahrzeugen, aber nicht die 824 Millionen Münder auf der Welt. Was ist zu tun angesichts einer Welt, in der die Finanzspekulation die Produktion von Gütern und Dienstleistungen ersetzt hat, in der die Börse als Gradmesser für das Glück der Menschen gilt?

Bolívar müßte über den demokratischen Frühling in Südamerika glücklich sein. Nach dem Zyklus der Militärdiktaturen und neoliberalen Regime wählt die Bevölkerung jetzt Regierungen, die die ALCA (Freihandelszone unter US-Führung) ablehnen, die ALBA (Alternative Wirtschaftsgemeinschaft) gutheißen, den MERCOSUR (Gemeinsamer Markt Südamerikas) stärken, die gegen den Einmarsch in den Irak und das US-Embargo gegen Kuba sind.

Wie können wir die achtzig Jahre Che am besten erinnern? Ich glaube, das beste Geschenk wäre es, eine neue Generation zu sehen, die für eine andere Welt kämpft, in der die Solidarität eine Gewohnheit und keine Tugend ist, Gerechtigkeit eine ethische Forderung und Sozialismus der politische Name der Liebe.

Errichten wir eine Welt ohne Umweltzerstörung, Hunger und soziale Ungerechtigkeit – und dies am Vorabend des fünfzigsten Geburtstags der kubanischen Revolution, die wir nicht als vergangenes Ereignis, sondern als Projekt der Zukunft sehen müssen.

CUBA LIBRE

Übersetzung aus dem spanischen: Timo Berger

CUBA LIBRE 3-2008