Alternative Baustoffe
Kuba wird mit Bambus aufgemöbelt

Ihre Namen klingen harmlos, doch was Wirbelstürme wie Charley, Dennis und Wilma anrichten, ist verheerend: Wenn sie mit über 100 Kilometern pro Stunde über die Karibikinsel hinwegfegen, bleiben jede Menge beschädigter Häuser wenn nicht gar Ruinen zurück.

Kuba wird immer öfter von ihnen heimgesucht, Privatpersonen trifft es dann besonders schlimm. Die Regierung fördert vordringlich die Sanierung von staatlichen Gebäuden, viele haben aber Probleme ihr eigenes Zuhause wieder klar zu kriegen und Zement und andere Baumeterialien sind teuer. In der Agrar-Kooperative „Pablo Suárez“ in der Provinz Holguin im Osten des Landes experimentiert man deshalb mit alternativen Baustoffen. Der Hoffnungsträger: Bambus.

Bambus: günstig und einfach zu verarbeiten

"Man spart viel Geld. Bambus kostet bei Weitem nicht so viel wie Holz. Und auch der Unterhalt ist einfach", erklärt der Bauer Rancés Gonález. Bambus wächst vor seinem Haus – pro Tag um einen Meter. Er holt sich einfach, was er braucht. „Wenn man weiß, wie man damit arbeitet, ist das kein Problem.§ Zusammen mit seiner Familie und den Nachbarn hat er ein ganzes Bambus-Haus gebaut: Die Giebelkonstruktion, Zwischenwände, Deckenstützen und sogar die Möbel sind aus dem stabilen Rohr. Mit den Stämmen vor seinem Haus kann González jederzeit einen kaputten Balken auswechseln.

Hilfe zur Selbsthilfe

Lorenzo Ortiz ist der Leiter des Bambus-Projektes in der Provinz Holguin. Er erzählt, dass in Kuba schätzungsweise 30 Prozent der Wohnungen in einem eher schlechten Zustande sind, besonders betroffen sind die Häuser auf dem Land. „Mit dem Bambus geben wir den Leuten ein Material, mit dem sie selber arbeiten und ihr Wohnungsproblem lösen können. „Zementplatten herzustellen, verbraucht viel Energie und kostet. "Beim Bambus ist das nicht der Fall, das ist ein erneuerbares Material", erklärt Ortiz.

Bisherige Ergebnisse

In mehreren Gemeinden stellen kleine Gemeinschaften Baumaterialien zu erschwinglichen Preisen her und bringen sie auf den lokalen Markt. So gestalten sich Energieverbrauch und Transportkosten günstig. Bis 2010 sollen 17 Gemeinden von diesem System profitieren.

Bislang wurden schon rund 20 solcher Betriebe und mehr als 200 Arbeitsplätze geschaffen. In den vergangenen fünf Jahren wurden bereits an die 2.300 Häuser renoviert.

Kleine Werkstätten vor Ort

Am Bambus-Experiment ist auch die Schweiz beteiligt. Die Direktion für Entwicklungszusammenarbeit DEZA unterstützt das Projekt mit rund 160.000 Franken pro Jahr. Man arbeitet mit der lokalen Bevölkerung zusammen, mit Bauern und Genossenschaften in den fünf östlichsten und ärmsten Provinzen des Landes. In den vor Ort errichteten Werkstätten werden Bambusplatten für Zwischenwände, aber auch Tische, Schaukelstühle, Matten und viele weitere Möbel produziert.

Preisgekröntes Programm

Das Programm hat bereits internationale Auszeichnungen bekommen, darunter einen Preis für nachhaltige Architektur von den Vereinten Nationen. 1.500 Hektar Bambus sind in den vergangenen Jahren in Kuba angepflanzt worden. Mit Schweizer Hilfe will man das Projekt nun weiter ausdehnen.

Wohnungsproblem noch nicht gelöst

Mit den Bambus-Konstruktionen allein wird das Wohnungsproblem in Kuba dennoch nicht zu lösen sein. Überall wird nach Wegen aus der Wohnungsnot gesucht. Doch die Kubaner sind bekannt dafür, dass sie für jedes Problem eine Lösung finden.

Wohnen in Kuba

1959 war in Kuba ein zentrales Wohnungsbausystem mit industriellem Fertigbau eingeführt worden. Baumaterialien wurden in großen staatlichen Produktionsstätten zentral hergestellt, im ganzen Land wurden Fertighäuser errichtet. Transportiert wurden die Materialien auf einem weitverzweigtem Netz von Straßen und Schienen. Möglich war dies nur mit billigem Erdöl aus der Sowjetunion. Doch mit dem Zusammenbruch in Osteuropa Ende der 1980er Jahre sind die subventionierten Lieferungen weggefallen, der kubanische Staat war nicht mehr in der Lage, dieses System aufrechtzuerhalten. Energie wurde Mangelware, Schienen und LKW veralteten, Straßen wurden vernachlässigt und Ersatzteile, Zement sowie andere Baumaterialien knapp und dementsprechend teuer. Der Zustand der bestehenden Häuser verschlechterte sich zunehmend, die Situation bessert sich aber langsam.

CUBA LIBRE

CL

CUBA LIBRE 3-2008