Günter Belchaus
Ministerialrat a.D.

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Kirchhundem, den 24. Januar 2008


Herrn Staatsminister
Gernot Erler, MdB
Auswärtiges Amt
Werderscher Markt 1
10117 Berlin

Besuchsrecht von Olga Salanueva und Adriana Pérez, Ehefrauen der in den USA inhaftierten kubanischen Staatsangehörigen René González und Gerardo Hernández
Hier: Fragestunde am 16. Januar 2008 - Fragen 20 und 21 des Abgeordneten Dr. Diether Dehm und Frage 22 des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke
Anlg.: - 2 -


Sehr geehrter Staatsminister, lieber Genosse Erler,

gestern erhielt ich die Kopie eines Auszugs aus dem Protokoll der Fragestunde am 16. Januar 2008 mit Deinen Antworten auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Dehm und Gehrcke. Meiner Auffassung nach kann man das, was Du dort gesagt hast, so nicht stehen lassen. Ich fürchte vielmehr, Deine Mitarbeiter haben Dir nicht gut zugearbeitet.

Du machst vor allem geltend, es sei kein Verstoß gegen die Menschenrechte, wenn die US-Behörden den oben genannten Ehefrauen die Einreise in die USA verweigerten. Mit ihrer Weigerung, Olga Salanueva und Adriana Pérez die zum Besuch ihrer Ehemänner in US-Gefängnissen erforderlichen Visa zu erteilen, verstoßen die zuständigen US-Behörden jedoch nicht nur nach meiner Auffassung massiv gegen Menschenrechte der Gefangenen und ihrer Ehefrauen.

Artikel 10 Abs. 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, den die USA ratifiziert haben, schreibt vor, daß jede Person, der ihre Freiheit entzogen worden ist, menschlich und mit Achtung vor der dem Menschen innewohnenden Würde behandelt werden muß. Zu diesem Artikel gibt es allgemeine Erläuterungen des UN-Menschenrechtskomitees (Nummer 21), nach denen Gefangene nicht zusätzlich bestraft werden dürfen; die Achtung ihrer Würde ist unter denselben Bedingungen zu gewährleisten wie die einer Person in Freiheit; sie haben alle in dem Pakt bestimmten Rechte, abgesehen von Einschränkungen, die in einer eingeschlossenen Umgebung unvermeidlich sind (Nummer 3 der Erläuterungen). Alle Personen, denen ihre Freiheit entzogen worden ist, menschlich und ihre Würde achtend zu behandeln, ist eine fundamentale und universell geltende Regel (Nummer 4 der Erläuterungen).

Nummer 37 der Mindestgrundsätze für die Behandlung von Strafgefangenen vom 3. September 1955 schreibt vor, daß Gefangenen zu gestatten ist, "unter der notwendigen Überwachung mit ihrer Familie .... in regelmäßigen Abständen brieflich und durch Besuchsempfang Verbindung zu haben". S. auch UN-Body of Principles for the Protection of all Persons under any Form of Detention or Imprisonment: "....sollen das Recht haben, besucht zu werden und zu kommunizieren, insbesondere von und mit Migliedern ihrer Familie".

Es dürfte eigentlich keinem Zweifel unterliegen, daß dies alles Konkretisierungen der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte enthaltenen und anerkannten Rechte sind, insbesondere des Rechts auf Achtung der Menschenwürde.

Menschenrechtsverletzungen liegen m.E. in den konkreten Fällen also sehr wohl vor.

Ich befinde mich in guter Gesellschaft. Amnesty international (ai) - ich bin aktives Mitglied dieser Organisation - hat die Verantwortlichen in den USA verschiedentlich zur Überprüfung ihres Verhaltens gegenüber Frau Salanueva und Frau Pérez unter Hinweis auf die einschlägigen Normen und Grundsätze des internationalen Rechts aufgefordert, bisher indessen, wie wir wissen, ohne jeden Erfolg. Zuletzt hat ai im Januar vergangenen Jahres unter seinen Mitgliedern eine Aktion gestartet, mit der die Zuständigen in den USA aufgefordert werden sollten, den beiden Frauen unverzüglich Visa zu erteilen, so daß sie ihre Ehemänner besuchen können, es sei denn, es lägen vernünftige und schlüssige Gründe für eine Verweigerung vor (Anlage 1). Ich habe daraufhin dem für Kuba zuständigen Beamten im US-Außenministerium den anliegenden Brief geschrieben (Anlage 2), auf den ich indessen, wie im Verkehr mit US-Behörden oder -Stellen leider üblich, keine Antwort erhielt.

Beiden Frauen gegenüber ist die Ablehnung ihres Visumantrags mit unterschiedlichen Begründungen mitgeteilt worden. Einmal sollen sie eine Gefahr für die Sicherheit der USA dargestellt haben, sodann soll aber auch die Befürchtung bestanden haben, sie wollten auf Dauer in den USA bleiben. Ich kenne fast alle Familienangeörigen der fünf Gefangenen, natürlich auch Olga Salanueva und Adriana Pérez. Ich kann mir nach allem, was ich von ihnen weiß, nicht vorstellen, wie man sie vernünftigerweise für Sicherheitsrisiken halten kann. Sie sind auch beide dermaßen gute kubanische Patriotinnen, daß mir jedenfalls völlig ausgeschlossen erscheint, sie wollten ihr Heimatland verlassen und sich in den USA dauerhaft niederlassen.

Du hast in Deinen Antworten auch geltend gemacht, bei 60 genehmigten Besuchen bei den Gefangenen stelle die Verweigerung bei - nur? - zwei Personen keinen Verstoß gegen das Völkerrecht dar. Ehrlich gesagt, das kann ich nicht nachvollziehen. Unrecht wird doch nicht dadurch zu Recht, weil sich jemand überwiegend rechtskonform verhält. Ich weiß auch nicht, wo die Zahl "60" herkommt. In der Entscheidung der Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtskomitees ist sie jedenfalls, soweit ich mich erinnere, nicht enthalten. Aber wenn man einmal die Richtigkeit dieser Zahl unterstellt, ist folgendes Bedenkliche festzustellen: Die fünf Gefangenen sind seit fast 10 Jahren in Haft. Es entfallen mithin auf jeden von ihnen insgesamt 12 Besuche in 10 Jahren, also etwas mehr als e i n Besuch pro Jahr. Das kann man mit Fug und Recht nicht als ordnungsgemäße Gewährung eines Rechts auf regelmäßigen Besuch ansehen. Auch darin sehe ich einen erheblichen Verstoß gegen allgemein im Völkerrecht gelten Grundsätze.

Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe hat im übrigen neulich die beiden Frauen zu einem ausführlichen Gespräch empfangen. Sie hat dabei großes Verständnis für die bedauerliche Situation der beiden gezeigt und ihnen ihre Hilfe zugesagt, sofern ihr konkret mitgeteilt würde, in welcher Weise sie in ihrer Angelegenheit tätig werden könne.

Nach allem wäre ich sehr dankbar, wenn Du Deine Haltung überprüfen könntest, insbesondere überlegtest, ob Du nicht, wie von dem Abgeordneten Gehrcke angeregt, doch Deine hervorgehobene Stellung gegenüber den Verantwortlichen in den USA dazu benutzen könntest, ihre ungerechtfertigte Verweigerungshaltung aufzugeben.

Deiner - hoffentlich positiven - Antwort sehe ich entgegen.

Mit freundlichen Grüßen
Dein (Günter Belchaus)
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CUBA LIBRE 2-2008