Barfüßige Helden

Kubas Spitzensportler sind Patrioten. Sie werden in ihrer Heimat als Heroen gefeiert.

Ob Angel Milian (Ringen), Alberto Juantorena (400 und 600 Meter), Javier Sotomayor (Hochsprung), Félix Savon (Boxen), Ana Fidelia Quirot (800 Meter), Ivan Pedroso (Weitsprung), Anier Garcia (110m Hürden) oder das Baseballteam – sie alle gingen bereits in die Geschichte der Karibikinsel ein. Sie sind ideale Repräsentanten ihres Landes, werden gefördert und unterstützt. Und lenken dabei nach außen hin zumindest ein wenig von sozialen und wirtschaftlichen Notstand ab, der in Kuba herrscht. Der allerdings ist bei kleineren Sportveranstaltungen nicht zu vertuschen. Fast heroischer ist der Auftritt der Breitensportler beim Marabana in Havanna. Manche laufen in zerfetzten Segeltuchschuhen, manche erreichen barfuß das Ziel. Ordentliche Laufschuhe können sich nicht alle Kubaner leisten. Sie sind froh, wenn sie sich im täglichen Leben der "período especial" über Wasser halten können.

Es ist eine logisch Folge der Armut vieler, was sich nach dem Marabana im Ziellauf vor dem Wahrzeichen Havannas, dem Capitolio, abspielte. Eine internationale Sportveranstaltung wie der Marabana, der im November 2003 Sportler aus mehr als 70 Ländern der ganzen Welt anlockte, ist für sie eine gute Gelegenheit, sich auf dem "freien Markt", also bei ausländischen Läuferinnen und Läufern nach Sportkleidung oder Schuhen anzufragen und sich so benötigte Sportausrüstung zu besorgen.

Leistungssport hat Vorrang

Seit 18 Jahren organisiert Manfred Köhn aus Bonn für Laufbegeisterte Marathonreisen nach Kuba. Im vergangenen November schlossen sich 21 Personen der Gruppe an, davon nahmen 16 den Marathon oder Halbmarathon in Angriff. Anfangs fand die Veranstaltung in Varadero statt, dann wurde sie in die Hauptstadt Kubas verlegt. Den Verlagskaufmann aus Bonn kennt man in den Läuferkreisen von Havanna denn in all den Jahren hat sich der 61-järige auch vor Ort nützlich gemacht. Im Wechsel mit anderen Ländern bringt Manfred Köhn Startnummern, Anmeldeformulare oder Sachpreise für die Sieger mit. Das ganze Jahr über sammelt er Medikamente, Laufschuhe und Laufbekleidung, packt sie in eine Kiste, bringt sie mit Unterstützung einer Fluggesellschaft nach Kuba und verteilt sie vor Ort. Neben Sportlern unterstützt Manfred Köhn auch Familien auf dem Lande. "Ich versuche, einen kleinen Beitrag zu leisten … Allerdings ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein", meint Köhn. Der Leistungssport hingegen scheint jede Krise des Landes zu überstehen. Früher hat die Sowjetunion die Kubaner unterstützt, mittlerweile finanziert sich der Spitzensport selbst. Das Sportministerium gründete die Firma "Cubadeportes" und exportiert seitdem personelles Know-how in Form von Trainern, Sportpsychologen, -medizinern oder Technikern. Während die großen Stars Annehmlichkeiten in ihrer Heimat genießen, warten die Volkssportler auf das Ende der "periodo especial". Bis dahin müssen sie auf ihre Verhandlungskünste vertrauen und notfalls auch ohne Schuhe laufen.

CUBA LIBRE (gekürzt aus "Runners World" 3-2002)

CUBA LIBRE 2-2004