Offener Brief von der Buchmesse in Havanna

Die junge Welt dokumentierte am 16.02.2004 in Schreiben deutscher Aussteller an Kanzler Schröder und Außenminister Fischer

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

Sehr geehrter Herr Außenminister,

am Sonntag, dem 15. Februar 2004, endete die XIII. Internationale Buchmesse in Havanna.

Ehrengast war Deutschland, eine entsprechende Einladung wurde bereits im Februar 2003 von deutschen Botschafter in Havanna angenommen. Bedauerlicherweise hat dann die Bundesregierung im August 2003 bekanntgegeben, trotz der bereits erfolgten Zusage nicht an der Buchmesse teilzunehmen. Wie wir aus diplomatischen Kreisen erfahren haben, haben Sie diesen Boykott persönlich angewiesen.

Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass deutsche Literatur und Kultur den Schwerpunkt der Messe bildeten und die Buchmesse ein großer Erfolg war. In Havanna wurde ein neuer Besucherrekord aufgestellt, nach der Fortsetzung in den Provinzen werden mehr als drei Millionen Kubaner die Messe besucht haben. Mit 35 ausstellenden Verlagen wurde die größte Beteiligung aus Deutschland in der Geschichte der Buchmesse erreicht. Und noch nie hat ein Gastland ein so umfangreiches Programm präsentiert. Insgesamt brachten die deutschen Verlage einige tausend deutschsprachige Bücher nach Havanna, die nach der Messe kubanischen Bildungseinrichtungen überlassen werden.

Der Boykott der Bundesregierung ist also gescheitert. Und das dank 80 Ausstellern, Helfern, Kulturschaffenden, die in nur kurzer Vorbereitungszeit ein Volumen von rund 200.000 Euro durch Eigenleistung und Spenden erwirtschaftet haben.

Wir wissen sehr wohl, dass die von Ihnen angegebenen Gründe für den Boykott eine ernst zu nehmende Grundlage haben. Allerdings gehen wir davon aus, dass die Menschenrechtsfrage für Sie nur ein Vehikel ist, um von den tatsächlichen Hintergründen Ihres Boykotts abzulenken. Wir lehnen diesen Missbrauch der Menschenrechtsfrage entschieden ab. Mit dem Boykott treffen Sie zudem die kubanische Bevölkerung, denn die Buchmesse in Havanna ist vor allem ein riesiges Familienfest. Das offensichtlich große Interesse an deutscher Sprache und Kultur wollten Sie unbedingt lassen.

Wir appellieren an Sie, umgehend zu normalen diplomatischen Beziehungen mit der Republik Kuba zurückzukehren und verbindliche Vorbereitungen für eine Teilnahme Deutschlands an der Buchmesse 2005 einzuleiten.

Havanna und Berlin, den 15. Februar 2004
Leitung der deutschen Delegation:
Rolf Manfred Hasse, Bibliothekar; Dietmar Koschmieder, Verlag 8. Mai; Reinhard Thiele, Cuba Sí


CUBA LIBRE Junge Welt, 16.02.2004

CUBA LIBRE 2-2004